Bülent Ceylan ist seit vielen Jahren erfolgreicher Comedian. Inzwischen erlaubt es ihm sein Erfolg, dass er seine kreativen Ambitionen ausleben, sich auf verschiedenen Bühnen ausprobieren kann. Er ist Komiker, Schauspieler, lebt seine Vorliebe für Metal auf dem Festival in Wacken aus und ist Autor – im Oktober erscheint seine erste Krimikomödie. Es ist aber nicht so, dass er durch die Welt spaziert und sich nimmt, was er möchte. Er hat sich seine Freiheit mit viel Geduld und Bodenständigkeit erarbeitet. Warum Sicherheit bei der Karriereplanung wichtig für ihn ist und wie er erfolgreich wurde, verriet er bereits 2018 in einem Interview mit Verleger Julien Backhaus:
Am Anfang, als du noch kein Komiker warst und noch nicht die Entscheidung hattest, wie sah dein Plan aus? Erinnerst du dich noch daran, was du eigentlich vorhattest?
Mein Abi habe ich noch gemacht, aber das Politik- und Philosophie-Studium habe ich abgebrochen. Eigentlich wollte ich in die Medien gehen. Ganz früher, in der Schulzeit, wollte ich noch Sonderpädagoge werden oder Psychologie studieren. In meinem Fall war es vielleicht besser, dass ich auf der Bühne gelandet bin und nicht in der Anstalt.
Wann kam die Entscheidung zur Comedy? Hast du schon immer die Leidenschaft gehabt, andere zu unterhalten?
Das kam später in der Oberstufe. Vorher war ich eher der Außenseiter – sehr zurückhaltend. Mein erster Fan war wahrscheinlich meine Mutter, die habe ich als Kind schon zum Lachen gebracht. Und dann später, auf dem Schulfest in der elften Klasse, habe ich Boris Becker imitiert. Becker oder Helmut Kohl zu imitieren, war damals total in. Das kam auch ziemlich gut an bei den Lehrern und den Schülern. Alle meinten, dass ich dazu Talent habe und mehr machen sollte. So kam ich zum Radio und habe hier und da mal ein Praktikum gemacht. Dort konnte ich dann Stimmen imitieren. Mit 23 Jahren ging es für mich zum ersten Mal auf die Bühne. Ich hatte zwar noch kein Soloprogramm, aber fast.
Du hast gerade gesagt, dass du dein Studium abgebrochen hast. Ich höre oft von Studenten, die mitten im Studium merken, dass es doch nichts für sie ist, sich aber nicht trauen, abzubrechen. Was sagst du solchen Leuten? Zieh durch und bleib vorsichtig oder brich ab und mach dein Ding?
Das kommt darauf an. Eigentlich bin ich als Steinbock ein Sicherheitsmensch. Ich habe zwar an das geglaubt, was ich mache, aber es hat trotzdem zehn Jahre gedauert, um den Durchbruch zu schaffen. Der Weg war lang und ich musste viel Geduld haben. Ich habe das aber immer gespürt, dass es das richtige ist. Wenn ich aber die Leute bei DSDS oder dergleichen sehe, die denken, sie könnten singen und jahrelang fest daran glauben, dann ist das etwas anderes. Man braucht ein gutes Umfeld, das einem nicht nur sagt: »Ja ja, du bist gut«, sondern auch wirkliche Freunde, die einem ein ehrliches Feedback geben. Selbst dann muss man abwägen, wenn es zum Beispiel mal finanziell nicht so läuft. Man braucht zumindest eine sichere Sache. Wenn es doch klappt, ist es schön.
Manchmal denke ich mir: »Hättest du dein Studium doch mal durchgezogen.« Im Nachhinein bin ich natürlich froh, dass alles gut gelaufen ist. In den letzten zehn Jahren gab es aber auch Zeiten, wo es nicht vorwärts ging und ich nur vor 20 oder 30 Leuten gespielt habe. Dann muss man gucken, wie man das überlebt. Die Momente gab es, in denen ich mich gefragt habe, ob es die richtige Entscheidung war oder nicht. In den allermeisten Fällen ist es besser, erstmal etwas Sicheres zu haben – ob das eine Ausbildung ist oder ein Studium. Es wäre fatal von mir zu sagen, dass alle abbrechen müssen, nur weil ich es geschafft habe. Guck dir mal an, wie viel Prozent es wirklich schaffen. Ich habe das große Glück gehabt. Ich will gar nicht sagen, dass es nur an meinem Talent lag, es gab auch die richtigen Leute um mich herum. Es gibt viele Komponenten, die da mitspielen. Man muss realistisch bleiben. Ich habe es geschafft. Glaube daran, wenn du das Talent hast. Aber ich denke immer noch, dass die gewisse Sicherheit wichtig ist. Deswegen kann ich nur raten, wenn einer studiert, dann soll er studieren und es durchziehen.
