Dr. Dr. Reiner Zitelmann über die Rolle des Geldes
Mich macht Geld glücklich. Nicht, weil ich mir damit ein schönes Auto und eine teure Uhr kaufen kann – das ist mir wirklich nicht wichtig. Aber weil Geld für mich Freiheit bedeutet. Was heißt das konkret für mich? Freiheit bedeutet zunächst: Ob ich arbeite, wann ich arbeite, wo ich arbeite, mit wem ich arbeite, woran ich arbeite und wie ich arbeite, entscheide ganz alleine ich. Ich bräuchte schon längst nicht mehr zu arbeiten, aber ich arbeite gerne. Aber ich habe nicht gerne einen Chef, der mir sagt, woran ich arbeiten soll. Und ich mache gerne meinen Mittagsschlaf. Ich reise gerne viel. Und wenn ich reise, fliege ich gerne Business oder erste Klasse und übernachte gerne in erstklassigen Hotels. In diesem und im kommenden Jahr werde ich in mehr als 30 Länder auf fünf Kontinenten reisen, denn ich habe versprochen, dass ich in jedes Land reisen werde, in dem meine Bücher erscheinen.
Und meine Leidenschaft ist die Wissenschaft: Ich habe in den vergangenen Jahren Umfragen für meine Studien durchführen lassen, die mich über eine halbe Million Euro kosteten. Ich habe niemanden gehabt, der mir das Geld dafür gegeben hat. Ich konnte mir das leisten, weil ich als Unternehmer und Investor in weniger als 20 Jahren ein Vermögen aufgebaut habe. Und ich gebe zu: Ich mag sehr schöne, junge Frauen. »Junge, schöne Frau verliebt sich in alten, armen Mann«, das passiert nun aber sehr selten. Das wissen wir alle. Ich habe bessere Möglichkeiten bei der Partnerwahl als ein Busfahrer. Auch das ist Freiheit für mich. Alles in allem sage ich: Geld ist nicht das Wichtigste, aber es ist sehr wichtig, weil die Freiheit das Wichtigste für mich ist. Aber das sieht nicht jeder so.
Für einen Intellektuellen ist eine solche Einstellung schon ungewöhnlich. Schon bei den antiken Philosophen fanden sich häufig kritische Äußerungen über den Reichtum. Platon fragte in seiner »Politeia«: »Steht es mit dem Unterschied von Reichtum und Tugend nicht so, dass die gleichsam auf die Schalen einer Waage gelegt sind, von denen die eine steigt, während die andere sinkt?« Dichter, Sänger und Philosophen haben immer wieder Aphorismen geprägt, die den Wert des Geldes relativieren und das Streben nach Reichtum verurteilen. »Genug zu haben ist Glück, mehr als genug zu haben, ist unheilvoll. Das gilt von allen Dingen, aber besonders vom Geld«, sagte der chinesische Philosoph Lao Tse. Der Popsänger Bob Dylan fragte: »Was bedeutet Geld? Ein Mensch ist erfolgreich, wenn er zwischen Aufstehen und Schlafengehen das tut, was ihm gefällt.« Und Albert Einstein meinte: »Das Geld zieht nur den Eigennutz an und verführt stets unwiderstehlich zum Missbrauch.«
Auf der anderen Seite gab es immer auch Dichter und Philosophen, die das ganz anders sahen. »Ein gesunder Mensch ohne Geld ist halb krank« – dieser Satz stammt vom Johann Wolfgang von Goethe. Und der niederländische Philosoph Benedictus de Spinoza brachte seine Skepsis gegenüber den Menschen zum Ausdruck, die allzu einseitig vom Missbrauch des Geldes und den Lastern der Reichen sprechen: »Der Arme, der gern reich sein möchte, redet unaufhörlich vom Missbrauch des Geldes und den Lastern der Reichen, wodurch er aber nichts anderes erzielt, als dass er sich ärgert und anderen zeigt, wie er nicht bloß über seine eigene Armut, sondern auch über der anderen Reichtum Unmut hegt.« Die deutsche Philosophin Gertrude Stein meinte: »Ich war reich und ich war arm. Es ist besser, reich zu sein.« Und der Schriftsteller Oscar Wilde, der es stets liebte, durch übertriebene Aussagen Widerspruch zu provozieren und Wahrheiten ans Tageslicht zu bringen, schrieb: »Als ich klein war, glaubte ich, Geld sei das Wichtigste im Leben. Heute, da ich alt bin, weiß ich: Es stimmt.« Neue Forschungen zum Thema »Geld allein macht nicht glücklich« oder »Lieber arm und gesund als reich und krank« sind nur zwei Redensarten, mit denen die Bedeutung von Geld für das menschliche Glück bestritten oder relativiert werden soll.
