Das können Sie von TV-Moderator Sascha Oliver Martin lernen:
Als Fernsehmoderator und Medientrainer teile ich in gewisser Weise das Schicksal der Ärzte auf Partys. Ein einfacher Gast ist man nie, man ist immer im Dienst. Wo ich auch auftauche, werde ich als Wandercoach betrachtet, der sich der Ängste der Menschen vor öffentlichen Auftritten annimmt oder sich den Frust derjenigen anhört, die schon einschlägige Speaker-Seminare besucht und noch immer keinen Weltruhm erlangt haben. Und ich werde gebeten, ihnen die geheimen Tricks von uns TV-Moderatoren zu verraten. Damit ich mit Ihnen auf der nächsten Party das üppige Buffet und den guten Wein in Ruhe genießen kann, gebe ich Ihnen die Tipps hiermit vorab. Viel Freude und Erfolg damit:
- Versuchen Sie nicht, gut auszusehen Sie sehen aus, wie Sie aussehen, Punkt. Akzeptieren Sie es und vergessen Sie es dann. Redner, die versuchen, schiefe Zähne, lichte Haare oder eine krumme Nase zu verstecken, wirken unnatürlich und verwirren ihre Zuhörer. Machen Sie mit der größtmöglichen Entspannung das Beste aus sich, sodass Sie sich wohlfühlen, und dann lassen Sie los. Es geht ohnehin um Ihr Publikum, nicht um Sie.
- Lernen Sie Inhalte auswendig, keine Sätze Redner oder Moderatoren, die »aus dem Kopf ablesen«, sind eine Zumutung. Sie sind weder beim Thema noch bei ihrem Publikum, sondern beim Ablesen ihrer Texte. Das kann nichts werden – weder beim Verkaufsgespräch noch in der Präsentation oder auf der großen Bühne. Machen Sie sich so vertraut mit Ihren Inhalten, dass Sie jede relevante Frage im Schlaf beantworten können. Mit anderen Menschen reden, ohne dass Sie dafür Sätze auswendig lernen müssen, können Sie ja im Alltag auch, oder? Das genügt.
- Körpersprache – vergessen Sie alles, was Sie je gelernt haben Haben Sie auf Seminaren oder aus Videokursen Power-Gesten gelernt? Virtuelle Willkommensumarmungen? Optimale Handhaltungen? Vergessen Sie das alles. Eine gute Körpersprache lebt davon, dass sie natürlich fließt und zu Ihnen und Ihren Inhalten passt. Sie müssen nichts dazulernen, nur alles über den Verstand Gesteuerte weglassen. Wenn Sie emotional voll im Thema sind und die Bewegungen einfach zulassen, dann wirkt auch Ihre Körpersprache überzeugend. Lassen Sie sie zu.
- Erden Sie sich Ja, tatsächlich, erden Sie sich. Streichen Sie kurz unauffällig mit den Fußsohlen über den Boden, dreimal linksherum im Kreis, dreimal rechtsherum. Wenn es unauffällig möglich ist, stampfen Sie sogar kurz, aber kräftig auf, zum Beispiel vor dem Hineingehen in einen Raum. Ihr Unterbewusstsein nimmt so wahr, dass Sie festen Boden unter den Füßen haben und nicht in Gefahr sind. Das vermeidet den Ausstoß von Stresshormonen und Panikreaktionen.
- Fake it till you make it Es ist in den jüngsten Jahren »in« geworden, grundsätzlich erst einmal zu sagen: »Ich bin total aufgeregt.«. Das ist sehr liebenswert – wenn es Ihre zwölfjährige Tochter auf der Bühne der Schulaula sagt. Wenn Sie anders wirken wollen als ein zwölfjähriges Mädchen auf der Bühne einer Schulaula, dann lassen Sie solche Äußerungen einfach weg. Legen Sie los und übergehen Sie kleine bis mittlere Unsicherheiten selbst dann, wenn Sie sich damit noch sehr unwohl fühlen. Nach kurzer Zeit wird Ihr Gehirn registrieren, dass Sie das alles viel besser machen als gedacht – und ab dann läuft es ohnehin.
- Sehen Sie die Technik als Ihren Freund an »Immer diese Scheißtechnik?« Mit der Einstellung werden Sie nicht viel Freude an öffentlichen Auftritten haben, ob im Fernsehstudio, auf einer Bühne oder auch nur im Zoom-Call. Die Technik ist Ihr Freund. Klopfen Sie nicht auf das Mikrofon, das wirkt unbeholfen und nervt. Schimpfen Sie niemals über die Technik. Sie ist einfach da, das genügt.
- Pressearbeit – Sie sind Protagonist, kein Werbekunde Profis wissen es und halten sich an die Regeln. Unerfahrene, die nur selten mit Fernsehen, Radio oder Print zu tun haben, vergreifen sich oft im Ton und in ihren Forderungen. Damit outen sie sich als Medienamateure und verderben es sich teilweise auf Lebenszeit mit Medienschaffenden, die mit einem einzigen Beitrag Ihre Präsenz in den Himmel oder ins Nichts befördern können. Fragen Sie, bitten Sie, aber fordern Sie niemals etwas von Journalisten. Und nein, kein Journalist ist verpflichtet, Ihnen vor der Veröffentlichung irgendetwas zur Abnahme vorzulegen.
Der Autor: Sascha Oliver Martin, Jahrgang 1970, ist seit über 30 Jahren Moderator und Medientrainer. Er war TV-Chefmoderator, TV-Chefredakteur, Radio-Programmchef und ist Moderator von wirtschaft tv.
Bild: Laura Ulrich
Dieser Beitrag ist erschienen im ERFOLG Magazin 03/2023