Viele sagen, für Erfolg braucht man eine unbedingte Leidenschaft – von der man nachts sogar träumt. Bist du eher ein Professional, der sein Handwerk gut beherrscht oder könntest du ohne Comedy nicht leben?
Ich liebe das, was ich mache. Ob ich ohne das nicht leben könnte, ist eine schwierige Frage. Auch deswegen, weil ich Familienvater bin. Ich würde erstmal sagen, ohne meine Familie könnte ich nicht leben. Mein Beruf erfüllt mich, er gleicht mich aus und gibt mir gute Laune. Ich habe auch eine Stiftung für Kinder gegründet. Wenn ich nicht mehr auf der Bühne stehen könnte, würde ich mich da noch mehr engagieren, wobei das natürlich ehrenamtlich ist. Aber das mache ich sehr gerne und investiere gerne meine Zeit. Kinder sind unsere Zukunft, da will man auch was zurückgeben.
Ich habe bisher sehr viel Erfolg gehabt und es läuft Gott sei Dank immer noch super. Es ist zwar nicht mehr der Hype wie 2012, aber ich bin 20 Jahre dabei und es ist super. Ich bin sehr dankbar, dass es läuft, wie es läuft. Im Fernsehen kommen bald neue Shows und der Kinofilm »Verpiss Dich, Schneewittchen« kommt jetzt raus, ich kann mich nicht beschweren.
Ich bin ein Perfektionist und ehrgeizig, ich will alles super machen. Meine Familie sagt immer, wenn es mal ein paar Zuschauer weniger sind: »Sei froh, dass überhaupt noch welche kommen.« (lacht) Das ist auch das Schöne, ich habe ein sehr bodenständiges Umfeld – von Familie bis Freunde. Die sagen mir immer, ich soll mit dem zufrieden sein, was ich bisher erreicht habe. Zufrieden sein ist für einen ehrgeizigen Menschen aber schwierig, ich bin sehr selbstkritisch. Aber man muss glücklich sein, denn es geht nicht darum, ob du jetzt 500 Zuschauer mehr oder weniger hast. Als Künstler willst du natürlich immer das volle Programm. Aber es ist so wie es ist. Ich bin mittlerweile 20 Jahre unterwegs und Michael Mittermeier hat mal zu mir gesagt: »Auch wenn‘s mal nicht mehr so viele Zuschauer sind, dann machst du es ja, weil du es gerne machst.« Daran erinnere ich mich immer. Als ich angefangen habe, war ich froh, dass ich überhaupt 100 Leute gekriegt habe, dass muss man sich mal vorstellen.
Du hast als einer der erfolgreichsten deutschen Comedians ganz viel richtig gemacht und kennst dich selbst am besten. Kannst du einen Faktor bei dir ausmachen, wegen dem die Leute in deine Show kommen?
Ich glaube, weil ich so bin wie ich bin. Wenn mir etwas nicht gefällt, dann sage ich das auch auf der Bühne. Vielleicht auch mal was Kritisches, das passt auch nicht jedem. Ich bin zwar Komiker und will die Leute entertainen und unterhalten, will aber auch mal gegen Erdogan, Nazis oder die AfD schießen. Man muss aber nicht unter die Gürtellinie gehen, das ist auch kein Niveau. Aber man kann ja zumindest sagen, dass es in der Türkei bald weniger Kritiker gibt als Schweineschnitzel. Mein Gott, man muss auch mal ein paar Sachen loswerden. Auch wenn ich sage, dass die AfD für viele eine Protestwahl war, aber nicht gegen Merkel, sondern gegen den gesunden Menschenverstand. Das darf man doch mal sagen. Man muss aber auch eine Alternative bringen, deswegen sage ich immer aus Spaß, dass ich bei der nächsten Wahl selber antrete. Dann lachen die Leute wieder und so fange ich das ins Lachen auf. Aber dann kommt auch mal so ein Satz, dass jedes Kind ein Recht auf einen Kindergartenplatz hat. Das ist gar kein Lacher, sondern ein Statement. Man darf da kein Moralapostel sein, sondern immer gucken, dass es authentisch bleibt.
Als Comedian authentisch zu sein ist schwer oder? Du hast mal gesagt, du bist spontan auf der Bühne, was für die meisten Comedians ein No-Go ist. Die lernen jedes Wort auswendig.
Ich habe mein Programm, das ist klar. Du brauchst dafür eine Struktur. Aber ich bin jemand, der für neue Gags offen ist, auch gerne ins Publikum geht und improvisiert. Einige Gags sind sogar durch Improvisation entstanden. Manche kannst du dann wiederverwenden und manche sind nur für eine Stadt. Manchmal passiert irgendwas und darauf gehst du dann ein. Ich bin so jemand, der das Interaktive mit dem Publikum liebt. Bei der Show heute (LASSMALACHE) gibt es zum Beispiel vor der Pause eine Nummer, in der ich jemanden anrufe. Einen Freund oder ein Familienmitglied von jemandem aus dem Publikum. Und da weißt du nicht, was passiert. Da geht einer ran und entweder ist er sauer oder er freut sich. Da wird das Handy ans Mikrophon gehalten und daraus wird eine Improvisation. Ich weiß nie was passiert, aber es hat bisher immer gut funktioniert. Die Leute finden das schon cool, dass ich überhaupt anrufe und ich habe meine Gags, die ich da spontan einbaue. Zum Beispiel wenn jemand rangeht und ich ihn mit: »Ja hallo, hier ist Kaya Yanar!« begrüße. Das ist bei den Zuschauern immer ein Lacher.
