Wie wollen wir vorankommen, wenn wir nichts riskieren? In den letzten Jahren hat sich – insbesondere in Deutschland – eine Sicherheitsmentalität breit gemacht. Bevor wir einen Schritt nach vorne wagen, wollen wir Garantien. Beim Auto, beim Smartphone, beim Job, am besten überall. Nur so funktioniert Erfolg nicht. Wer etwas erreichen will, muss in Vorleistung gehen, ohne zu wissen, ob es sich in der Form auszahlen wird, wie wir es uns erhoffen. Extremsportler sprechen oft von kalkuliertem Risiko. Man wägt also ab, wie hoch der Einsatz ist und welche Voraussetzungen gegeben sein müssen. Das inkludiert auch die persönliche Vorbereitung und Einschätzung der eigenen Fähigkeiten. Wenn die Parameter eher auf grün denn rot stehen, wagen Extremsportler das Risiko und schreiten voran.
Reinhold Messner hat mir zum Beispiel erklärt, dass man enorm viel vorbereiten kann und muss, bevor man ohne Sauerstoff auf den höchsten Berg der Welt klettert. Das Wetter muss kalkulierbar sein, die Ausrüstung muss spitze sein, das Team muss perfekt eingespielt und trainiert sein und die Kletterlinie muss ausgearbeitet sein. Auch müssen mögliche Lawinen- und Steinschlagrisiken bekannt sein. Erst dann macht man sich auf den Weg zum Gipfel. Auch unser Coverstar Jochen Schweizer ist nicht einfach aus Hubschraubern gesprungen. Es waren zwar riskante Aktionen und wie er zugibt, hat es ihn manchmal fast das Leben gekostet. Aber eben nur fast. Die Risikokalkulation war eben doch eher im grünen als roten Bereich.
Wir alle müssen uns bewusst machen, dass persönliche Freiheit entsteht, wenn wir bereit sind, den Preis des Risikos zu zahlen – im Gegensatz zu denen, die die Sicherheit vorziehen und dadurch abhängig und unfrei sind. Aber wir können das Risiko einschätzen lernen, ob durch Bücher, Interviews oder Vorträge. Dennoch gehen Dinge schief. Auch das gehört zur Wahrheit. Die perfekte Sicherheit gibt es nicht. Wenn wir aber aus Angst davor zurückschrecken, überhaupt einen Schritt zu tun, haben wir bereits verloren. Schließlich besteht das Leben nicht aus Momenten, in denen wir atmen, sondern aus Momenten, die uns den Atem rauben.
Das Editorial »Mut zum Risiko« von Julien Backhaus und weitere spannende Artikel finden Sie in der brandneuen ERFOLG Magazin Ausgabe 04/2022 -> LINK
Bild: Ronny Winkelmann