Unternehmen setzen alles daran, Konflikte zu vermeiden und sie bereits im Keim zu ersticken, denn diese werden als störend und bremsend wahrgenommen. Damit nimmt man ihnen jedoch ihr innewohnendes Potenzial und dieses ist gigantisch. »Im Grunde genommen sind Konflikte nur ein Ausdruck von Energie«, sagt der Kommunikations- und Konfliktexperte Christian Wirth. Wie Unternehmer dieses Potenzial anzapfen können, verrät er im Interview mit dem Erfolg Magazin.
Herr Wirth, Sie sind bereits seit Jahren Konfliktcoach. Welche Konfliktarten begegnen ihnen am häufigsten?
Der erste Konflikt, egal ob es um einen partnerschaftlichen Konflikt oder um einen beruflichen Konflikt geht, habe ich immer zuerst mit mir selbst. Das bemerken allerdings die wenigsten Menschen, weil sie diesen Konflikt sofort auf den Kommunikationspartner übertragen. Was geschieht jedoch bei einem Konflikt? Ein Konflikt herrscht dann, wenn eigene Werte, Zielsetzungen und Glaubenssätze unterschiedlich interpretiert werden oder diese einfach unterschiedlicher Natur sind. Das heißt, man kann im Unternehmen oder auch in der Partnerschaft dieselben Ziele verfolgen, sie aber auf unterschiedlichem Wege erreichen wollen. Ein Konflikt entsteht also zuerst in mir selbst, weil ich merke, dass meine Werte vom anderen nicht geteilt werden, deshalb rate ich in meinen Coachings auch dazu, das eigene Wertekonstrukt zu analysieren und herauszufinden, weshalb man in gewissen Situationen so reagiert, wie man reagiert. Dies ist auch schon der erste Schritt zur Konfliktbewältigung.
Konflikte sind ja sehr negativ besetzt in der Gesellschaft. Was können die positiven Seiten eines Konflikts im Unternehmen sein?
Konflikte sind sogar sehr negativ besetzt. Jeder möchte ihnen ausweichen, doch gerade sie stellen den notwendigen Antrieb dar, um sich selbst und in weiterer Folge das Unternehmen auf das nächste Level zu bringen. Konflikte und Auseinandersetzungen führen mich aus der Komfortzone heraus und liefern Impulse fürs eigene Wachstum.
Ohne Konflikte kann sich kein Unternehmen weiterentwickeln. Ein Konflikt ist eine Hürde und diese muss man einfach meistern. Wenn Konflikte nicht ausgetragen und bearbeitet werden, entwickelt sich niemand weiter. Firmen, die keine Konfliktkultur, also die offene und aktive Bearbeitung von Konflikten, aufweisen, funktionieren dementsprechend schlecht.
Was hat Konfliktbewältigung mit Erfolg zu tun?
Unser ganzes Leben geht es darum, dass wir Konflikte haben und diese meistern. Die aktive Auseinandersetzung mit der Welt führt dazu, dass es zwangsläufig zu Konflikten kommt. Es geht gar nicht anders, weil die Sichtweisen auf die Welt einfach zu unterschiedlich und mannigfaltig sind. Erfolgreich kann folglich nur jemand sein, der sich aktiv durch die Welt bewegt und im wahrsten Sinne des Wortes »aneckt« mit seinem Wertekonstrukt. Wer nie aneckt, der kann auch nie erfolgreich sein, weil keine Problemlösungskompetenz entwickelt wird. Inaktivität fördert das Verharren in der eigenen Komfortzone und das bedeutet Stillstand.
Wie gefährlich ist Konfliktvermeidung für den eigenen Erfolg?
Konfliktvermeidung stellt die absolut letzte Phase in der Auseinandersetzung mit Menschen dar. Paare, die sich nichts mehr zu sagen haben, trennen sich. Mitarbeiter, die sich keinen Konflikten mehr stellen, haben bereits innerlich gekündigt. Es kommt zu einer Kapitulation, weil keine Energie mehr aufgebracht wird, an der Situation zu arbeiten. Dies führt ebenfalls zum Stillstand, der in Wahrheit ein Schritt zurück ist.
Was bedeutet es eigentlich konkret, gut mit Konflikten umzugehen?
Erster Schritt ist die Akzeptanz, dass ein Konflikt vorhanden ist, das heißt, man muss ihn möglichst frühzeitig erkennen, um ihn bearbeiten zu können. Meist gehen Menschen instinktiv falsch mit Konflikten um, aber das ist noch immer besser, als überhaupt nichts zu machen. Am besten ist, man holt sich einen Experten hinzu, der zeigt, wie man gut mit Konflikten arbeiten kann und eine Konfliktkultur implementiert im Unternehmen.
Es muss erkannt werden, dass Konflikte zum Wachstumsprozess dazugehören. In Wirklichkeit stellt jeder Konflikt eine Chance dar, die man nicht ungenutzt verstreichen lassen sollte.
Welche Tipps würden Sie angehenden Unternehmern im Kontext der Konfliktbewältigung an die Hand geben?
Ich würde den Tipp geben, die positiven Seiten eines Konflikts herauszustreichen. Um dies zu erkennen, benötigt man jedoch, besonders am Anfang, Trainings mit Experten auf dem Gebiet. Erst nach und nach, wenn sich neue Verhaltens- und Glaubensmuster etabliert haben, kann man als Unternehmen immer seltener auf Hilfe von außen zurückgreifen.
Weiters muss man die Wichtigkeit des sozialen Miteinanders erkennen. Es nützt nichts, wenn man elf Menschen in einem Unternehmen versammelt, die über geballtes Fachwissen verfügen, aber nicht wissen, wie man produktiv mit einem Konflikt umgeht. Solche Unternehmen werden eher früher denn später scheitern an ihrer fehlenden Konfliktkultur.
Und was am wichtigsten ist: Diese Konfliktkultur muss von allen Ebenen und jeden Tag vorgelebt werden, sonst ist sie nicht nachhaltig. Das heißt, dass auch die Führungsebene offen sein muss, Konflikte schonungslos anzusprechen und sie aktiv dazu zu nutzen, das Unternehmen voranzubringen.
Kommunikationsexperte Christian Wirth hat bereits über 1.000 Klienten zu einem produktiveren Umgang mit Konflikten aller Art verholfen.
Seine Schwerpunkte setzt der Coach für konfliktfreie Kommunikation im Unternehmens- und Beziehungskontext.
Beitragsbild: Stefan Mang