Melina Hoischen: »Ich weiß, dass ich kein Supermensch bin«

Melina Hoischen: »Ich weiß, dass ich kein Supermensch bin«

Melina Hoischen ist auf Social Media unter den Pseudonym »Miss History« unterwegs (@misshistory_). Mit ihren rund 309.000 Instagram- und 488.000 TikTok-Followern geht sie täglich auf Zeitreise und teilt verschiedene historische Fakten der vergangenen Jahrhunderte. Auch zwei eigene – natürlich historisch angelehnte – Kinderbücher hat sie bereits veröffentlicht. Uns hat Melina im Interview verraten, warum es als Influencer wichtig ist, man selbst zu bleiben, und wie ihre Videos bereits Museen und Universitäten unterstützt haben.

Viele junge Leute haben heutzutage den Traumjob »Influencer«. Was war deine Motivation, diesen Berufsweg einzuschlagen?

Um ehrlich zu sein, habe ich mir nie gewünscht »Influencer« zu sein. Ich mag das Wort eigentlich auch gar nicht. Ich betitele mich selbst immer als »Content Creator«, weil es das ist, was ich hauptsächlich mache. Ich kreiere Inhalte, welche die User konsumieren können. Damit kann ich mich deutlich besser identifizieren, als wenn mein Oberthema wäre, andere zu beeinflussen (to influence = jemanden beeinflussen).

Aber wie man es auch drehen und wenden mag, manche nennen das, was ich bin, »Influencer«. Und das bin ich tatsächlich durch Zufall geworden! Ich habe vor meiner Karriere als Miss History als Social-Media-Managerin gearbeitet und musste quasi immer up to date sein, was die Plattformen so können. 2021 war ich dann nach der Geburt meiner zweiten Tochter in Elternzeit und hatte unglaubliche Angst davor, dass ich keine Neuerungen oder Veränderungen im Social-Media-Bereich mehr mitbekommen würde. Den Zugriff auf die Unternehmensaccounts, die ich vorher für die Companies nutzte, hatte ich ja nicht mehr. Also… erstellte ich einen eigenen Account. Dieser war ursprünglich also nur dafür da, um Inhalte zu testen und neue Funktionen zu testen. Das geschah initial auf TikTok, weil die Plattform damals noch relativ neu war.

Gleich eines meiner ersten Videos dort ging viral. Das war so gar nicht geplant, aber ich machte weiter. Wisst ihr, TikTok hat ein unglaubliches Wachstumspotenzial für (noch) unbekannte Accounts. Und plötzlich wuchsen meine Follower-Zahlen, sodass relativ schnell klar wurde: Nach meiner Elternzeit gehe ich definitiv nicht mehr in meinen alten Job zurück.

Was hättest du zu Beginn deiner Karriere als Influencerin gerne gewusst? Für welche Tipps wärst du sehr dankbar gewesen?

Ich glaube, man unterschätzt von außen sehr leicht, wie viel Aufwand hinter der Arbeit steckt. Das ist viel mehr, als sich einfach nur vor das Handy zu setzen und nett in die Kamera zu quatschen. Recherche, Schnitt, Backoffice wie Rechnungen schreiben, Kooperationen verhandeln, Steuerangelegenheiten – all das nimmt einen Großteil der Zeit in Anspruch, die man so hat. Umso dankbarer bin ich für das tolle Management, was ich nun im Hintergrund habe. Viele dieser Arbeiten nehmen sie mir ab, damit ich mich besser auf das konzentrieren kann, was eigentlich meine Kernaufgabe ist – nämlich Menschen mit meinen Inhalten zu begeistern.

Aber es war gut, dass ich all das vorher schlecht einschätzen konnte. Wer weiß, vielleicht hätte ich dann gar nicht damit weitergemacht. Wenn man sich erst einmal in dem Business »eingelebt« hat, ist auch alles nur noch halb so tragisch.

Welche Charaktereigenschaften und Fähigkeiten sollte ein Influencer vorweisen können, um erfolgreich zu werden?

Man sollte definitiv ein dickes Fell haben – in jeglicher Hinsicht. Man macht sich durch seine Inhalte natürlich angreifbar. Nicht nur was man sagst, sondern auch wie man es sagt, ist heute sehr wichtig – da muss man schon ein Feingefühl entwickeln.

