Über zwei Jahre Pandemie haben selbst die größte Frohnatur in mentale Mitleidenschaft gezogen. Ängste und Unsicherheiten haben ihre psychischen Spuren hinterlassen. Patrizia Patz illustriert, wie wir dem entrinnen und mehr Klarheit über unsere Gefühle bekommen.
Zwei Jahre Pandemie liegen hinter uns und kaum haben wir uns an den Umgang mit dem Virus gewöhnt, kommt schon der nächste Schlag: Krieg, horrende Benzinpreise, steigende Lebenshaltungskosten. Grund genug, um schlecht drauf zu sein. Die Gefühle in dieser bewegten Zeit sind mannigfaltig: Angst davor, wie es weiter gehen soll. Wut über hohe Preise und den Zwang zur Isolation. Traurigkeit aufgrund des Verlusts von geliebten Menschen, Kontakten und Gewohnheiten. Depressionen, Angststörungen und Erschöpfungszustände sind seit der Pandemie sprunghaft angestiegen. Kein Wunder, bei so viel negativen Emotionen.
Und genau in dieser Annahme liegt das eigentliche Problem! In unserer Kultur sortieren wir Gefühle immer noch in »positiv« und »negativ«. Von unseren vier Grundgefühlen, stempeln wir Angst, Wut und Traurigkeit als negativ ab. Nur die Freude ist okay. Wir wollen keine negativen Gefühle haben. Wir lernen auch nicht mit Gefühlen umzugehen – egal ob mit den guten oder den vermeintlich schlechten. Und diese Prägung wird uns in Zeiten großer Veränderungen zum Verhängnis.
Wenn wir (ungewollte) Umbrüche in unserem Leben erfahren, sind bestimmte Gefühle unvermeidbar. Diese Gefühle sind nicht dazu gedacht, uns das Leben schwer zu machen, sondern um uns bei der Bewältigung dieser Umbrüche zu helfen. Solange wir diese Gefühle aber verdrängen, passiert genau das erstere. Problematisch sind nicht die »negativen« Gefühle, sondern der unbewusste Umgang mit ihnen – das Verdrängen, das Nicht-Haben-Wollen.
Umgang mit Angst
Ein Gefühl, das mit jeder Veränderung einhergeht, ist die Angst. Wir wissen nicht, ob das Neue funktionieren wird – da ist Angst ganz normal. Wenn wir Angst als negativ sehen und sie verdrängen, dann spielt sie sich im Unbewussten ab. Unbewusst ausagierte Angst kann uns in Panik- und Schockzustände versetzen – wir sind wie gelähmt und können nicht schlafen. Sie führt zu einem ständigen unterschwelligen Adrenalinausstoß, der uns irgendwann in die Erschöpfung bringt. Wenn Angst für uns nicht okay ist, wird jede Veränderung zur unüberwindbaren Hürde.
Wenn wir Angst aber als Ressource betrachten, die uns bei Veränderung hilft, und wir sie bewusst nutzen, unterstützt sie uns dabei, vorsichtig Neuland zu betreten, ungewöhnliche Lösungen zu finden sowie wach und erfinderisch zu sein, um mit den neuen Umständen umzugehen.
Umgang mit Wut
Ein weiteres Gefühl in Veränderungsprozessen ist die Wut. Auch mit Wut können wir entweder unbewusst oder bewusst umgehen. Unterdrückte Wut kann zu körperlichen Symptomen führen, wie z. B. Bluthochdruck oder Verspannungen. Oder sie lässt uns ständig angespannt und genervt sein – wir meckern über die Regierung, sind empört und frustriert. Wir wollen die Veränderung nicht haben, bleiben im passiven Widerstand und verpulvern so wertvolle Lebensenergie.
Wenn wir sie bewusst nutzen, dann gibt die Wut uns Kraft, um in Aktion zu treten, etwas ganz Neues zu beginnen und für das einzustehen, was uns wichtig ist. Mit Wut können wir Klarheit schaffen und aktiv den Neubeginn gestalten, anstatt die Veränderung passiv zu bekämpfen.
Umgang mit Traurigkeit
Auch Traurigkeit ist ein normales Gefühl bei Veränderungen. Immer wenn wir etwas verlieren, das uns am Herzen liegt, empfinden wir Traurigkeit. Oder wenn wir sehen, wie andere leiden. Verdrängen wir die Traurigkeit ins Unbewusste, raubt sie uns jegliche Motivation. Wir werden zu antriebslosen, jammernden Opfern, die scheinbar nichts an ihrer Situation ändern können. In Phasen der Veränderung landen wir dadurch irgendwann in der Resignation – wir ergeben uns den Umständen.
Traurigkeit als Ressource würde uns dabei helfen, in aktive Akzeptanz zu gelangen, statt in die Resignation. Traurigkeit macht uns weich und nahbar, sie zeigt uns, was uns am Herzen liegt und lässt uns Dinge loslassen und würdig verabschieden. Und: Traurigkeit verbindet uns mit anderen. Sie lässt uns mitfühlen, in Kontakt sein und für andere aktiv werden, die in Not sind.
Schritte aus lähmenden Gefühlszuständen
Eine Möglichkeit, um aus den anfangs erwähnten Gefühlszuständen herauszukommen, besteht darin, vom unbewussten ins bewusste Fühlen zu wechseln. Ausgehend von der neuen Perspektive, dass Gefühle nützliche Ressourcen sind, gehen Sie wie folgt vor:
1. Gefühle bewusst machen
Wenn Sie sich schlecht fühlen, halten Sie inne und fragen sich: »Was fühle ich gerade?« Wir können die meisten unserer Gefühle auf vier Grundgefühle zurückführen: Wut, Traurigkeit, Angst und Freude.
2. Gefühl bewusst fühlen
Versuchen Sie, nicht sofort zurück in den Verstand zu gehen. Bleiben Sie stattdessen mit Ihrer Aufmerksamkeit im Körper, atmen Sie weiter und erlauben Sie dem Gefühl, da zu sein und sich auszudrücken.
3. Das Gefühl nutzen
Lassen Sie sich von dem Gefühl informieren, worum es geht: »Ich fühle Angst, weil …« Sobald Sie Klarheit über den Grund haben, können Sie die entsprechende Gefühlskraft nutzen. Bei Angst z. B. dafür, um kreative Lösungen zu finden oder sich mehr Informationen zu holen.
Die Autorin: Patrizia Patz ist die evolutionäre Krustensprengerin. Als Profi-Trainerin und Coach begleitet sie seit über siebzehn Jahren Menschen und Organisationen über die Grenzen ihrer Konditionierung hinaus zu mehr Möglichkeiten und authentischer Lebendigkeit. Sie ist Expertin für die Verbindung von Emotion und Ratio.
»Gefühle: Emotional gesund in einer rationalen Welt«
von Patrizia Patz
258 Seiten
Erschienen in 2. Auflage: 2021
BusinessVillage
ISBN: 978-3-86980-495-8
Bilder: Depositphotos / uflypro, Patrizia Patz, Cover: BusinessVillage