Anni Walthier benutzt nicht etwa Leinwände, Pinsel und Acrylfarbe, um ihre Kreativität auszuleben, sondern Keks-Teig, Spritzbeutel und Icing. Aus diesem Grund nennt sie sich selbst »Cookie Artist« und teilt ihre essbaren Kunstwerke auf Social Media mit ihren rund 310.000 YouTube-Abonnenten, 112.000 Instagram- und 220.000 TikTok-Followern (@anniscookiekitchen). Uns hat Anni im Interview verraten, warum ihr insbesondere die organisatorischen Aufgaben ihres Jobs anfangs schwer fielen und warum sie vor allem durch ihre Community, ihre »Krümel«, motiviert und inspiriert wird.
Viele junge Leute haben heutzutage den Traumjob »Influencer«. Was war deine Motivation, diesen Berufsweg einzuschlagen?
Ich hatte nie das konkrete Ziel, »Influencer« zu werden – und ehrlich gesagt muss ich immer noch schmunzeln, wenn ich daran denke, wohin mich mein Weg geführt hat. Mein Antrieb war nie die große Bühne, sondern vielmehr die Freude am kreativen Arbeiten rund um meine Kekse.
Dabei muss ich sagen: Mit der Bezeichnung »Content Creator« identifiziere ich mich deutlich mehr als mit Influencer. Mein Fokus liegt nicht darauf, Einfluss zu nehmen, sondern vielmehr darauf, kreative Inhalte zu gestalten. In meinen Videos rund um dekorierte Kekse geht es mir darum, den Zuschauern eine kleine visuelle Auszeit zu bieten. Besonders freue ich mich über Kommentare von Menschen, die sagen, dass sie beim Anschauen meiner Videos abschalten und den Moment genießen können.
Was als reine Leidenschaft begann, entwickelte sich unerwartet zu etwas Größerem: Meine Videos über dekorierte Kekse begeisterten immer mehr Menschen – anfangs ein schöner Nebeneffekt, bis mir bewusst wurde, dass sich daraus tatsächlich eine berufliche Perspektive ergeben könnte. Social Media gibt mir die Möglichkeit, meine kreative Leidenschaft auszuleben und gleichzeitig meinen Lebensunterhalt damit zu verdienen – eine Kombination, für die ich unendlich dankbar bin.
Was hättest du zu Beginn deiner Karriere als Influencerin gerne gewusst? Für welche Tipps wärst du sehr dankbar gewesen?
Ich bin ein kreativer Mensch durch und durch – ich liebe es, mit meinen Händen zu arbeiten, neue Designs zu entwickeln und mich künstlerisch auszuleben. Genau deshalb waren viele organisatorische Aufgaben anfangs eine echte Herausforderung für mich: Wie schreibt man Rechnungen? Wie baut man eine eigene Website? Und was ist eigentlich mit den Steuern?
Solche Dinge würde ich am liebsten vor mir herschieben – aber sie gehören nun mal dazu. Anfangs wirkten sie riesig und ein wenig einschüchternd, doch mit der Zeit habe ich gemerkt: Je mehr man sich damit beschäftigt, desto leichter wird es. Heute erledige ich viele dieser Aufgaben fast automatisch, einfach weil ich mir so viel Wissen angeeignet habe.
Mein Tipp für alle, die gerade erst starten: Besonders bei rechtlichen und finanziellen Themen lohnt es sich, sich frühzeitig einzulesen – so bleibt mehr Zeit für das, was wirklich Freude macht. In meinem Fall: Kekse dekorieren!
Welche Charaktereigenschaften und Fähigkeiten sollte ein Influencer vorweisen können, um erfolgreich zu werden?
Es klingt vielleicht abgedroschen, aber für mich war es immer am wichtigsten, einfach ich selbst zu sein. Ich wollte nie einem bestimmten Schema folgen, nur um »erfolgreich« oder »beliebt« zu sein. Mein Antrieb sind meine Kekse – und genau das steht für mich im Mittelpunkt.
Gerade, weil mein Content so nischig ist, war mir schnell klar: Ich mache das hier ohnehin erstmal alleine, also vertraue ich einfach darauf, was sich richtig anfühlt. Ich glaube, man muss nicht die lauteste oder auffälligste Person sein, um auf Social Media herauszustechen. Wenn man etwas mit echter Leidenschaft macht und zu 100 Prozent dahintersteht, spüren die Leute das. Oft bewirkt Authentizität mehr als jede Strategie.
Inwiefern beeinflussen Influencer die Kreativbranche?
Influencer bringen frischen Wind in die Kreativbranche, weil sie ihre eigenen Ideen und Inspirationen direkt aus ihrem Alltag teilen. Alles, was man braucht, ist ein Smartphone und eine gute Idee – und schon kann man hunderttausende Menschen erreichen.
Das Besondere daran: Heute hat jeder, unabhängig von seiner Reichweite, die Chance, kreative Werke mit der Welt zu teilen – ganz ohne teure Werbekampagnen oder große Produktionen. In gewisser Weise haben Influencer die Kreativität neu definiert: weniger durch große Unternehmen, sondern vielmehr durch individuelle Stimmen und den Mut, sich selbst auszudrücken. Das finde ich toll!
Influencer sind für viele Menschen gleichzeitig Vorbilder. Lässt du dich auch selbst durch andere Influencer beeinflussen oder hast du deine persönlichen Idole woanders gefunden?
Tatsächlich gibt es in Deutschland noch keine anderen »Cookie Creator« – also Influencer, die ebenfalls ihren Content-Schwerpunkt auf dem Dekorieren von Keksen haben.
Ich konsumiere zwar gerne mal den Content anderer Influencer aus der Kreativbranche, muss aber zugeben, dass meine Inspiration hauptsächlich aus meinem Alltag oder meiner Community kommt, die ich liebevoll »Krümel« nenne. Sie kommentieren und schicken mir täglich unfassbar viele tolle neue Motivvorschläge für meine nächsten Kekse – meine Liste ist noch endlos und das Schöne an Kreativität ist ja, dass sie nie ausgeschöpft ist!
Wie gehst du mit Kritik um?
Ich bin ein sehr sensibler Mensch – Kritik an meiner Person geht mir schnell sehr nahe. Ich wünschte, ich wäre jemand, der das besser an sich abprallen lassen kann. Mittlerweile habe ich aber gelernt: Meine Videos erreichen so viele Menschen – es ist klar, dass da auch mal welche dabei sind, die nicht deine Meinung teilen. Glücklicherweise kommt das auf meinem Profil aber sehr selten vor. Ich habe das Gefühl, dass mein Content und meine Community eine super positive, angenehme Atmosphäre haben.
Witzigerweise macht mir aber Kritik an meinen Keksen (also den Motiven, Designs oder der handwerklichen Leistung) gar nichts aus. Die nehme ich sogar gerne auf und tausche mich wegen möglichen Verbesserungsvorschlägen gerne mit meiner Community aus.
Bild: Anastasia Walthier