Außerdem sollte man sehr diszipliniert sein: Der Algorithmus vieler Social-Media-Plattformen ist auf Kontinuität ausgerichtet. Einfach mal so zwei oder drei Wochen nichts zu posten, wäre da der – wortwörtlich – soziale Tod. Zum Glück gibt es mittlerweile tolle Möglichkeiten, um Beiträge einzuplanen, aber auch daran muss man natürlich denken.

Ansonsten sollte man sehr viel Mut mitbringen – Mut, sich selbst so zu zeigen, wie man wirklich ist. Die Leute haben keine Lust mehr, 08/15-Influencer zu sehen, die kaum von anderen unterscheidbar sind. Jeder Mensch ist einzigartig und individuell, aber kaum einer traut sich das auch zu zeigen. Wenn man das aber tut, wirkt man interessant und authentisch – und in vielen Fällen eben auch erfolgreich.

Inwiefern beeinflussen Influencer die Educational-Branche?

Ich würde sagen, sie tun das massiv. Gerade die junge Generation hat eine ganz andere Art zu lernen. Das ist kein Geheimnis, aber damit muss man nun umgehen und die Erkenntnisse nutzen. Es gab bereits Universitäten und Doktoranden, die auf mich zugekommen sind und mich über mein Schaffen interviewt haben. Dabei ging es vor allem darum zu lernen, wie ich es schaffe, so viele Menschen ohne Vorwissen für das Thema Geschichte zu begeistern. Die Analyse einer verringerten Aufmerksamkeitsspanne der »Schüler« oder die Bewertung von sogenannten »Hooks« war für mich dabei besonders spannend.

Kurzform: Die gesamte Bildungsbranche lernt bereits jetzt von Influencern. Lehrer nutzen meine Videos in ihren Klassen oder Museen bauen Sichtbarkeit über uns auf. Fun Fact: Eines meiner Videos läuft/lief sogar im Anne-Frank-Haus in Amsterdam. Die gesamten Bedürfnisse von Lernenden haben sich in der letzten Zeit einfach geändert. Darauf zu reagieren, ist längst überfällig. Influencer können da schöne Spiegel für eine breite Masse an Menschen sein und mit ihren Videos zeigen, was und wie gut ankommt.

Influencer sind für viele Menschen gleichzeitig Vorbilder. Lässt du dich auch selbst durch andere Influencer beeinflussen oder hast du deine persönlichen Idole woanders gefunden? Wie gehst du mit Kritik um?

Ich muss gestehen, dass ich gar kein richtiges Vorbild habe. Das ist vielleicht auch falsch, aber bis jetzt bin ich immer gut damit gefahren, meinen eigenen Träumen und Visionen nachzueifern. Links und rechts zu gucken hätte mich dabei nur abgelenkt.

Ich bin ja selbst Mutter von drei Kindern und ich gebe an dieser Stelle zu, dass mein absoluter Schwachpunkt Kinderspielzeug ist. Damit habe ich mich schon oft »influencen« lassen und sehr viel Geld ausgegeben.

Mit Kritik gehe ich sehr objektiv um. Ich weiß, dass ich kein Supermensch bin, und das möchte ich auch nicht sein. Meine Follower wissen zum Beispiel, dass ich eigentlich gar kein Geschichte studiert habe, sondern BWL mit dem Schwerpunkt Marketingkommunikation und PR. All das, was ich erzähle, eigne ich mir im Selbststudium an. Und – ja, natürlich! – auch mir passiert da mal ein Zahlendreher oder ich spreche Namen falsch aus. Das wird dann korrigiert und fertig. Das ist nichts, was mich jemals dazu bringen würde, mit Social Media aufzuhören.

Es ist völlig normal, dass man nicht von jedem gemocht wird – und das ist auch völlig in Ordnung. Oft hat das gar nichts mit einem selbst zu tun und es gelassen zu nehmen, macht das Leben viel entspannter. Auch auf Social Media ist das nicht anders. Aber was für mich zählt, ist die unglaubliche Gemeinschaft von über 800.000 Menschen, die ich mit meiner Leidenschaft für Geschichte inspirieren darf. Das zeigt mir jeden Tag, wie viel Positives wir zusammen erreichen können – und dafür bin ich unglaublich dankbar!

 

Bild: Netzschreier