Das verzerrte Bild der Frau

Das verzerrte Bild der Frau

Wenn man eine Liste mit Vorurteilen gegenüber Frauen führen würde, sie würde wohl kein Ende nehmen. Frauen seien gefühlsduselig, stutenbissig, schlecht in Mathe, würden nicht Auto fahren können und die Farbe Pink lieben. Und zudem seien sie natürlich auch viel weniger qualifiziert für einen Job als ihre männlichen Kollegen. Auch der Autorin Pamela Obermaier hat man schon viele Klischees an den Kopf geworfen, darum möchte sie in ihrem Buch »Wie viel bin ich wert?« auf diese Missstände aufmerksam machen. Wie man gegen dieses Schubladendenken vorgehen kann und muss, hat sie uns im Interview verraten.

Frau Obermaier, viele Frauen treten in ihrem Beruf eher in den Hintergrund und hängen ihre Fähigkeiten nicht an die große Glocke. Warum schätzen Frauen sich oft schlechter ein als ihre männlichen Kollegen?

Weil sie in unserer Gesellschaft mit der unausgesprochenen Haltung aufwachsen, dass Männer das klügere und fähigere Geschlecht wären. Wann es damit losgeht, dass Mädchen sich mit ihrem Können geringer einschätzen als Jungs, konnte eine Studie auf den Punkt bringen: Da wurde Kindern im Alter von fünf Jahren ein Spiel angeboten und zwar mit den Worten, dass das für besonders schlaue Kinder sei. Mädchen wie Jungs haben sich dafür interessiert und es gleichermaßen gern gespielt. 

Ein Jahr später wurde dieselbe Situation inszeniert. Diesmal aber haben sich die Mädchen vom betreffenden Spiel abgewendet. Was war passiert? Sie waren inzwischen sechs Jahre alt, folglich im Schulsystem angekommen, und in dem hatten sie bereits eindrücklich gelernt, dass sie nun mal nicht als gleich clever gelten wie ihre Klassenkameraden und dass Mädchen andere Attribute zugeschrieben werden als Jungs. Sie denken folglich, dieses Spiel wäre nur für Jungs geeignet. 

Und das zieht sich dann weiter bis ins Erwachsenenleben: Frauen wagen es beispielsweise oft gar nicht, sich für eine für sie attraktive Stelle zu bewerben, weil sie meinen, nicht gut genug dafür zu sein. Und das Traurige daran ist, dass sie die Stelle in vielen Fällen auch tatsächlich nicht bekommen würden, weil vielerorts noch Vorbehalte gegen Frauen als Arbeitskräfte herrschen. Auch dazu kann ich Ihnen eine Studie nennen: Einer Gruppe von Unternehmen hat man dieselben 5.000 Bewerbungen zweimal vorgelegt. Einmal mit den Informationen zu den Namen der betreffenden Person, woraufhin nur wenige Frauen zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurden – nämlich fünf Prozent von diesen 5.000. Beim zweiten Mal wurden die Namen nicht übermittelt – und plötzlich lag der Frauenanteil bei 54 Prozent. Außerdem hat die Studie gezeigt, dass Manager trotz der anonymen Bewerbungen im Lebenslauf nach Hinweisen auf das Geschlecht gesucht haben. Vor diesem Hintergrund ist klar, warum die Frauenquote allein hier leider noch nicht genug Abhilfe schafft.

Inwieweit beeinflusst die Unterhaltungsbranche unser Bild der Frau?

Sehr stark natürlich – oder sagen wir: Das Ganze spielt sich vice versa ab, denn die Unterhaltungsbranche spiegelt wider, wie wir alle konditioniert sind – und umgekehrt verstärkt sie die Rollenbilder in unserer Gesellschaft. Man könnte das also als einen Teufelskreis par excellence bezeichnen. 

Im TV-, Film- und Showbusiness sind Frauen jedenfalls sowohl hinter den Kulissen als auch vor den Kameras unterrepräsentiert. Und solange Produktion, Drehbuch, Regie und Co. in vorwiegend männlichen Händen liegen, wird es wohl weiterhin zu übertrieben stereotypischen Darstellungen von Frauen kommen, die von einem Männerblick dominiert werden und Frauen mehrheitlich als passives Objekt der Begierde und ohne nennenswerte eigene Persönlichkeit zeigen. Das ist auch der Grund, warum Frauen gern auf ihr Aussehen reduziert werden und es wenig interessiert, was sie denken oder wollen. Das kennen wir nicht nur von Serien und Filmen, sondern auch von Computerspielen, in der Werbung und auf diversen Social-Media-Plattformen. Wenn man es als Frau dann aber ohnehin nie richtig machen kann, weil man entweder als zu üppig oder als zu dürr, als zu stark geschminkt oder zu wenig geschminkt bewertet und verurteilt wird, ist es nachvollziehbar, dass sich das über kurz oder lang negativ auf den Selbstwert auswirkt.

Wie könnte man schon in der Kindheit gegen dieses sexistische Denken vorgehen?

