Gabriel Schandl

We are overworked and underfu****

ERFOLG: Herr Schandl, bisher kannten wir Sie als seriösen und engagierten Buchautor, Redner und Leistungsforscher, dass ist ja jetzt schon ein krasser Titel, wie kommt es dazu?

Man muss gleich dazusagen, dass er vom österreichischen Psychotherapeuten und Kabarettisten Bernhard Ludwig stammt und er hat sich bei mir irgendwie eingebrannt, als ich ihn bei einem Vortrag hörte. Ich glaube, er hat ein Körnchen Wahrheit in sich, dieser Satz, auch wenn er derb ist: Wie arbeiten zuviel und genießen zu wenig das Leben. Wer weiß, wie viele Tage wir dazu noch haben. Mir ist es wichtig, im Beruf Gas zu geben, aber dann auch die Abende oder Wochenenden mit meinen Kindern zu genießen. Und manchmal geht es mit Freunden ins Ausland, wie zB vor kurzem nach Sizilien. Herrlich. Batterien auftanken und weiter geht’s! Apropos Sizilien: Es war letzten Sonntag, als wir mit einer kleinen Reisegruppe unter anderem einen Schafbauern besucht haben, der Ricotta noch in Handarbeit herstellt. Seine Herde zählt ungefähr 200 Schafe und er hieß Salvatore. Wir waren schon wieder auf dem Weg zum Auto, er begleitete mich noch ein paar Schritte und ich sage zu ihm: „Das ist ja immer viel Arbeit mit den Tieren und so..“ Er darauf: „Ja ist, es, aber es ist meine Leidenschaft.“ Und dann kam noch ein richtig spannender Satz: „Senza passione non c’e lavoro“ („Ohne Leidenschaft gibt es keine Arbeit.“) Und er ergänzte: „Wie soll man arbeiten als Lehrer, oder Maurer, ohne Leidenschaft?“ Soviel Weisheit in 2 Minuten, ich war beeindruckt.

 

ERFOLG: Sie sind ja schon fast ein Viertel-Jahrhundert erfolgreich in der Weiterbildungsbranche tätig, bilden sogar selbst Trainer aus. Erzählen Sie uns mehr zur Person Gabriel Schandl, was sie antreibt, was Sie nervt und wovon Sie träumen…

Ich bin vom Hintergrund her Wirtschaftswissenschaftler mit dem Schwerpunkt Organisation und Unternehmensführung und beschäftige mich als Redner und Coach jetzt seit über 20 Jahren auch praktisch mit diesem Thema. Und ich habe ein Buch darüber geschrieben. „Wege zum Leistungsglück“ Leistungsdruck kennen wir alle, aber nicht alle kennen Leistungsglück? Ich komme aus Österreich, genauer gesagt aus Salzburg und bin Vater von fünf Kindern. Große Familienfeiern gehören bei uns somit dazu. Es war bei einer solchen Familienfeier, besser gesagt beim Geburtstag meines Vaters – als ich dort einen seiner besten Freunde traf. Das Buffet war schon eröffnet  und die Kasnock`n dufteten herrlich  – das sind so eine Art Käsespätzle, würde man Deutschland sagen. Der Freund meines Vaters und ich standen also am Buffet an und wir plauderten. Es war der übliche Smalltalk: „Wie gehts, was machst du so?“ bis er auf einmal eine Antwort raushaute, mit der ich nicht gerechnet habe: „Ich habe noch 4 Jahre, 5 Monate und 2 Wochen, dann bin ich endlich in Rente.“ Ich war kurz sprachlos – das passiert eher selten – und hab kurz überlegt, ob das jetzt als Scherz gedacht war. NEIN! ES WAR IHM TODERNST! Der zählt die Tage bis zur Rente. In solchen Momenten fällt mir meine erwachsene Tochter ein, die mir mal auf Whatsapp geschrieben hat: „Ja Papa, ist ja schön, dass dir dein Job soviel Spaß macht, aber das kann nicht bei jedem gehen…“ Doch, ich glaube schon. Nennt mich Träumer, nennt mich verrückt, aber ich glaube daran! Und ich weiß, dass die Realität nach Veränderung schreit: 3.7 Millionen! Das ist die Zahl an Krankenstands-Tagen wegen Burnout und das hat sich in den letzten 10 Jahren verdreifacht! In den 1900er Jahren wäre ich gar nicht mehr am Leben, da war die durchschnittliche Erwartung eines Mannes ungefähr 40 Jahre. Heute beträgt sie 80! Wir werden also alle deutlich älter und gesünder, aber gleichzeitig steigt dramatisch die Zahl der psychischen Erkrankungen  – insbesondere der Burnouts!

