Kollegah: „Sei bereit, mindestens zehnmal mehr zu tun als jeder andere.“
Wenn du früher und heute betrachtest, machst du Musik für dich selbst oder für andere Menschen? Was ist deine Motivation?
Wenn man Musiker ist, macht man Musik erstmal für sich selbst. Das ist ja eine Leidenschaft, ein Drang, das auch nach außen zu tragen, sich auch selber anzuhören. Ich habe meine Mukke auch immer gemacht, damit ich sie selbst bei Drivebys pumpen kann. Damals im alten BMW Cabrio und auch heutzutage in erster Linie für mich selbst. Aber es ist schön anzusehen, wie die Musik abseits davon, dass er es einfach nur cool findet, ab und zu einen positiven Einfluss auf den Hörer haben kann und er manche Dinge, die lyrisch transportiert werden vielleicht in sein eigenes Leben transportiert. Und ihm das vielleicht im Leben ein bisschen hilft.
Erinnerst du dich noch an den Moment, als du entschieden hast, dieses musikalische Potenzial, das du bei dir entdeckt hast, voll auf die Straße zu bringen? Du hast ja vorher einiges ausprobiert, auch Jura, und irgendwann hast du dich dann voll auf die Musik festgelegt.
Bereits als ich den ersten Song aufgenommen habe, habe ich gewusst, dass ich eines Tages der beste deutsche Rapper sein werde. Das war mir von vornherein klar. Mit der Meinung war ich aber auf weiter Flur alleine. Und leben konnte ich davon natürlich auch nicht. Ich habe meine Musik zum kostenlosen Download ins Internet gestellt. Aber für mich war erstmal cool, Musik rauszuhauen. Ich musste noch diverse andere Dinge machen. Ich habe teilweise zwei-drei Jobs gleichzeitig gearbeitet.
Was hast du denn gemacht?
Alles Mögliche, vom Tankstellenkassierer über Fließbandjob bei einer Lack- und Farbenfabrik bis zum Hotelrezeptionist. Ich habe auch mal im Lager von REAL Regale eingeräumt. Einfach alles, um zu Geld zu kommen. Ich habe mit 14 den Entschluss gefasst, bis 30 Millionär zu sein. So habe ich mit 14 Jahren mit Zeitungaustragen angefangen und mittlerweile besitze ich fünf Firmen. Das ist so der Weg der letzten 15-16 Jahre. 2009 bis 2012 gab es nochmal eine Phase, in der ich Jura studiert habe bis zu dem Punkt, an dem ich scheinfrei und bereit fürs erste Staatsexamen war. Das habe ich dann aber nicht mehr gemacht, weil mein Studium in erster Linie so intendiert war, dass ich es fürs eigene Fortkommen, als Transfer für meine eigenen Geschäftspläne, die ich damals schon hatte, gedacht war. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, mein eigenes Musiklable aufzumachen und diverse andere Pläne. Allein für die Schulung des analytischen Denkens waren die drei Jahre Studium auf jeden Fall sehr wertvoll.
Das glaube ich. Um einen kleinen Sprung zu machen: Wenn man sich die heutige Welt mit den Medien ansieht, ist es schwer, sich zu konzentrieren. Wie hast du das damals geschafft oder was gibst du heute den Leuten für Tipps, wenn es darum geht, sich auf eine Sache zu konzentrieren? Ist es Ablenkungen abschaffen, oder was?
