Was haben Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone gemeinsam? Sie teilen sich dieselbe Stimme – zumindest in Deutschland. Dafür verantwortlich ist Bernd Egger, der für die beiden Action-Stars im Synchronstudio steht und ihnen nach dem 2023 verstorbenen Thomas Danneberg seine Stimme leiht. Doch nicht nur auf der großen Leinwand hört man den Berliner – auch in Videospielen setzt man auf seine markante Stimme. Wie ein Tag im Studio dann ablaufen kann und warum er sich sogar einmal vorstellen könnte, Jesus zu synchronisieren, erklärt Egger im Interview.
Herr Egger, Sie wurden ursprünglich zum Nachrichtensprecher ausgebildet, schlussendlich ging es aber in die Synchronsprecher-Branche – war das von Anfang an geplant oder ist es rein zufällig passiert?
2014 stand der Entschluss fest Synchronsprecher zu werden. Ich war acht Jahre lang Grafikdesigner und suchte eine neue Herausforderung. Meine Mutter und ich setzten uns also an den Küchentisch bei einer Flasche Wein und schrieben auf »was Bernd gut kann«. Da stand dann »Synchron« – drei Mal unterstrichen. Eine Zeitungsannonce brachte mich etwas später zum Radio und die tägliche Arbeit dort mit dem Mikrofon in die richtige Richtung. Monatelang erzählte ich jedem, der mir begegnete von meinem Wunsch, Synchronsprecher werden zu wollen, und ob sie jemanden kannten, der darüber mehr wusste als ich. Am Ende traf ich dann den einen Menschen, der den ersten Stein des Weges ebnen sollte. Erfahrungsgemäß braucht es immer nur den einen Kontakt, um den Stein ins Rollen zu bringen.
Wie gehen Sie an eine neue Rolle heran? Gibt es einen bestimmten Prozess, mit dem Sie sich in die Figur einfühlen?
Ich sehe die Figur im Studio am ersten Aufnahmetag meistens zum ersten Mal. Die Regie gibt mir oft noch zusätzlich eine kurze Zusammenfassung der Situation. Der Cutter sitzt neben mir im Raum an seinen Bildschirmen mit seinem Textbuch und gibt mir gezielte Anweisungen hinsichtlich Pausen, Atmer und generell dem Rhythmus, den ich treffen muss. Der Tontechniker sitzt beim Regisseur im Raum daneben. Er achtet auf saubere Aussprache und die Intensität, die schließlich zum Rest des bereits aufgenommen passen muss. Die Regie verfolgt mein Spiel, also die Emotion, den Ton, den ich anschlage und ob er dem Original entspricht bzw. zur Situation passt. Das zusammen macht am Ende die Illusion perfekt, dass alle Schauspieler deutsch sprechen.
Ich versuche dem Schauspieler, der mir die Rolle und sein Spiel vorgibt, so gerecht wie möglich zu werden. Ich bin ein Papagei-Chamäleon. Ich muss cool bleiben, auch wenn die Anweisungen der Kollegen oft nur so auf mich einprasseln, während ich die neueste Textänderung des Regisseurs auswendig lerne. Wenn dann alle happy sind mit dem Take und man zum nächsten weiter springt – oft 30 bis 50 Mal pro Stunde –, ist man am Ende des Tages sehr erschöpft. Aber all diese Schritte, dieser komplexe intime Prozess, macht das Ganze so magisch. Und wenn man Dan Aykroyd in Ghostbusters mit seiner Stimme deutsch reden hört und jede Lippenbewegung ist perfekt getroffen – dann ist Zeit für Stolz!
Welche Rolle oder Stimme hat Sie bisher am meisten gefordert?
Sylvester Stallone fällt mir sehr schwer, denn der Anspruch ist sehr hoch, authentisch zu klingen. Im Grunde ist jeder Schauspieler der Spitzenklasse, jede merklich akribisch vorbereitete Rolle in Filmen und Serien, Schwerstarbeit für mich. Sobald die Figur weit weg von unserer gelebten Welt ist, wird es eine Herausforderung, es so klingen zu lassen, als ob es normal wäre. Mittlerweile haben wir uns natürlich an deutschsprechende Cowboys, Hood Gangster oder Wikinger gewöhnt – dank top Synchro. Und gerade bei diesen Genres sehe ich für eine KI in näherer Zukunft keine Chance, einen fühlenden lebenden Ton ersetzen zu können. KI soll meine Steuererklärung machen und keine Kunst!
