Auf der Promo-Tour ihrer Autobiografie ‚Becoming‘ (zu Deutsch: ‚Werden‘) füllte die ehemalige First Lady ganze Stadien. Der gleichnamige Dokumentarfilm, jetzt neu bei Netflix, ist jedoch keine unabhängige Verfilmung des Bestsellers. Gemischt mit Filmaufnahmen, die während ihrer Tournee hinter den Kulissen entstanden sind, erzählt Michelle Obama im Wesentlichen ihre eigene Sicht der Dinge. Wer nun von der scharfzüngigen Kritikerin Donald Trumps eine Abrechnung mit politischen Gegnern erwartet, wird enttäuscht.
Tatsächlich bekommen nämlich auch die Demokraten ihr Fett weg. „Wie ein Schlag ins Gesicht“ sei es gewesen, zitiert sie NPR aus dem Film, als sie nach der Wahl feststellte, dass viele Anhänger der demokratischen Partei gar nicht abgestimmt hätten. „Ich verstehe die Leute, die für Trump gestimmt haben, aber jene, die gar nicht zur Wahl gingen – junge Menschen und die Frauen – dann denkst du schon ‚man! Die Leute halten das für ein Spiel!‘“
Die Filmausschnitte zeigen, wie Prominente wie Oprah Winnfrey Michelle Obama interviewen. Die angesprochenen Themen reichen dabei von ihren Hochzeitsvorbereitungen bis hin zu der Darstellung, wie es für sie als Mutter war, ihre Kinder in der Präsidentenvilla des Weißen Hauses aufzuziehen. Die Bediensteten dort waren Latinos oder Afro-Amerikaner in Smokings, der typischen Dienstboten-Bekleidung. „Ich wollte nicht, dass meine Kinder mit dem Gedanken aufwachsen, von erwachsenen afro-amerikanischen Männern bedient zu werden. Meine Onkel, die als Pagen in den Schlafwagen der Eisenbahn arbeiteten, sahen so aus.“ Als ‚pullman porters‘ bekamen anfangs ehemalige Sklaven dort eine Anstellung.
Ihren Fans predigt sie das Mantra, dass sie sich, gerade weil sie sich in der Gesellschaft der weißen Trump-Befürworter zunehmend unwohl fühlen, behaupten müssen. „Lasst unsere Leistung für uns sprechen,“ ruft sie jungen, schwarzen Frauen zu. Das hat ihr auch die Kritik eingebracht, die Unterdrückten selber für ihre Unterdrückung mitverantwortlich zu machen. Wenn ein farbiger Mensch keinen Erfolg hat, läge es vielleicht an seinen mangelnden Bemühungen, ist eher in Credo ihrer politischen Gegner.
Rassismus und Vorurteile sind gewiss ein wichtiges Thema des Films. Frau Obama beschreibt, wie schwierig es für sie war, als First Lady des ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten ein perfektes Bild abzugeben. Gerade dadurch, durch diese Auslassung, wird die Produktion, bei der die Familie deutlich die Regie führt, zu einer bittersüßen Kritik an der Politik des nachfolgenden Präsidenten Trump.
Auch die Kritik an anderen politischen Gegnern wird etwas zu offensichtlich vermieden, denn Gründe, zurückzuschlagen, hätte sie wohl aus menschlicher Sicht genügend. Man vermisst da doch ab und zu einen unabhängigen Journalisten, der mit den richtigen Fragen nachhakt. Der Blick, den ‚Becoming‘ auf Michelle Obama zulässt, ist so insgesamt sehr selektiv geworden, aber durchaus sehenswert. Er stellt eine Frau dar, wie sie mit den Problemen, die sich aus ihrer Position ergaben, zurecht kam und wie die Herausforderung sie selbst veränderte.
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