Gerade für viele Künstler ist das eine große Aufgabe. Viele Künstler sind ADS- oder ADHS-„krank“. Ich sehe es eher als eine Gabe, die auch eine Schattenseite hat. Das Konzentrieren auf Dinge, die einen vielleicht nicht unbedingt brennend interessieren, wird zur großen Aufgabe. Ich bezeichne mich selbst auch als ADS-Betroffenen. Ich entwickle auch oft für Sachen, die mich brennend interessieren, oder für die ich eine Leidenschaft habe, eine Art Hyper-Fokus. Das heißt, ich kann mich damit 14-16 oder 24 Stunden am Tag beschäftigen, verliere dabei nicht das Interesse und arbeite eben durch bis zum Ziel. Wenn man es schafft, das auch auf andere Aspekte, die mit dem Künstlerdasein zu tun haben, zu übertragen, wenn man sich selbständig machen will und nicht immer der Künstler mit dem Knebelvertrag und dem großen Manager bleiben will, dann muss man sich natürlich auch als Geschäftsmann weiterbilden. Das sind teilweise trockene Gebiete, wie Steuern, Firmengründungen, Bürogänge, der ganze Bürokratie-Apparat, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Sich dazu zu überwinden ist die große Kunst. Jeder Mensch hat Dinge, die ihm unwahrscheinlich schwerfallen, die aber teilweise überlebensnotwendig sind oder zumindest notwendig um ihn da hin zu bringen, wo er hinwill. Allein durch Talent ist noch keiner zum Ziel gekommen. Ich kenne sehr viele talentierte Rapper in Deutschland, die eigentlich heute an der Spitze stehen müssten, die komplett gescheitert sind, weil sie leider die Aspekte des geschäftlichen Denkens überhaupt nicht abdecken konnten. Die hatten einfach nicht das auf Erfolg programmierte Mindset. Es sind so viele Kleinigkeiten, nicht nur das Bürokratische. Das ist eher eine grundsätzliche Einstellung. Ich würde es so formulieren: Die Bereitschaft, mindestens zehnmal mehr zu tun als jeder andere ist eine wichtige Voraussetzung. Man muss sich wirklich bewusst sein, dass man sehr viel Einsatz zeigen muss um Ziele zu erreichen, die über das Durchschnittsmaß hinausgehen. Je früher man damit anfängt, desto besser. Von den Jugendlichen, die grade mit der Schule, dem Abitur oder der Ausbildung fertig sind, sagen meistens: „Jetzt fahren wir erstmal ein Jahr in Urlaub, machen Halligalli.“ Oftmals entwickelt sich daraus eine drei- bis siebenjährige Phase der Leere, in der sie eigentlich nicht weiterkommen. Ich habe das früher schon gelegentlich bei den Groupie-Bitches bemerkt. Siebzehn-Achtzehnjährige waren oft smarter als 23jährige, weil sie grade erst aus der Schule kamen und der Hauptfokus eben auf etwas anderem lag als auf Schwänze zu lutschen. Aber da kommt eben noch diese Phase des Feierns und die Leute fallen oftmals in ein Loch obwohl das die entscheidendste Phase fürs spätere Leben ist. Mit achtzehn-neunzehn bist du noch jung, dynamisch, kreativ und hast Power. Diese Dekade von 20 bis 30 ist die entscheidende für das spätere Leben. Man muss sich klar machen, dass es ein großes Risiko ist, wenn man sich darauf verlässt, in einem Angestelltenverhältnis immer einen sicheren Job zu haben. Denn in dem Moment gibst du dein Schicksal in fremde Hände und hast dich quasi nicht verantwortungsvoll um dich selbst und um die Familie, die du vielleicht mal gründen willst, gekümmert.
Das stimmt. Du formulierst da ja schon viele Erfolgsgesetze, die stehen ja auch in „Das ist Alpha!“. Was war der Auslöser dafür, dass du ein Erfolgsbuch geschrieben hast und gesagt hast, da muss ich meine Message loswerden? Eben weil du gesehen hast, dass sich so viele verlieren?
Ich habe bemerkt, dass meine Musik einen positiven Einfluss auf manche Hörer hat. Ich mag im Mainstream nicht dafür bekannt sein, tiefgehende Lyrik zu haben – ist aber so. 70 bis 80 Prozent ist eine eher proll¬hafte Oberfläche. Aber es gibt eben auch Songs, bei denen ich gemerkt habe, dass sie einen sehr positiven Impact auf viele Hörer haben. Musik ist ein wirklich starkes Mittel, um dich emotional an etwas zu binden, vielleicht das stärkste. Visuell mit einem Video unterlegt umso mehr. Und so etwas richtet bei den Menschen etwas aus. So hat es sich entwickelt, dass ich immer mehr Motivationsinhalte in Richtung „großer Bruder“ gehend in meine Musik habe einfließen lassen. Das hat 2013 mit dem Song „Du bist Boss“ angefangen und hat in den letzten Jahren zugenommen. Mit einer kleinen Auszeit bei JBG*, wo wir dann eben Mütter penetrierten.
Du hast ja in deiner eigenen Karriere sehr viele Erfolgsgesetze offensichtlich beherrscht, beziehungsweise auch befolgt. Liest du denn selber auch gerne viel?
