„Geld allein macht nicht glücklich“ oder „lieber arm und gesund als reich und krank“ sind nur zwei Redensarten, mit denen die Bedeutung von Geld für das menschliche Glück bestritten oder relativiert werden soll. Schon der ägyptische Pharao Echnaton sagte: „Wer seinen Reichtum vermehrt, vermehrt seine Sorgen“. Überwiegend, so scheint es, waren und sind Philosophen und Intellektuelle skeptisch, was die Mehrung des menschlichen Glückes durch Geld betrifft.
Diese Skepsis wurde scheinbar auch durch wissenschaftliche Studien bestätigt. Die beiden Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman und Angus Deaton kamen zu dem Ergebnis, dass der Zusammenhang zwischen höherem Einkommen und größerem Glück zwar gelte, jedoch nur bis zu einer bestimmten Grenze, und zwar bis zu einem Jahreseinkommen von 75.000 Dollar. Alles, was darüber hinausgehe, habe keinen signifikanten Einfluss mehr auf die Zufriedenheit eines Menschen, da er sich an eine komfortable finanzielle Lage bereits gewöhnt hat und seinen Lebensstil mit jeder Gehaltserhöhung nur noch minimal anpasst.
Eine neue Untersuchung, die jetzt in der amerikanischen Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht wurde, kommt jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis. Amerikanische Forscher um Matthew A. Killingsworth fanden heraus, dass sich sowohl das „experienced well being“ (erfahrenes Wohlbefinden) als auch das „evaluative well being“ (bewertende Wohlbefinden) mit dem Einkommen erhöhe. Das „erfahrene Wohlbefinden“ wurde durch die Auswertung von 1,73 Millionen Berichten von 33.391 Amerikanern gemessen. Sie wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf ihrem Smartphone kontaktiert und es wurde ihnen die Frage gestellt: „How do you feel right now?“ („Wie fühlen Sie sich gerade jetzt?“). Das „bewertende Wohlbefinden“ wurde mit der Frage gemessen: „Overall, how satiesfied are you with your life?“ („Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit Ihrem Leben?“).
Das interessante Ergebnis dieser Studie: Die in der Studie von Kahneman und Deaton behauptete Grenze von 75.000 Dollar gab es nicht. Sowohl für Einkommen bis 80.000 Dollar als auch für Einkommen darüber ließ sich der Zusammenhang von mehr Geld und höherem Lebensglück eindeutig nachweisen.
Die Studie wies methodisch einige Vorteile gegenüber älteren Studien auf. So konnten die Befragten bei älteren Studien nur mit „Ja“ oder „Nein“ die Frage nach ihrem Glück beantworten, während in der aktuellen Studie eine Skala mit verschiedenen Abstufungen verwendet wurde. Ein großer Vorteil war auch, dass durch die Kontaktaufnahme mit dem Handy tatsächlich der aktuelle Gefühlszustand gemessen wurde. In älteren Studien hatte man die Menschen lediglich gebeten, sich daran zu erinnern, wie sie sich gefühlt hatten. Solche Erinnerungen sind jedoch oft verfälscht und durch den aktuellen emotionalen Zustand stark gefärbt.
Bisher gibt es keine Untersuchung, die wirklich extrem reiche Menschen nach ihrem Glücksgefühl fragt. Ich meine damit Menschen, die finanziell frei sind, die also soviel Geld haben, dass sie nicht mehr arbeiten müssen, sondern von den Erträgen ihres Vermögens ein komfortables Leben führen können. Hier handelt es sich um eine sehr kleine Gruppe von Menschen, die über ein mindestens zweistelliges Millionenvermögen verfügen. Ich habe viele dieser Menschen kennengelernt, als ich für meine Dissertation „Psychologie der Superreichen“ ausführliche Gespräche und einen psychologische Test mit 45 Reichen durchführte, die alle mindestens ein zweistelliges Millionenvermögen besaßen – die meisten hatten sogar mehr. Die Frage, wie glücklich diese Menschen sind, hatte ich nicht gestellt, aber ich habe sie gefragt, was sie mit Geld verbinden. Das interessante Ergebnis: Bei der Antwortmöglichkeit, dass man mit Geld die Möglichkeit verbindet sich „schöne Dinge“ leisten zu können, gingen die Meinungen weit auseinander. Für manche Reichen war dieser Punkt sehr wichtig, für andere total unwichtig. Einig waren sich fast alle indes darin, dass Reichtum für sie „Freiheit und Unabhängigkeit“ bedeutet.
