Boreout ist kein Luxusproblem

Boreout ist kein Luxusproblem

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Wenn Sie auf einer Party von jemandem gefragt werden, was Sie eigentlich genau tun, was antworten Sie?

Sie kennen sicherlich den Begriff Burnout!  Kennen Sie auch das Gegenteil?

Ich bin Experte für das Thema Boreout und wenn Sie davon noch nie etwas gehört haben, dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Boreout fliegt unter dem Radar von Unternehmen, der Politik, Krankenkassen, Gewerkschaften und Vieles mehr.

Boreout ist ein Tabuthema. Auf der einen Seite haben wir die Arbeitnehmer, die Angst und Scham haben, darüber zu sprechen. Niemand geht gerne zu seinem Vorgesetzten und offenbart der Führungskraft, dass man sich langweilt und unterfordert ist im Job. Die Gefahr, dass die Führungskraft sagt, dass man von nun an auf eine Weiterarbeit verzichten möchte, ist durchaus gegeben. Auf der anderen Seite steht das Ego von Unternehmer/innen und Führungskräften. Wie beim Burnout ist auch Boreout ein Thema von Führungsqualität und Führungsvermögen. Wer gibt schon gerne zu, als Chef versagt zu haben.

Doch wie gesagt, bis es so weit ist, braucht es zunächst das Bewusstsein innerhalb der Gesellschaft.

Gab es ein bestimmtes Ereignis, das Sie bewegt hat, diesen Weg einzuschlagen? Oder war es ein Kindheitstraum?

Ich selbst habe den Boreout durchlebt. Bis zur Erkenntnis, was tatsächlich in der Zeit mit mir passiert ist & was diese Orientierungslosigkeit erzeugt hat, war es ein langer Weg. Boreout kann eine Falle sein, denn die Symptome, die sich äußeren, wie bspw. Konzentrations- und Schlafstörungen, depressive Phasen, allgemeine Erschöpfungszustände, Kopf- und Rückenschmerzen und Vieles mehr sind identisch mit den Symptomen, die sich beim Burnout zeigen. So habe ich lange Zeit geglaubt, ich hätte Burnout. Auch wenn sich einige Dinge nicht stimmig anfühlten. Denn in Ermangelung der richtigen Kenntnisse war dies die Falle, in die auch in getappt bin. Erst einige Zeit später habe ich durch einen Zeitungsbericht lernen dürfen, was sich tatsächlich bei mir abgespielt hat.

Es war eine sehr lehrreiche Erkenntnis. Insbesondere zu erfahren, warum ich auf dem Holzweg war – so wie viele andere Menschen, die ebenfalls in einem Boreout waren oder noch sind. Meine Mission ist es Boreout aus dieser Tabuzone zu holen.

Warum haben so viele Menschen Herausforderungen mit diesem Thema?

Die Frage, die sich stellt, ist: Warum sind so viele Menschen unglücklich in ihrem Job? In manchen Fällen folgen jungen Menschen nicht ihrem Herz, wenn es um den eingeschlagenen Berufsweg geht. Die Familie und das Umfeld spielt oft eine entscheidende Rolle, weil es Tradition ist, diesen einen Job zu ergreifen, weil man den Erfahrungen seiner Eltern folgt oder komplett orientierungslos ist unter 324 anerkannten Ausbildungsberufen, knapp 10.000 BA und nochmal soviel Master-Studiengängen sich zu entscheiden.

Natürlich kann sich auch die Interessenlage ändern, was heute der Traumberuf ist, kann morgen die Hölle auf Erden sein, weil zum Beispiel regulatorische Änderungen, Digitalisierung, das soziale Umfeld und Vieles mehr den Spaß am Job nehmen.

Ein weiteres Argument ist, dass Unternehmen oft sehr hohe Qualifizierungsanforderungen stellen und die sogenannte Eier legende Wollmilchsau suchen. Die Realität des Jobs sieht dann in vielen Fällen anders aus und es kommt das böse Erwachen, wenn der Job langweilig ist.

Kommen die Leute zum richtigen Zeitpunkt zu Ihnen? Oder ist das Kind eigentlich oft schon in den Brunnen gefallen?

Das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen. Von den knapp 46 Million Beschäftigten in Deutschland ist knapp jeder siebte Mitarbeiter von Boreout betroffen. Statistisch gesehen. Natürlich gibt es Branchen, wo die Zahl höher ist und Branchen, wo Boreout seltener vorkommt. Wir können davon ausgehen, dass ca. 6.5 Millionen Menschen Boreout betroffen oder gefährdet sind. Die gute Nachricht ist, während Burnout betroffene Mitarbeiter wirklich geschont werden müssen und oft Wochen und Monate ausfallen, kann man Boreout betroffene Mitarbeiter relativ schnell wieder in die Produktivität führen. Dafür bedarf es aber einer richtigen Strategie, damit der Mitarbeiter nicht in ein Loch fällt und/oder das Unternehmen in der Lage ist, das sogenannte »Hidden Potential« an die richtigen Stellen zu platzieren.

Ich stelle sogar die These auf: Wenn die richtige Strategie angewendet wird, sind Unternehmen in der Lage, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und zwar aus eigenen Ressourcen.

Mit welcher Frage lösen Sie bei Ihren Klienten in der Regel einen Veränderungsprozess aus?

Da der Boreout ja noch weitestgehend unbekannt ist, reicht eigentlich schon die Frage: »Haben Sie schon mal von Boreout Phänomen gehört?« Das öffnet in vielen Fällen schon den Raum für Kommunikation. Sollte dies nicht funktionieren, schiebe ich eine zweite Frage nach: Haben Sie in Ihrem Unternehmen eigentlich schon die psychologische Gefährdungsbeurteilung durchgeführt, Sie wissen ja sicherlich, dass wir seit fünf Jahren die Verpflichtung dazu haben – bereits, wenn Sie einen Mitarbeiter haben. Dann werden viele Unternehmer hellhörig – Gesetz? Umsetzung? Verpflichtung?

Boreout – genauso wie Burnout, Depressionen, Stress und so weiter – jede psychologische Belastung muss in einem Unternehmen beurteilt werden. Sollte ein Mitarbeiter ernsthaft und nachweislich durch den Beruf (chronisch) erkranken, bedeutet dies für den Unternehmer, dass sehr hohe Strafen,beziehungsweise bis zu einem Jahr Freiheitsentzug, als Strafe angesetzt werden können. Darauf reagieren Unternehmer in der Regel.

Boreout ist kein Luxusproblem
Fotograf: Dominik Pfau

Der Gesprächspartner:

Michael Kiel ist Speaker, Consultant und Mentor.

Er ist insbesondere als Boreout-Experte bekannt.

Beitragsbilder: Dominik Pfau