Larry Page, zusammen mit Sergey Brin Erfinder von Google, sagte, man dürfe sich „nie vom Unmöglichen einschüchtern lassen“. Seine Philosophie: „Man sollte unbedingt Dinge versuchen, vor denen die meisten zurückschrecken würden.“
Page und Brin stehen auf Platz 12 und 13 der Anfang März 2018 veröffentlichten Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt – mit 48,8 Mrd. bzw. 47,5 Mrd. Dollar. Zusammen besitzen sie sogar mehr als Microsoft-Gründer Bill Gates, der mit 90 Mrd. Dollar hinter Jeff Bezos auf Platz 2 der Liste steht.
Die beiden 1973 geborenen Google-Gründer hatten eine zündende Idee – sie wollten die beste Suchmaschine der Welt erfinden. Mit den Ergebnissen der damals dominierenden Suchmaschinen wie Alta Vista waren sie nicht zufrieden. Sie bedienten sich zunächst selbst dieser Suchmaschine, machten jedoch die Entdeckung, dass neben einem Verzeichnis von Websites die Resultate von Alta Vista auch scheinbar nebensächliche Informationen über Links zeigten. Durch die Einbeziehung des Faktors der sogenannten Linkpopularität ließen sich die Suchergebnisse im Web erheblich verbessern, so ihre Entdeckung.
Businessplan? Zunächst einmal überflüssig
Die beiden Studenten waren von der Idee besessen, die beste und fortschrittlichste Suchmaschine der Welt zu schaffen. Zunächst hatten sie gar nicht vorgehabt, eine eigene Firma zu gründen, aber sie brauchten viel Geld, um Hunderte PCs zu kaufen, die sie miteinander verknüpften und für die Durchsuchung des World Wide Web benötigten. Es gelang ihnen dann auch, Risikokapitalgeber zu finden. Aber eine klare Geschäftsidee hatten sie nicht. David A. Vise und Mark Malseed schreiben in ihrem Buch Die Google Story: „Keiner der beiden wusste, wie das Unternehmen Geld erwirtschaften würde, aber wenn sie die beste Suchmaschine besaßen, würden manche Organisationen dieses Instrument bestimmt einsetzen.“ Entgegen den Empfehlungen, die Studenten der Betriebswirtschaftslehre bekommen, verzichteten sie auch darauf, einen Businessplan zu entwerfen. Die Frage, wie Google eigentlich Geld verdienen würde, blieb zunächst unbeantwortet.
Ursprünglich hatten sie die Idee, anderen Internet-Firmen Lizenzen für die Suchmaschinen-Technologie zu verkaufen. Dies erwies sich jedoch als sehr schwierig. Michael Moritz von der Firma Sequoia, die zu den beiden ersten Risikokapitalgebern für Google gehörte, erinnert sich: „Im ersten Jahr fürchteten wir, dass der Markt schwieriger und widerspenstiger sei, als wir erwartet hatten. Die Gespräche und Verhandlungen mit potenziellen Kunden zogen sich in die Länge. Es gab etliche Konkurrenten und wir hatten kein Personal für den Direktverkauf.“
Page und Brin ließen sich dadurch aber nicht entmutigen. Anzeigenwerbung lehnten sie zunächst ab, weil sie befürchteten, damit werde die Objektivität der Suchergebnisse negativ beeinträchtigt. Andere Firmen, die sich über Anzeigenwerbung zu finanzieren suchten, waren ein negatives Beispiel. Zudem zeigte sich, dass die damals übliche Banner-Werbung nicht besonders effektiv war.
Schließlich entdeckten sie jedoch ein Unternehmen, das den Verkauf von Anzeigen in Verbindung mit Suchergebnissen recht erfolgreich bewerkstelligte. Mit Suchanfragen gekoppelte Werbung schien ein funktionierendes Konzept zu sein. Page und Brin entschlossen sich, das Konzept zu modifizieren und zur Grundlage ihres Geschäftsmodells zu machen. Die Strategie war einfach: Google sollte kostenlose Suchergebnisse erzielen und Geld durch den Anzeigenverkauf verdienen.
In den ersten Jahren machte die Firma Verluste. Im Jahr 2000 betrug das Minus 14,7 Millionen Dollar. Doch bereits im Jahr 2001 wurde ein erster Gewinn von 7 Millionen Dollar verbucht. Im folgenden Jahr erwirtschaftete Google schon fast 100 Millionen, 2004 waren es fast 400 Millionen und im Jahr darauf 1,5 Milliarden Dollar. Im Jahr 2017 machte Google (heute: Alphabet) einen Umsatz von 110 Milliarden Dollar.
Niemand wollte Google für 1 Million Dollar kaufen
Im Jahr 1998, als sie die technische Basis für das spätere Google-System geschaffen hatten und die Lizenz dafür an Firmen wie Yahoo! verkaufen wollten, waren Page und Brin überall abgeblitzt. Die eine Million Dollar, die sie für das System haben wollten, war allen, denen sie ihre Suchmaschine anboten, viel zu teuer. Dieser „Misserfolg“ stellte sich später für die Google-Gründer als das größte Glück heraus, denn sie hätten dieses Unternehmen wohl nie gegründet, wenn sie damals einen Käufer gefunden hätten. Dies ist übrigens ein weiteres Beispiel dafür, dass in jedem Misserfolg auf der anderen Seite der Keim für einen unerwartet großen Erfolg steckt.
Google ist ein gutes Beispiel dafür, dass nicht perfekte Pläne, sondern die schnelle Lernfähigkeit entscheidend für den Erfolg einer Unternehmensgründung ist. Manch einer würde den Kopf über Firmengründer schütteln, die keinen Businessplan haben und nicht wissen, wie sie genau Geld mit ihrer Firma verdienen wollen. Keine Bank der Welt hätte Existenzgründern wie Page und Brin einen Kredit gegeben. Aber eine große Vision, verbunden mit einem hohen Maß an Experimentierfreudigkeit, Pragmatismus und Lernfähigkeit, ist mehr wert als das geduldige Papier, auf dem ausgefeilte Businesspläne verfasst werden, die allenfalls BWL-Professoren in Verzückung versetzen können.
Die pragmatische und experimentierfreudige Einstellung behielten die Google-Gründer bis heute bei. Eine neue Dienstleistung von Google wird oft mit dem Zusatz Beta versehen, um damit anzuzeigen, dass sie noch nicht ausgereift sei. Google ist durch die Experimentierfreudigkeit seiner Gründer entstanden – und zu einem der profitabelsten und am schnellsten wachsenden Unternehmen der Welt geworden. Die Lehre: Es ist nicht so entscheidend, was Sie wissen, wenn Sie ein neues Unternehmen gründen, sondern es kommt alles darauf an, wie schnell Sie lernen, nachdem Sie das Unternehmen gegründet haben.
Von Dr. Dr. Rainer Zitelmann
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