Du bist jetzt an einem Punkt angekommen, an dem du in verschiedenen Bereichen extrem erfolgreich bist. Egal ob mit Fernsehen, Liveshows etc. Das heißt, Comedy ist auch zu einem Geschäft und einem Unternehmen geworden. Du hast etwas Großes aufgebaut. Wie fühlt sich denn der Unternehmer Bülent Ceylan?
Ich bin schon ein Sicherheitsfreak. Ich gucke, dass gewisse Sachen abgesichert sind, wie meine Familie zum Beispiel. Auch, dass man etwas beiseitelegt und eben nicht nur die wilden Partys macht. Das ist mir persönlich wichtig. Ich bin ein absoluter Familienmensch und ich liebe es, nach Hause zu kommen. Manche geben ihr Geld vielleicht für dies und das aus, ich gebe meines für ein schönes Zuhause aus, in dem man sich geborgen und sicher fühlt. Man ist eh oft in Hotels, da sollte sich das Zuhause dann schon unterscheiden.
Wie zielstrebig bist du? Bist du jemand, der jeden Tag neue Ideen hat?
Es gibt natürlich viele Sachen, wo ich, beziehungsweise die Produktionsfirma Ideen haben, zum Beispiel was TV angeht. Ich gucke dann, ob das passt oder ob man das noch anders verbinden kann. Ich bin auch sehr kritisch und will nicht alles machen. Selbst als ich noch nicht diese Karriere hatte, wollte ich nicht alles machen, nur um berühmt zu werden. Vielleicht hat es deswegen so lange gedauert. Man sollte schon immer nur das machen, was einem gefällt. Man muss natürlich auch mal Sachen machen, um einen Fuß reinzukriegen.
Ich weiß noch, wie ich die Autoball-WM bei Stefan Raab gemacht habe, auch wenn ich es nicht konnte. Das habe ich damals gemacht, um einfach dabei zu sein und mir ein bisschen einen Namen zu machen und präsent zu sein. Auch Turmspringen würde ich wahrscheinlich heute nicht mehr machen. Ich musste dafür richtig trainieren und durch das Aufprallen mit dem Kopf hatte ich danach Schwindelgefühle. Das habe ich alles gemacht, um einfach in der Sendung zu sein und dafür bin ich auch dankbar. Das gibt es aber in jeder Branche. Auch wenn man Kameramann ist, muss man manchmal Kabel tragen. Ich glaube, dass gehört einfach dazu. Insgesamt muss ich sagen, dass ich auf das stolz bin, was ich so gemacht habe. Meine alleinige Leistung war das aber nie, das war Teamarbeit. Es gab immer Leute, die an mich glaubten und die mich auffingen.
Leute mit einem speziellen Talent wie du, haben in der Regel auch die Fähigkeit entwickelt, andere Dinge zu delegieren. Ohne das könnten Künstler kaum erfolgreich sein, oder?
Ja, das stimmt, Autoren zum Beispiel. Ich kenne einen super Autor namens Rainer Bender, mit dem ich viel gearbeitet habe. Er ist eigentlich ein ruhiger Kerl, aber in seinem Kopf schwirrt es voller Gedanken. Der wäre kein Bühnenmensch, das will er auch gar nicht. Aber der hat sein Talent richtig eingesetzt, indem er für verschiedene TV-Formate schreibt, sozusagen als Ghostwriter. Er schreibt viel und hat viele Ideen, so hat jeder sein Talent. Ist doch auch schön, dass es so ist. Jemand anders ist vielleicht Steuerberater, das wäre für mich zum Beispiel der Horror, Steuern zu machen. Dafür habe ich Gott sei Dank jemanden, der das gut kann und das ist auch wichtig. Wenn Künstler sich auf etwas verlassen, dann darf da auch nichts schief gehen.
Du sagtest, richtig zufrieden bist du nie. Du suchst immer nach der perfekten Möglichkeit. Worauf hast du noch Bock?
Ich habe Bock drauf, Filme zu machen. Ich habe auch Bock drauf, eine Sitcom zu machen und mein derzeitiges Programm weiterzuführen, weil es mir sehr viel Spaß macht. Ich habe natürlich auch noch meine Stiftung. Ich will noch viele Sachen machen.
Fotos: IMAGO / snapshot-photography/R.Jaenecke, Jessika Wilkens (2)
Das Interview erschien zuerst im ERFOLG Magazin 02/2018