Finanzielle Freiheit heißt: Ich allein entscheide, ob ich arbeite, was ich arbeite, mit wem ich zusammenarbeite, wo ich arbeite, wie ich arbeite und wann ich arbeite. Wenn man Geld als „geprägte Freiheit“ versteht und die Frage „macht Geld glücklich?“ umformuliert, dann lautet sie: „Macht Freiheit glücklich?“ Diese Frage würden wohl die meisten Menschen bejahen. Prüfen Sie sich selbst: Wenn Sie morgen nicht mehr arbeiten müssten, weil sie genug Geld hätten, und selbst darüber entscheiden könnte, ob sie überhaupt noch arbeiten und was sie arbeiten – würde das ihr Lebensglück erhöhen?
Vielleicht machen Sie auch mal eine Liste von allen Sorgen, die Sie sich in den letzten drei Monaten gemacht haben. Und dann streichen Sie all jene Sorgen durch, die Sie nicht gehabt hätten, wenn Sie zum Beispiel 30 Millionen Euro besitzen würden. Sorgen um die Sicherheit des Arbeitsplatzes, über die Mieterhöhung oder über die kostspielige Autoreparatur könnten Sie sofort streichen. Natürlich blieben Sorgen um Ihre Gesundheit. Doch wir wissen aus wissenschaftlichen Untersuchungen auch, dass reiche Menschen im Schnitt gesünder sind und eine deutlich höhere Lebenserwartung haben als ärmere. Es blieben andere Sorgen, etwa Liebeskummer. Diese Sorgen verschwinden auch nicht mit mehr Geld – aber immerhin haben Sie als Reicher deutlich bessere Chancen und Wahlmöglichkeiten bei der Partnerwahl als ein Armer.
Die Wissenschaftlerin Dorothee Spannagel ist in ihrer Dissertation zum Thema „Reichtum in Deutschland“ auch der Frage nachgegangen, worüber sich Menschen Sorgen machen. 23 Prozent der Gesamtbevölkerung machte sich „große Sorgen“ um die eigene Gesundheit, aber nur zehn Prozent der Besserverdiener. Verglichen wurde dabei die Gesamtbevölkerung mit Menschen, die mindestens das Doppelte und Dreifache des Durchschnittsbürgers verdienen (diese Gruppe wird offiziell im Armuts- und Reichtumsbericht der deutschen Bundesregierung als „reich“ bezeichnet, worüber sich natürlich streiten lässt). Ergebnis: 25 Prozent der Gesamtbevölkerung, aber nur sechs Prozent der „Reichen“ machten sich „große Sorgen“ über ihre eigene wirtschaftliche Lage. Und 54 Prozent der „Reichen“ machten sich darüber keinerlei Sorgen, aber nur 27 Prozent der Gesamtbevölkerung gab an, sich über die eigene wirtschaftliche Lage keine Sorgen zu machen.
Johann Wolfgang von Goethe widersprach all den Philosophen, die uns einreden wollen, Geld sei unwichtig und trage nicht zum Lebensglück bei und formulierte: „Ein gesunder Mensch ohne Geld ist halb krank“. Natürlich macht Geld allein nicht glücklich und ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der das behauptet hätte. Ebenso wenig machen allein genommen Freiheit, Gesundheit oder guter Sex glücklich. Und doch wird diese Banalität nur im Zusammenhang mit Geld betont. Ich habe noch niemanden gefunden, der uns darüber belehrt hätte, dass „Gesundheit allein nicht glücklich macht“.
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