Kim Schiele lebt ihren persönlichen Hannah-Montana-Traum: Als Krankenschwester rettet sie in der Notaufnahme Menschenleben und nach Feierabend wird die blaue Uniform gegen traumhafte Outfits eingetauscht und an weit entfernte Orte gereist. Und alles wird natürlich mit ganz viel Humor mit ihren rund eine Million Instagram- und 627.000 TikTok-Followern geteilt (@kimschiele). Uns hat Kim im Interview verraten, warum sie ihre beiden Leben so sehr liebt und weshalb man die Arbeit einer Krankenschwester auf keinen Fall unterschätzen darf.
Viele junge Leute haben heutzutage den Traumjob »Influencer«. Was war deine Motivation, diesen Berufsweg einzuschlagen?
Um ganz ehrlich zu sein, wollte ich niemals Influencer werden. Ich hatte niemals im Kopf: »Ich möchte jetzt diesen Berufsweg gehen.« Als ich damit angefangen habe, war das noch gar kein richtiger »Beruf« bzw. es wurde noch nicht als richtiger Beruf angesehen. Deshalb bin ich da aus Versehen »reingerutscht«. Von 2019 bis 2020 hatte ich eine Fernsehshow gedreht und dadurch habe ich tatsächlich Follower auf Instagram bekommen. Ich wusste aber gar nicht, dass ich daraus einen Beruf machen kann. Am Ende der Krankenschwester-Ausbildung hatte ich dann plötzlich 100.000 Follower auf meinem Profil und wusste nicht so wirklich, was ich mit denen machen soll. Da hast du 100.000 Leute, die dir zugucken, aber was erzählst du denn denen jetzt? Und dann dachte ich: Was mache ich den ganzen Tag? Arbeiten im Krankenhaus.
Und dann habe ich angefangen, meinen Alltag zu posten: Krankenschwester-Content und alltägliche Situationen, die für andere relatable sind. So hat sich das Ganze dann ergeben und das kam supergut an. Irgendwann kamen dann die ersten Kooperationsanfragen und dann dachte ich: »Ich kann damit Geld verdienen!« So ging es dann immer weiter, bis ich von meinem jetzigen Management angeschrieben worden bin, die damals schon mein Potenzial erkannt haben. Ich habe damals einfach mein Hobby zum Beruf gemacht. Ich habe aber niemals den Wunsch gehabt, Influencerin zu werden. Es ist aus purem Vergnügen passiert.
Was hättest du zu Beginn deiner Karriere als Influencerin gerne gewusst? Für welche Tipps wärst du sehr dankbar gewesen?
Anfangs dachte ich, ich muss perfekt sein. Jetzt weiß ich, es ist viel besser, nicht perfekt zu sein. Wer kann sich schon mit dir identifizieren, wenn du perfekt bist – oder so tust, als ob du es wärst? Niemand ist perfekt. Ich hätte gerne schon am Anfang meiner Karriere gewusst, wie viel besser es ist, einfach mal ich selbst zu sein – einfach zu zeigen, wie man wirklich ist.
Mein Tipp wäre, dass man sich selbst treu bleibt, sich nicht verstellt, authentisch bleibt und auch nicht zu viel zu denkt: »Oh Gott, wie kommt das denn jetzt an?« Die richtigen Leute werden schon bei dir bleiben. Die, die dir folgen wollen, die werden dir schon folgen. Genauso, wie man auch privat ist, sollte man sich zeigen.
Welche Charaktereigenschaften und Fähigkeiten sollte ein Influencer vorweisen können, um erfolgreich zu werden?
Ganz wichtig finde ich, dass man selbstbewusst, offen und mutig ist. Es bringt mir nichts, wenn ich meinen Mund nicht aufbekomme und mich nicht traue, irgendwas zu erzählen. Man steht in der Öffentlichkeit und man hat ja auch Leute, die zu einem aufschauen. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man Influencer trifft, die den Mund nicht aufbekommen.
Ich finde es auch sehr wichtig, dass man offen ist und auf Leute zugehen kann. Natürlich ist man viel hinter der Kamera, aber ich finde, man sollte auch empathisch sein und gut mit Leuten umgehen können.
Man braucht außerdem Durchhaltevermögen: Ich kenne ganz viele, die angefangen haben und die dann gesagt haben: »Das ist nichts für mich, ich halte den Druck nicht aus. Ich habe keinen Bock Videos zu machen, ich habe keinen Bock Neues auszuprobieren.«
Wie verbindest du deinen Job als Krankenschwester mit deinem Leben als Influencerin?
