Der deutsche Schlager war verstaubt und schunkelte in künstlich belebtem Musikantenstadel-Frohsinn in die Häkeldeckchen-Wohnzimmer seiner weißhaarigen Fans. Bis sie kam. Helene Fischer erschien 2005 auf das ARD Fernsehparkett und fegte den altbackenen Mief vom deutschen Schlager wie ein Frühlingssturm das Herbstlaub aus den Gassen. Seitdem hat sie Sechzehn Millionen Tonträger verkauft, was für eine Zahl, besonders wenn man bedenkt, dass ein Großteil der Alben in deutscher Sprache ist.
Wie alles begann
Helene Fischers Leben begann in Sibirien, genauer, in Krasnojarsk, wo sie 1984 als zweites Kind der russlanddeutschen Maria und Peter Fischer geboren wurde, sie Ingenieurin, er Sportlehrer. Schon 1988 siedelten die Eltern mit ihren zwei Töchtern nach Wöllstein in Rheinland-Pfalz um. Mit 16 Jahren besuchte die musikalisch talentierte Fachoberschulabsolventin die Stage & Musical School Frankfurt und schloss diese 2003 mit der Bühnenreifeprüfung ab. Die nun staatlich anerkannte Musicaldarstellerin startete direkt mit Engagements im Staatstheater Darmstadt mit der „Rocky Horror Show“ und im Volkstheater Frankfurt in „Anatevka“ durch. Bei der Schlagerrevue „Fifty-Fifty“ kam sie zum ersten Mal in größerem Umfang beruflich mit dem Schlagermetier in Kontakt. Ihre Mutter ergriff 2004 die Initiative und schickte eine Demo-CD an Uwe Kanthak, ein Künstlermanager, der ihr einen Plattenvertrag bei Produzent Jean Frankfurter verschaffte.
Helene erobert die Bühne
2005 trat sie zum ersten Mal für ein Duett mit Florian Silbereisen im „Hochzeitsfest der Volksmusik“ in der ARD auf. Die Resonanz war gewaltig. Mit Stimmgewalt, Jugend, tänzerischer Anmut und viel Charme inspirierte sie die männlichen Schlagerfans zu Fantasien vom zweiten Frühling und die Damen zu träumen von Romantik, was sich direkt in den Verkaufszahlen ihres ersten Albums „Von hier bis unendlich“ niederschlug. Ein neuer Star war geboren. In den folgenden Jahren trieb die blonde Powerfrau ihre Karriere steil voran. 2007 war das Jahr in dem die Welt außerhalb der Schlager-Fangemeinde von ihrer Welle erfasst wurde. Einem ersten Platz in der MDR-Hitsommernacht und bei der MDR-Hitparade folgte die Veröffentlichung ihres dritten Studioalbums „Zaubermond“, das sofort auf Platz 2 der deutschen Albumcharts einstieg. In der zweiten Jahreshälfte 2007 kam der MDR-Musikfilm „So nah, so fern“, in dem sie ihr Album unter dem gleichen Namen vorstellte – ein damals genialer Werbeschachzug. Dieser verschaffte ihr ausverkaufte Hallen auf ihrer ersten Solo-Tournee. Von da an hagelte es eine Auszeichnung nach der anderen. In der „Krone der Volksmusik“ 2008 wurde sie zur „Erfolgreichsten Sängerin des Jahres 2007“ gekört. Das Krönchen der Schlagerqueen war ab nun unumstritten ihres.
Traumpaar des Schlagers
2008 gaben Florian Silbereisen und Helene Fischer ihre Liaison bekannt. Die Klatschpresse überschlug sich und brachte immer neue Spekulationen über angebliche Schwangerschaften, Glück und Herzschmerz auf. Die Queen und ihr Traumprinz lächelten, winkten und sagten: nichts.