 

ERFOLG: Was also tun? Haben Sie nach der Arbeit mit tausenden Menschen und hunderten Unternehmen sowas wie eine besondere „Essenz“, eine Formel für Erfolg für unsere Leser?

Ja, das habe ich tatsächlich: Die T.U.F.U. Formel – Nein nicht TOFU sonder TUFU – diese 4 wunderbaren kleinen Stellschrauben stehen für Talent – Umgebung – Freiheit und dann noch die Umsetzung.. Ich greife hier jetzt mal einen Aspekt davon heraus, der ganz leicht umzusetzen ist: Es ist das U für Umgebung. Wenn ich z.B. mit meinen Kindern zusammen bin, höre ich immer wieder folgenden Ruf: „Papa, schau!“ „Papa, schau mal! Papa, schau doch mal….“ Immer und immer wieder. Irgendwann schau ich dann. Weil sie so penetrant sind. Ich liebe sie 🙂 Kinder haben ein großes Bedürfnis gesehen zu werden! Eine Umgebung, in der dieses Feedback stattfindet, ist entwicklungspsychologisch sogar notwendig. Hört das als Erwachsene auf? Nein, es bleibt, aber wir können halt nur schwer schreien: „Chef, Schau! Chef, schau mal! Chef, schau doch mal!…“ Wir alle wollen gesehen werden. Gesehen, wirklich wahrgenommen, wertgeschätzt. Eine Anerkennungskultur statt einer Erwischtkultur täte uns gut. Wir wollen GESEHEN WERDEN als Menschen, als Persönlichkeit! Deswegen ist wertschätzendes Feedback das kraftvollste Element in der Persönlichkeitsentwicklug. Gestärkt durch Feedback beschließt dann plötzlich eine Krankenschwester, in meiner Trainerausbildung endlich ihren Traum zu verwirklichen und Philosophie zu studieren – und steht heute vor Ärzten um Vorlesungen über Ethik zu halten. Sie schreibt aktuell an ihrer Doktorarbeit.

Ihr Mann sagte vor kurzem zu mir: „Du hast meine Frau verändert. Komplett!“ Er meinte das als Kompliment! Oder der Diplom-Ingenieur aus Linz, der fachlich hochkompetent ist, aber kaum mit Menschen reden kann und heute hält er selbstbewusst Vorträge vor seinen mittlerweile über 100 Mitarbeitern. Habe ich das gemacht? Nein! Er hat das geschafft! Aber, Wahrnehmung entfaltet Potentiale. Es geht nicht nur darum, zu loben. Es geht einfach darum den anderen wieder wirklich zu sehen. Indem wir denn anderen sehen, bewußt hinschauen, ihnen wertschätzendes Feedback geben entwickeln wir sie, – und wir kommen einen Schritt weiter vom Leistungsdruck – zum Leistungsglück. Also: Wenn das nächste Mal dein Mitarbeiter sich Aufmerksamkeit wünscht oder vielleicht dein Kind sagt „Papa schau!“ oder „Mama, schau!“, dann sag nicht „ich hab keine Zeit“. Schau nicht weg. Schau hin!

Herr Schandl, vielen Dank für dieses spannende Interview!

 

 

Bild: Schandl/GedankenTanken