Sie treten unter anderem bei Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger in die Fußstapfen von Thomas Danneberg. War es schwer, Ihre Stimme auf die Ihres Vorgängers abzustimmen? Wie fühlte es sich an, so ein Vermächtnis fortzuführen?
Ich höre mir alte Aufnahmen von Herrn Danneberg an, habe seinen Klang im Ohr und weiß, wie ich modulieren muss, um den Sound zu erschaffen. Schwer ist es, nicht so zu klingen, als ob man ihn parodiert. Da hilft es, nah am Original zu bleiben, also die Atmosphäre des Films aufzunehmen.
Thomas Dannenbergs Stimme ist der Sound unserer Helden aus Jugendtagen. Seine alten Rollen zu sprechen ist surreal, seine Stimme ist und bleibt unvergesslich. Ein fester Bestandteil der Klänge der 80er und 90er Jahre. Jeder, der Action-Filme mag, hat ihn im Ohr. Ich fühle mich nach wie vor sehr geehrt und bin unfassbar dankbar über diese großartige Möglichkeit und die Chance, diesen Sound am Leben erhalten zu können. Ich wünsche mir für mich und allen Fans, das ich das nostalgische Gefühl bewahren kann, dass uns in dunklen Zeiten ein so warmer trostspendender Vertrauter ist.
Konnten Sie den Stars, denen Sie Ihre Stimme leihen, schon einmal selbst begegnen?
Zur Vorbereitung auf eine Rolle konnte ich mit Arnold Schwarzenegger facetimen – das war eine absolute Gaudi. Ich hoffe, es gibt irgendwann nochmal den richtigen Anlass, um miteinander zu sprechen und sich auszutauschen. Das würde ich mir wünschen – gerne mit Zigarrenbegleitung.
Sie sprechen auch in Videospielen wie Assassin’s Creed oder Cyberpunk 2077. Wie unterscheidet sich diese Arbeit vom klassischen Synchronsprechen für Film und Fernsehen?
Im Synchron sieht man die zu besprechende Szene im Original. Parallel liest man den Text, der dann statt des gerade gehörten verwendet werden soll. Es geht also um Timing, Intensität, Spiel und Emotion. Und wenn das Buch, also der Sprechtext, gut ist, dann wird die Illusion perfekt, dass Arnold Schwarzenegger perfekt Hochdeutsch spricht.
Voice-Over für Dokus oder Reality-TV-Shows sind wieder anders und Hörbücher brauchen einen sehr langen Atem, Konzentration und Geduld. Computer-Spiele werden meist ohne Bild, also auch ohne gespielte Vorlage, realisiert. Die Herausforderung besteht darin, die Länge des Original-Satzes, der Vorlage, zu treffen. Das Spiel und die Stimmung hört man und entnimmt die Situation einer textlichen Beschreibung, die mir der Regisseur mitteilt. Eine ganz andere Art der Arbeit, aber nicht weniger fordernd. Ebenso wie Werbung seine ganz eigenen Ansprüche an den Sprecher stellt. Hier muss vor allem die Emotion in der Stimme zum Produkt passen. Dabei hören meist zwei bis sechs Leute zu, die alle eine Meinung zu jedem Wort haben können. Da heißt es, ruhig zu bleiben. Nach einer Stunde sind bisher noch alle glücklich gewesen.
Gibt es einen bestimmten Star oder eine Rolle, den Sie in Zukunft unbedingt einmal synchronisieren wollen?
Ich bin immer wieder begeistert, wenn man mich besetzt und die Rolle ganz weit weg von mir und meinem Naturell ist. Bei »Killing Eve« durfte ich in der zweiten Staffel einen arroganten, schlanken, Mittvierziger Tec-Milliardär sprechen. Ein psychopathischer Bösewicht – das war herrlich! Aber in Zukunft bin ich einfach sehr gespannt, auf was man mich noch alles besetzen wird, ich bin definitiv für alles zu haben. Es muss nicht immer der coole Held sein. Ich traue mir auch zu, Jesus zu synchronisieren, das würde meinem Bruder sicher gefallen, er ist Priester im Raum Regensburg.
LT
Bild: Stahn