Ich lese sehr gerne und sehr viel. Wenn ich in meinen iBooks-Ordner sehe, ist der breitgefächert über alle Themengebiete. Ob es Pyramiden sind, antike Zivilisationen, ob es die Autobiographie von Nicola Thesla ist, die letztens gelesen habe oder Aleister Crowley. Ich lese sehr gerne Autobiographien von Menschen, die in der Geschichte herausgestochen sind. Davon kann man oft mehr und anschaulicher lernen als aus manchem Ratgeber, die allgemeine Gesetzte formulieren. Deshalb habe ich in meinem Buch immer versucht, die Gebote, die für den Erfolg notwendig sind, durch persönliche Anekdoten zu unterstützen. Ich habe breitgefächerte Interessen, komme aber in letzter Zeit wenig zum Lesen. Es war ein actionreiches letztes Jahr. Wir hatten drei musikalische Releases, dazu das Buch und einige andere Projekte. Da bleibt leider nicht mehr viel Zeit zum Lesen. In meiner Jugend war ich viel auf dem Fußballplatz, teilweise Drogen verticken, bin dann aber nachmittags in die Stadtbibliothek gegangen und habe mir Bücher über das Universum, Astrophysik und solche Sachen ausgeliehen. Das war bei mir immer eher ambivalent und so ist es bis heute geblieben.
Astronomie? Das ist interessant, denn das ist übrigens auch bei anderen Rappern so, ohne hier Namen zu nennen.
Ja, habe alles Mögliche gelesen, auch Biologie, alles was es so gibt. Wenn ich mich heute mal hinsetzen will, weil ich um zwei Uhr nachts nach Hause gekommen bin, und denke: „Bist du ja noch früh dran, da kannst du dir ja noch einen Film reinziehen“, da verliere ich nach spätestens zehn Minuten die Geduld und schalte um auf YouTube und schau mir irgendeine Doku an. Das gibt mir mehr, wenn ich was mitnehmen kann, einen Mehrwert davon habe.
Du hast in deinem Buch auch über deine, zumindest damals große, Geldmotivation gesprochen. Ist das heute immer noch so? Was bedeutet Geld für dich?
Geld ist immer noch das wichtigste Mittel zum Zweck – und wenn der Zweck die persönliche Freiheit ist. Das ist, glaube ich, der innere Wunsch jedes Menschen. Insofern ist Geld dafür natürlich enorm wichtig. Man kann nie genug haben, sage ich immer. Desto mehr Geld du hast, desto mehr gefühlte Sicherheit hast du auch. Geld, der eigene Körper und der eigene Geist sind die drei Säulen, um dich wirklich sicher zu fühlen. Insofern kannst du niemals glücklich und entspannt innere Zufriedenheit haben, wenn du dich komplett unsicher fühlst. Je weniger Paranoia und Sorge du dir um dein persönliches Überleben oder die Einfachheit deines künftigen Lebensweges machen musst, umso glücklicher bist du. Du kannst im Moment leben und das Leben genießen.
Du bist in einem Genré unterwegs, in dem es viel Kritik gibt. Hast du eine Strategie, wie man mit Kritik umgehen kann?
Wenn du nicht willst, musst du gar nicht unbedingt mit Kritik umgehen. Du kannst sie ja auch einfach ignorieren. Es ist ja nur eine Frage der inneren Einstellung. Wie wichtig ist die die Meinung der Personengruppe X, die grade diese Meinung äußert. Wenn diese Person X meine Mutter ist, dann ist das für mich natürlich eine wichtige Sache, weil meine Mutter mir wichtig ist. Wenn das nun aber beispielsweise die Personengruppe „Bild-Journalist“ ist, dann ist das für mich erstens keine Personengruppe, mit der ich überhaupt auf Augenhöhe rede. Da komme ich von oben herab. Zweitens weiß ich, dass diese Menschen ja gar nicht unbedingt ihre eigene Meinung vertreten in dem, was sie da äußern, sondern in den meisten Fällen wahrscheinlich eine vorgegebene Meinung, zumindest in der Grundrichtung. Kritik nehme ich grundsätzlich nur von Menschen an, denen ich auf Augenhöhe begegnen kann. Das heißt: Freunde, Familie oder eben Menschen, die ich respektiere und von denen ich weiß, dass sie ihre eigene Sicht gebildet haben. Sonst ist Kritik quasi wie ein Regentropfen, der an der Teflonpfanne abprallt.
Sehr cool. Danke für das Gespräch.
Bildquelle: Marc Müller
Das Interview mit Kollegah erschien in der ERFOLG Magazin Ausgabe 01/2019.
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