Ich glaube, das ist das, was mich ausmacht: mein, wie ich immer so schön sage, »Hannah-Montana-Leben«. Hannah Montana hat auch zwei verschiedene Leben, so wie ich auch. Und unterschiedlicher könnte es wirklich nicht sein. Ich möchte das auch gar nicht aufgeben. Was gibt es Cooleres, als »zwei Leben« zu führen? Das ist das auch, was mich und meinen Kanal ausmacht: dass ich wie jeder andere einen ganz normalen Schichtjob habe und auch alles durchmachen muss, was jeder andere Krankenpfleger oder Dienstleister durchmacht. Auf der anderen Seite sehen die Leute auf meinem Profil aber auch Sachen, die sie selbst nicht erleben würden – beispielsweise auf der Fashion Week in Mailand zu sein oder mit irgendeiner Marke einen Helikopterrundflug zu machen. Ich denke, dass ich die beiden Welten sehr gut vereine und dass es sehr interessant ist für den Zuschauer, weil zum einen kann er sich identifizieren und zum anderen sieht er auf meinem Account Sachen, bei denen er sich so denkt: »Wow, krass, das ist sehr beeindruckend.«
Denkst du, dass Influencer die Gesundheitsbranche beeinflussen oder das Bild, das viele Menschen von der Branche haben?
Auf jeden Fall. Ich kann am ehesten mitreden, was Krankenschwester-Influencer angeht. Ich bin ja keine Medfluencerin oder Ärztin, sondern eine Pflegerin und ich finde, dass ich und meine Kollegen in dieser Krankenpflege-Bubble die Pflege enorm beeinflussen: Zum einen zeigen wir, dass Krankenpflege cool ist! In der Notaufnahme oder auf der Intensivstation zu arbeiten und sich um kranke Menschen zu kümmern – das ist schon anspruchsvoll. Es ist kein Job, den man einfach mal so nebenher machen kann. Man muss klug sein und man muss um die Ecke denken können – wir haben schließlich Menschenleben in der Hand! Leider gibt es aber viele Leute, die denken: »So eine dumme Krankenschwester.« Es gibt aber auch mittlerweile ein Bachelorstudium zur Krankenpflege – wir haben also alle schon was im Kopf! Und genau das möchte ich vermitteln: dass Krankenpflege saucool ist und dass man was auf dem Kasten haben muss, um Krankenpflegerin oder operationstechnische Assistentin zu sein.
Ich möchte aber auch Wissen ein bisschen laienhaft darstellen – damit man die Medizin und die Pflege auch für Laien interessant macht. Somit kann man auch Leuten, die damit nichts am Hut haben, die Medizin ein bisschen näherbringen – damit man zum Beispiel auch erkennen kann, wann eine Person gerade einen Schlaganfall hat und man einen Notarzt rufen sollte. Das heißt, wir können sehr, sehr viel bewegen, wenn auch nur eine Person mehr gerettet werden kann, weil jemand auf einem Krankenpflege-Account gesehen hat, wie man in der Notfall-Situation richtig handelt.
Influencer sind für viele Menschen gleichzeitig Vorbilder. Lässt du dich auch selbst durch andere Influencer beeinflussen oder hast du deine persönlichen Idole woanders gefunden?
Ich finde, dass ich selbst in meiner Nische das Vorbild für andere sein sollte, weshalb ich in meiner Nische keine Vorbilder habe. Ich suche eher Vorbilder in Sachen, die ich nicht so gut kann, beispielsweise Make-up oder Klamotten, das kann ich selbst nicht so gut. Da habe ich dann so ein paar Leute, bei denen ich mir gerne Sachen abgucke. Aber was die Medizin und die Pflege angeht, da habe ich meine Idole nicht in der Social-Media-Welt, sondern in der realen Welt. Die finde ich unter meinen den ärztlichen Kollegen.
Wie gehst du mit Kritik um?
Ich mache das jetzt schon sehr lange und ich kann immer noch nicht gut mit Kritik umgehen. Ich bewundere alle, die gut mit Kritik umgehen können. Bei mir wird jeder sofort blockiert, der mir dumm kommt. Ich kann nicht mit Kritik umgehen und ich muss es auch nicht. Ich spreche hierbei aber nicht von konstruktiver Kritik: Wenn mir jemand ganz nett sagt »Das wird so und so geschrieben« oder »Das ist vielleicht fachlich nicht ganz korrekt« und es mir richtig erklärt, dann nehme ich nehme alles an. Aber wenn jemand wirklich Hate-Kommentare und unangebrachte Kritik äußert – derjenige wird sofort blockiert. Man geht ja auch nicht zu jemandem auf der Straße hin und sagt »Hey, deine Nase ist schief« oder »Hey, deine Augen gucken in zwei verschiedene Richtungen«. Also, das muss ich mir nicht bieten lassen und das lasse ich mir auch nicht bieten. Alles, was ich nicht ändern kann, wird geblockt.
Foto: Kim Schiele