Die Queen hält Hof
Helene Fischer ist eine unglaublich disziplinierte und fleißige Arbeiterin. Generalstabsmäßig plant und produziert sie Album um Album, Touren und Auftritte folgen einem perfekt darauf getimten Plan. Da viele Fans aus dem Alter heraus sind, in dem sie ihre Auftritte live vor der Bühne verfolgen können, bringt sie regelmäßig komplette Mitschnitte ihrer Konzerte in die DVD-Regale, die sich verkaufen wie warme Brötchen. „So wie ich bin“, ihr viertes Studioalbum, stieg 2009 in die deutschen und österreichischen Albumcharts auf Platz zwei und in der Schweiz auf Platz sieben ein, ähnlich ihre „Best-of “-Kompilation 2010. Doch erst mit ihrem fünften Studioalbum „Für einen Tag“, das 2011 in die Läden kam, konnte Helene Fischer in Deutschland erstmals direkt auf Platz eins einsteigen, was ihr nach nur zwei Wochen eine Goldene Schallplatte, später Platin einbrachte. Der Titel der „Erfolgreichsten Sängerin des Jahres 2011“ und die „Goldene Kamera“ 2012 für die „Beste Musik National“ gingen an sie, ebenfalls der „Echo“ in der Kategorie „Deutschsprachiger Schlager“. Auch in den nächsten Jahren waren die „Echos“ für „Deutschsprachiger Schlager“ fast durchgängig für Fischer reserviert. 2016 ging der „Live-Entertainment-Award“ an sie. Kein Wunder: Ihre „Farbenspiel-Stadion Tour hatte sie an 15 Orten in 22 Konzerten vor insgesamt mehr als 800.000 Menschen dargeboten. Ein Mitschnitt aus dem Berliner Olympiastadion fanden ihren Weg auf eine DVD und ins ZDF. 2016 wurde sie mit der zweiten goldenen Kamera geehrt und erhielt im Herbst zum siebten Mal eine „Goldene Henne“ in der Musik-Sparte und ist damit Rekordhalterin in dieser Auszeichnung. Mit insgesamt 17 Echos ist sie auch hier Rekordhalterin, genau wie mit sieben „Die Eins der Besten“. Drei „Bambis“ zieren ihr Trophäenregal, vier „Krone der Volksmusik“, drei „Live-Entertainment-Awards“ und ein „Romy“ stehen daneben.
Mehr als Singen
Doch Fischer kann mehr als Schlagersongs schmettern. Auch als Schauspielerin erbrachte Helene Fischer 2012 ein beachtliches Fernsehserien-Schauspiel-Debut in der Rolle der Reiseleiterin Franziska Stein in „Das Traumschiff“. Sie sang den Titelsong für die Neuauflage der „Biene Maja“-Serie ein. Als Moderatorin führte sie durch mehrere Echo-Verleihungen und auf deutscher Seite durch den Eurovision Song Contest 2014. 2016 sang sie für die deutsche Version von Disneys „Vaiana“ den Song „Ich bin bereit“ ein. Seit 2011 moderiert die Entertainerin jährlich um Weihnachten „Die Helene Fischer Show“ für ZDF, ORF und SRF. Ein Schock für die romantisch veranlagte Fan-Gemeinde war ihre Ende 2018 bekanntgegebene Trennung von Florian Silbereisen „in Freundschaft“. Gleichzeitig stellte sie Thomas Seitel, einen Luftakrobaten aus ihrer Bühnenshow, als den Neuen an ihrer Seite vor.
Das liebe Geld
Wer so fleißig arbeitet, soll auch sein Geld haben. Pro Konzert erwirtschaftet sie rund 3,2 Millionen Euro. Das Forbes Magazin sah sie 2018 mit etwa 32 Millionen Dollar Einkommen auf Platz acht unter den Sängerinnen mit dem höchsten Einkommen. Die New York Times platzierte sie nach Recherchen über Einnahmen pro Konzert auf Platz acht der internationalen Musikerinnen. Damit ist sie gleichzeitig die erfolgreichste nicht-englischsprachige Sängerin.
Bildquelle: Imago Images / CHROMORANGE, imago images / STAR-MEDIA