Sein StartUp begann er in einem WG-Zimmer und generierte nach 10 Jahren einen Jahresumsatz von über 17 Millionen Euro. Dadurch wurde Butrus Said zu einem der erfolgreichsten Amazon-Händler. Heute coacht er andere, die als Amazon-Seller Erfolg haben wollen.
Als er mit 17 Jahren Palästina verlassen wollte, wäre er beinahe an 50 Euro gescheitert. Es war schon äußerst kompliziert für ihn, nach Ramallah zu fahren, um das Visum mit dem gesparten Geld zu beantragen und zu seiner Tante nach Deutschland zu reisen. Jahrelang hatte er als Jugendlicher seine Auswanderung vorbereitet, sich für ein gutes Abitur an der deutschen Schule in Bethlehem mächtig ins Zeug gelegt. Seine Tante in Deutschland bürgte für ihn, damit er studieren konnte. In Ramallah wurde ihm mitgeteilt, dass die Bearbeitungsgebühr für das Visum nicht mehr 130, sondern 180 Euro betrug. Eine unbekannte Passantin schenkte dem verzweifelten jungen Mann die fehlenden 50 Euro, „einfach so.“ Das rührt ihn noch heute.
Butrus‘ Geschichte, mit seiner Kindheit in einem von Krieg und Konflikten zerrütteten Land, ist voller solcher Wendungen. Schließlich schafft er es nach Deutschland, aber sein Einser-Abitur muss er in Deutschland in deutscher Sprache wiederholen. „Das war gut für mich, denn da ich in den Fächern bereits sehr gut war, konnte ich mich auf die Sprache konzentrieren.“
In Deutschland freundet er sich mit seinem Klassenkameraden August aus Polen an, verkauft auf Weihnachtsmärkten seine Holzschnitzereien, Krippen. Das Geld schickt er nach Bethlehem, um seiner Familie und Freunden zu helfen. Als er in Frankfurt an der FH Wirtschaftsinformatik studiert, beginnt er, seine Schnitzereien auf eBay zu verkaufen. Er macht an einem einzigen Tag mit eBay mehr Umsatz als an einem Wochenende auf dem Weihnachtsmarkt bei 16 Grad Kälte. „So wurde ich zum Online-Händler.“
Butrus und August mieten sich eine gemeinsame Wohnung und August, EU-Bürger, meldet auf seinen Namen die gemeinsame Firma an. Er hilft Butrus beim Online-Handel und sie lernen gemeinsam für Klausuren. Nach und nach stellen sie Kommilitonen ein, und so wächst die Unternehmung. 2007 eröffnen sie ein Büro für die junge Firma.
2016 soll dann Fremdkapital das Wachstum beschleunigen. Aus den angestrebten 1 Million macht ein angeheuerter Berater am Ende drei Millionen Euro. Davon ging das meiste für ein Gebäude drauf und 400.000 für den Wareneinkauf; rund 200.000 bekommt der Berater am Schluss als Honorar. „Wir waren sehr naiv,“ beurteilt Butrus sein Handeln heute, „Leider. Keiner von uns ist skeptisch geworden.“ Es wurden neue Mitarbeiter eingestellt, um das Wachstum zu beschleunigen. Das eingeplante Geld kam jedoch nicht. Die Mitarbeiter mussten bezahlt werden und die eigentlichen Topseller blieben dabei in den Regalen liegen.
„Man soll vor dem Einstieg von Investoren gewarnt sein. Das sahen wir viel zu spät ein.“ 2017 muss die Firma Insolvenz anmelden, ein schwerer Schlag für die Jungunternehmer: „Wie stehst du jetzt da, als gescheiterter Unternehmer? Was sagst du deinen Mitarbeitern, wie willst du das erklären?“ Butrus, der sich schon als Kind vorgenommen hatte, auf eigenen Beinen stehen zu wollen und seinem Vater finanziell zu helfen, ist verzweifelt.
Anfangs will er sich einfach verstecken. Doch „manche Sachen versteht man erst, wenn man an ihnen gescheitert ist,“ sagt der Junge aus Bethlehem, der schon oft seine Pläne ändern musste. Er gründet die nächste Firma und wird mit ihr zum Top-Seller auf Amazon. Viele seiner Geschäftspartner fragen ihn um Rat und können durch seine Tipps ihre Umsätze in kürzester Zeit vervielfachen. Das sei für seine Kunden eine Überraschung gewesen, aber nicht für ihn. Jedenfalls lag es nahe, dass er seine Beratung zum neuen Geschäft werden ließ.
Er wird als Speaker auf eine Amazon-Seller-Konferenz eingeladen, um über seine Fehler zu reden. Dort steht er ehrlich Rede und Antwort und erzählt, wie groß er sich fühlte und wie sehr er gescheitert war. Das Publikum ist begeistert von seiner Offenheit und er erhält weitere Anfragen. Er erkennt schnell Muster in den Fragen und erarbeitet ein Coaching-Programm, um online Beratungen anbieten zu können. So entsteht ein kompletter Fahrplan für ein erfolgreiches Geschäft bei Amazon, den er den Händlern anbieten kann.
Er habe viele Unternehmen des eCommerce mit aufgebaut, und Fehler gesehen, die mit einem guten Coaching vermeidbar gewesen wären. Mittlerweile betreue er ca. 1800 Mitglieder in seinem Coaching-Programm und sei somit die „Nummer eins im deutschsprachigen Raum bei Amazon“. Jeweils circa 10.000 Abonnenten erreiche er mit seinem YouTube-Kanal und über eine Facebook-Gruppe. Bei Instagram folgen im 18.000 Benutzer.
Wer in seinem Job erfolgreich sein will, der sollte ehrlich bleiben und müsse lernen, richtige von falschen Informationen – vor allem im Internet – zu unterscheiden. Und: „nicht mehr in der Vergangenheit leben!“ antwortet er auf die Frage, was er auf seinem Weg gelernt hat. Man könne aus Fehlern lernen und es sei wichtig, dass „man immer die positiven Dinge aus diesen Fehlern“ mitnähme, weiß Butrus aus Bethlehem heute. „Man lebt heute und jetzt.“
Bilder: Oksana Sersta