Isabella Franke: Kreatives Chaos, oder lieber nicht?

Isabella Franke: Kreatives Chaos, oder lieber nicht?

Die alten Amtsstuben mit Aktenstapeln neben Familienfotos, Urlaubssouvenirs, Kaffeetassen und Gummibaum mögen obsolet sein. Das Thema Ordnung hat aber auch in digitalen Zeiten Bedeutung. Wer auf seinem Desktop nichts mehr wiederfindet, vergisst Aufgaben oder sucht unnötig lange. Aber sind chaotische Menschen automatisch weniger erfolgreich? Ist der Penible hingegen nicht zu toppen? Bevor das Grübeln hierüber zu viel Zeit kostet, befragen wir Expertin Isabella Franke. Sie räumt auf mit gängigen Klischees über das kreative Chaos oder enggeistigen Pedanten. 

Frau Franke, kreatives Chaos oder cleane Askese: Welche Umgebung dient Ihrer Erfahrung nach der Produktivität?

Aus meiner Erfahrung heraus dient eine aufgeräumte und gut strukturierte Umgebung der Produktivität am besten. Eine klare, ordentliche Umgebung schafft einen ruhigen Geist und ermöglicht es, sich besser zu konzentrieren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein gewisses Maß an persönlicher Kreativität und Individualität nicht erlaubt ist. Ein zu steriles Umfeld kann ebenfalls erdrückend wirken. Es geht darum, ein Gleichgewicht zu finden: genug Ordnung, um Klarheit und Fokus zu ermöglichen, aber auch Raum für persönliche Gegenstände, die Inspiration und Wohlbefinden fördern.

Welche Unterschiede im Charakter konnten Sie bei chaotischen und peniblen Menschen feststellen?

Chaotische Menschen neigen oft dazu, kreativer und flexibler zu sein. Sie können gut mit Unsicherheit umgehen und finden oft unkonventionelle Lösungen für Probleme. Allerdings kann ihr Mangel an Struktur zu Stress und Ineffizienz führen. Auf der anderen Seite sind penible Menschen oft sehr detailorientiert und organisiert. Sie arbeiten effizient und haben ihre Aufgaben gut im Griff, neigen jedoch dazu, sich in Perfektionismus zu verlieren, was manchmal ihre Kreativität und Flexibilität einschränken kann. Beide Charaktertypen haben ihre Stärken und Schwächen, und es geht darum, die eigenen Eigenschaften zu erkennen und entsprechend zu nutzen.

Gibt es ein erprobtes System, mit dem alle Ordnung schaffen können?

Ja, es gibt mehrere erprobte Systeme, die Menschen dabei helfen können, Ordnung zu schaffen. Eines der effektivsten ist das »5S-System«, das ursprünglich aus Japan stammt und oft in der Industrie angewendet wird, sich aber auch hervorragend für den privaten Bereich eignet. Die fünf Schritte dieses Systems sind:

  1. Sortieren (Seiri): Alles Unnötige entfernen. Nur das behalten, was wirklich gebraucht wird.
  2. Systematisieren (Seiton): Alles hat seinen festen Platz. Arbeitsbereiche so gestalten, dass benötigte Gegenstände leicht erreichbar sind.
  3. Sauberkeit (Seiso): Regelmäßig reinigen und Ordnung halten, um eine saubere und angenehme Umgebung zu schaffen.
  4. Standardisieren (Seiketsu): Standards und Routinen festlegen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Regelmäßige Checks und Anpassungen helfen dabei.
  5. Selbstdisziplin (Shitsuke): Die Disziplin aufbringen, die eingeführten Standards kontinuierlich zu befolgen.

Die Wahl des Systems hängt stark von den individuellen Vorlieben und dem Lebensstil ab. Es ist wichtig, dass das gewählte System zur eigenen Persönlichkeit passt und im Alltag praktikabel ist. Experimentieren und Anpassen ist oft der Schlüssel zum Erfolg.

Wenn nun Ordnung herrscht, gilt es, sie zu wahren. Wie geht das am besten, was hilft Menschen, die von Natur aus ein wenig chaotisch sind?

Der Schlüssel zur Aufrechterhaltung von Ordnung liegt in der Entwicklung von Routinen und Gewohnheiten. Es ist wichtig, regelmäßig aufzuräumen und jedem Gegenstand einen festen Platz zu geben. Menschen, die von Natur aus etwas chaotisch sind, können von einfachen, klaren Strukturen profitieren. Hilfreich sind beispielsweise tägliche oder wöchentliche Aufräumzeiten und das Prinzip »ein Teil rein, ein Teil raus«, um Ansammlungen zu vermeiden. Auch digitale Hilfsmittel wie Erinnerungs-Apps oder To-Do-Listen können unterstützen.

Die Schweden haben das Death Cleaning erfunden: ausmisten, um so wenig Ballast wie möglich zu hinterlassen. Was halten Sie davon?

Ich finde das Konzept des Death Cleaning, auch bekannt als »Döstädning«, sehr sinnvoll und wertvoll. Es geht darum, das eigene Leben zu entrümpeln, um den Angehörigen nach dem eigenen Tod weniger Arbeit zu hinterlassen. Dies ist nicht nur ein Akt der Rücksichtnahme gegenüber den Hinterbliebenen, sondern kann auch zu Lebzeiten eine befreiende Wirkung haben. Es ermöglicht einem, sich von unnötigem Ballast zu trennen und sich auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu konzentrieren. Diese Methode fördert auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Besitz und schafft Bewusstsein für den eigenen Konsum und die Werte.

MK

Unsere Gesprächspartnerin: Isabella Franke ist Gründerin von »The Home Habit« und hilft Menschen dabei, ihr Umfeld organisierter zu gestalten. Ihre Sendung »Organize ’n Style« ist auf dem TV-Sender Sixx zu sehen.

Bild: Isabella Franke