Diese Skepsis wurde scheinbar auch durch wissenschaftliche Studien bestätigt. Die beiden Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman und Angus Deaton kamen zu dem Ergebnis, dass der Zusammenhang zwischen höherem Einkommen und größerem Glück zwar gelte, jedoch nur bis zu einer bestimmten Grenze – und zwar bis zu einem Jahreseinkommen von 75.000 Dollar. Alles, was darüber hinausgehe, habe keinen signifikanten Einfluss mehr auf die Zufriedenheit eines Menschen, da er sich an eine komfortable finanzielle Lage bereits gewöhnt habe und seinen Lebensstil mit jeder Gehaltserhöhung nur noch minimal anpasse. Eine neuere Untersuchung, die in der amerikanischen Fachzeitschrift »PNAS« veröffentlicht wurde, kommt jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis.
Amerikanische Forscher um Matthew A. Killingsworth fanden heraus, dass sich sowohl das »experienced well-being« (erfahrenes Wohlbefinden) als auch das »evaluative well-being« (bewertende Wohlbefinden) mit dem Einkommen erhöhe. Das »erfahrene Wohlbefinden« wurde durch die Auswertung von 1,73 Millionen Berichten von 33.391 Amerikanern gemessen. Sie wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf ihrem Smartphone kontaktiert und es wurde ihnen die Frage gestellt: »How do you feel right now?« (»Wie fühlen Sie sich gerade jetzt?«). Das »bewertende Wohlbefinden« wurde mit der Frage gemessen: »Overall, how satisfied are you with your life?« (»Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit Ihrem Leben?«). Das interessante Ergebnis dieser Studie: Die in der Studie von Kahneman und Deaton behauptete Grenze von 75.000 Dollar gab es nicht. Sowohl für Einkommen bis 80.000 Dollar als auch für Einkommen darüber ließ sich der Zusammenhang von mehr Geld und höherem Lebensglück eindeutig nachweisen.
Die Studie wies methodisch einige Vorteile gegenüber älteren Studien auf. So konnten die Befragten bei älteren Studien nur mit »Ja« oder »Nein« die Frage nach ihrem Glück beantworten, während in der aktuellen Studie eine Skala mit verschiedenen Abstufungen verwendet wurde. Ein großer Vorteil war auch, dass durch die Kontaktaufnahme mit dem Handy tatsächlich der aktuelle Gefühlszustand gemessen wurde. In älteren Studien hatte man die Menschen lediglich gebeten, sich daran zu erinnern, wie sie sich gefühlt hatten. Solche Erinnerungen sind jedoch oft verfälscht und durch den aktuellen emotionalen Zustand stark gefärbt. Macht Freiheit glücklich? Bisher gibt es keine Untersuchung, die wirklich extrem reiche Menschen nach ihrem Glücksgefühl fragt. Ich meine damit Menschen, die finanziell frei sind, die also so viel Geld haben, dass sie nicht mehr arbeiten müssen, sondern von den Erträgen ihres Vermögens ein komfortables Leben führen können. Hier handelt es sich um eine sehr kleine Gruppe von Menschen, die über ein mindestens zweistelliges Millionenvermögen verfügen.