Indem Erwachsene, die mit Kindern zu tun haben – egal, ob das nun Erziehungsberechtigte wie die Eltern sind oder aber das Lehrpersonal an den Schulen –, sich darum bemühen, möglichst klischeefrei mit ihnen umzugehen. Das fängt beim Spielzeug an, indem man Mädchen wie Jungs nicht nur stereotypische Spielsachen anbietet, und verhält sich bei der Wahl von Kleidung und Freizeitaktivitäten genauso, geht dann natürlich weiter beim Auswählen von Kinderbüchern und Bewegtbild-Medien. Auch hier ist es wichtig, sich im Vorfeld die Zeit zu nehmen, deren Inhalte auf eine klischeefreie Geschlechterdarstellung zu überprüfen. Essenziell ist außerdem, was Kinder täglich in der Alltagssprache hören: »Heul nicht wie ein Mädchen!« oder abwertende Bezeichnungen wie »Heulsuse« sind genauso wenig förderlich für die Entwicklung des Selbstbewusstseins von Mädchen wie die doofe Regel, dass Jungs nicht weinen sollten, weil »Indianer keinen Schmerz kennen« oder dergleichen. 

In der Schule wäre es essenziell, all die verschwiegenen Vertreterinnen von Kunst, Kultur und Wissenschaft aus der Versenkung zu holen – denn es gab genug in der Menschheitsgeschichte –, damit Kinder nicht glauben, es hätte tatsächlich immer nur kluge, talentierte und wichtige Männer gegeben. Und dann geht es natürlich in der passiven Wissensvermittlung weiter: Wir sollten Kindern vorleben, dass Haushalts- und Fürsorgearbeit nicht nur für Frauen ist und Handwerken nicht nur für Männer. Zusammengefasst könnte sagen: Lasst uns Kinder nicht nur als Vertreter eines der beiden klassischen Geschlechter behandeln, sondern als die Individuen, die sie sind!

In welchen Lebensbereichen mussten Sie in der Vergangenheit schon selbst Diskriminierung aufgrund Ihres Geschlechts erfahren? Haben diese Ereignisse Ihr Selbstbild verändert?

Ich musste und muss mich bis heute aufgrund meines Vornamens und der Tatsache, dass ich blond bin, oft erst qualifizieren – jedenfalls seit Anfang der 90er-Jahre eine beliebte US-amerikanische TV-Serie auch hierzulande ausgestrahlt wurde, in der Männer wie Frauen vorwiegend leicht bekleidet durchs Bild liefen. Ob das nun in meiner Rolle als Autorin, als Trainerin oder als Speakerin ist – ich ernte immer wieder überraschte Anerkennung für das, was ich im Kopf habe und für das, was ich kann. Viele gehen offenbar davon aus, dass eine Frau, die ihre Weiblichkeit gern lebt, deshalb nicht genauso kompetent ist wie ein Mann. Und nach meinem ersten Buch, das ich gemeinsam mit einer anderen Journalistin in der Funktion einer Investigativ-Journalistin publiziert hatte, wurde ich von den Boulevardmedien gern verzerrt als Treuetesterin dargestellt. Damals dachte ich mir schon, dass das mit einem Mann wohl nicht ganz so einfach funktioniert hätte – oder dass der sich das nicht hätte gefallen lassen … Auf jeden Fall war klar, dass ich noch eine Menge von Männern lernen kann und auch sollte.

Zu Ihrer zweiten Frage diesbezüglich: Nein, mein Selbstbild haben diese Ereignisse nicht verändert, aber sie haben mir eindrücklich gezeigt, wie schnell man die Wahrheit verdrehen kann. Seither lese ich die Artikel in Zeitungen mit dem Bewusstsein, dass das Geschriebene so möglicherweise nicht den Tatsachen entspricht. Und das ist in Zeiten von Fake-News und Social Media wichtiger denn je, dass man das im Hinterkopf behält.

Welche weiblichen Role Models bewundern Sie selbst und warum?

Ich finde Frauen toll, bei denen ich den Eindruck habe, dass sie in sich ruhen und mit sich selbst und ihrer Weiblichkeit im Reinen sind. Wenn sie dann auch noch Humor und etwas (Kluges) zu sagen haben, ist das aus meiner Sicht der Jackpot. Darum fallen mir bei Ihrer Frage wenig überraschend als Erstes Oprah Winfrey, Ellen DeGeneres und Amy Schumer ein.

Das verzerrte Bild der Frau

Unsere Gesprächspartnerin: Pamela Obermaier ist Unternehmerin, sechsfache Bestsellerautorin, Businessmentorin und Top-Trainerin. Als Speakerin steht sie außerdem regelmäßig auf Bühnen, um über den geringen Selbstwert von Frauen im Business, Potenzialentwicklung und Erfolgsstrategien zu reden.

»Wie viel bin ich wert?«

von Pamela Obermaier

200 Seiten

Erschienen: April 2024

Goldegg Verlag

ISBN: 978-3-99060-394-9

Bilder: Gabi Scheinast, Goldegg Verlag