Ich habe viele dieser Menschen kennengelernt, als ich für meine Dissertation »Psychologie der Superreichen« ausführliche Gespräche und einen psychologischen Test mit 45 Reichen durchführte, die alle mindestens ein zweistelliges Millionenvermögen besaßen – die meisten hatten sogar mehr. Die Frage, wie glücklich diese Menschen sind, hatte ich nicht gestellt, aber ich habe sie gefragt, was sie mit Geld verbinden. Das interessante Ergebnis: Bei der Antwortmöglichkeit, dass man mit Geld die Möglichkeit verbindet, sich »schöne Dinge« leisten zu können, gingen die Meinungen weit auseinander. Für manche Reichen war dieser Punkt sehr wichtig, für andere total unwichtig. Einig waren sich fast alle indes darin, dass Reichtum für sie »Freiheit und Unabhängigkeit« bedeutet. Wenn man Geld als »geprägte Freiheit« versteht und die Frage »Macht Geld glücklich?“« umformuliert, dann lautet sie: »Macht Freiheit glücklich?« Diese Frage würden wohl die meisten Menschen bejahen.
Prüfen Sie sich selbst: Wenn Sie morgen nicht mehr arbeiten müssten, weil sie genug Geld hätten und selbst darüber entscheiden könnten, ob Sie überhaupt noch arbeiten und was Sie arbeiten – würde das Ihr Lebensglück erhöhen? Vielleicht machen Sie auch mal eine Liste von allen Sorgen, die Sie sich in den letzten drei Monaten gemacht haben. Und dann streichen Sie all jene Sorgen durch, die Sie nicht gehabt hätten, wenn Sie zum Beispiel 30 Millionen Euro besäßen. Sorgen um die Sicherheit des Arbeitsplatzes, über die Mieterhöhung oder über die kostspielige Autoreparatur könnten Sie sofort streichen. Natürlich blieben Sorgen um Ihre Gesundheit. Doch wir wissen aus wissenschaftlichen Untersuchungen auch, dass reiche Menschen im Schnitt gesünder sind und eine deutlich höhere Lebenserwartung haben als ärmere. Es blieben andere Sorgen, etwa Liebeskummer. Diese Sorgen verschwinden auch nicht mit mehr Geld – aber immerhin haben Sie als Reicher deutlich bessere Chancen und Wahlmöglichkeiten bei der Partnerwahl als ein Armer.
Die Wissenschaftlerin Dorothee Spannagel ist in ihrer Dissertation zum Thema »Reichtum in Deutschland« auch der Frage nachgegangen, worüber sich Menschen Sorgen machen. 23 Prozent der Gesamtbevölkerung machte sich »große Sorgen« um die eigene Gesundheit, aber nur zehn Prozent der Besserverdiener. 25 Prozent der Gesamtbevölkerung, aber nur sechs Prozent der »Reichen« machten sich »große Sorgen« über ihre eigene wirtschaftliche Lage. Und 54 Prozent der »Reichen« machten sich darüber keinerlei Sorgen, aber nur 27 Prozent der Gesamtbevölkerung gaben an, sich über die eigene wirtschaftliche Lage keine Sorgen zu machen. Natürlich macht Geld allein nicht glücklich und ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der das behauptet hätte. Ebenso wenig machen allein genommen Freiheit, Gesundheit oder guter Sex glücklich. Und doch wird diese Banalität nur im Zusammenhang mit Geld betont. Ich habe noch niemanden gefunden, der uns darüber belehrt hätte, dass »Gesundheit allein nicht glücklich macht«. Lassen Sie sich nicht einreden, Geld sei unwichtig. Das stimmt einfach nicht – und im Grunde weiß das jeder.
Aus Erfolg Magazin 06/2022
Der Beitrag basiert zum Teil auf Rainer Zitelmanns Buch »Reich werden und bleiben. Ihr Weg zur finanziellen Freiheit«.
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