Personal Branding: Profil statt Krawatte

Personal Branding: Profil statt Krawatte

Die Qualifikation allein ist nicht entscheidend für beruflichen Erfolg. Während noch vor einigen Jahren schablonenhaft nach Bewerbern gesucht wurde und Emotionen im Berufsleben verpönt waren, haben sich die Parameter verändert. Es hat sich ein Wandel zur ganzheitlichen Betrachtung des Menschen vollzogen. Interim Manager und Coach Ulvi Aydin taucht seit vielen Jahren in unzählige Unternehmen ein und hat diesen Wandel beobachtet. In unserem Interview erklärt er, warum menschliche Eigenschaften und das passende Personal Branding fast so wichtig sind, wie die Note des Uni-Abschlusses.

Ulvi, Markenbildung ist nicht nur wichtig für Unternehmen, sondern auch für Personen. Aber die eigene Person in den Vordergrund zu stellen, ist nicht jedermanns Sache. Wie geht Personal Branding?

Personal Branding wird immer wichtiger, aber es wird häufig leider vergessen. Jeder, der beruflich weiterkommen möchte, sollte sich fragen: Was ist mein Alleinstellungsmerkmal, mein USP und wofür stehe ich? Viele denken darüber gar nicht nach. Wenn man sich für eine neue Position bewirbt, sollte man auf diese Frage vorbereitet sein und dabei gilt: «Keep it short and simple.« Wenn man zehn Bewerber hat, die alle studiert und dieselbe Qualifikation haben, geht es um die Persönlichkeitsmerkmale, die zu den Anforderungen der Aufgaben passen. Und als Bewerber sollte man rüberbringen können, warum man geeignet ist. Wenn sich jemand klar positionieren kann, vermittelt das ein Gefühl von Energie und Stärke. Jeder sollte ein persönliches Motto haben, einen Glaubenssatz, etwas, das ihn und seinen Charakter beschreibt. Ich empfehle euch, macht euch die Mühe und definiert ein Motto. Mein Motto ist zum Beispiel: Ich lüge nie. Und mit diesem Motto und dieser Geisteshaltung werde ich dann auch in Verbindung gebracht.

Wie funktioniert Personal Branding in unserer schnelllebigen Zeit?

Personal Branding ist immer eine Konstante und die ist in unserer sich stets ändernden Welt wichtig. Das können zum Beispiel Tugenden wie Wertschätzung oder Höflichkeit sein. Wenn jemand diese Konstanten gefunden hat, gibt dies sowohl der Person als auch dem Unternehmen Stabilität. Ein Beispiel: Ich war mit einer Gruppe junger Leute essen – alles Jungmanager, kultivierte und intelligente Menschen. Eine Dame aus der Gruppe musste sich vorzeitig verabschieden und gab allen am Tisch die Hand. Einer der Teilnehmer gab ihr die Hand, blieb dabei aber sitzen. Das sagt viel über ihn und über seine Wertschätzung anderen Menschen gegenüber aus. Wertschätzung gehört zu den die Soft Facts, die eine Person beschreiben und ausmachen. Und sie sind ein Leistungsversprechen.

Grundsätzlich macht es auch keinen Unterschied, ob sich Personen oder Unternehmen positionieren. Die Marke eines Unternehmens wird durch den Menschen kreiert. Stell dir einen Messestand vor, mit 30, 40 Leute drumherum. Jemand wirft ein zerknülltes Blatt Papier neben den Mülleimer. An wen wird man sich erinnern? Der, der es sieht, das Papier aufhebt und in den Mülleimer wirft, wird bei den anderen in Erinnerung bleiben, weil er aufmerksam ist. Sich profilieren ist in Deutschland häufig negativ konnotiert. Das bedeutet ja aber nicht, sich wichtig zu machen. Ein Profil kann ja auch durch Höflichkeit oder Arbeitseifer geprägt sein. Oder dadurch, dass man sich für Jobs meldet, die die anderen nicht machen wollen. So habe ich zum Beispiel meine Karriere gestartet und das ist meinem Chef damals aufgefallen.

Wie kann man sein Profil schärfen, ohne gleich ein anderer Mensch zu werden, was ja nicht authentisch wäre?

Mit der Methode NLP kann man sich zum Beispiel durchaus neu prägen. Wenn man als Mensch oder Unternehmen ein Markenversprechen gibt, dann gilt das. Und ein Markenversprechen hat nicht nur mit dem Preis oder der Qualität des Produktes zu tun. Es ist die wahrgenommene Qualität, um die es geht. Die Entscheidung für eine Person oder ein Produkt wird in der heutigen Markenwelt weniger wegen der physischen Eigenschaften gefällt, es geht oft nicht um die Hard Facts. Es geht vielmehr um die Soft Facts, die man wahrnehmen kann. Ich komme nochmal auf die Bewerber zurück. Da sitzt nun einer mit einer Diplomnote von 1,2 oder 1,3. Wenn er im Gespräch gute Fragen stellt oder kluge Antworten gibt, dann merkt man doch, dass dieser Kandidat zum Unternehmen passt, auch wenn ein anderer Kandidat einen Abschluss von 1,0 hat. Das sind die Soft Facts, die über solche Fragen entscheiden.

Noch vor zehn oder 20 Jahren sind Vorstellungsgespräche nach Schema F und eher dogmatisch geführt worden. Was hat sich verändert?

Es ist lockerer geworden, es gibt zum Beispiel keinen Krawattenzwang mehr. Heute kann man mit einer schicken Designerjeans in die Oper gehen und eben auch in ein Bewerbungsgespräch. Beide Seiten – der Unternehmer und der Bewerber – sind ja das Produkt dieser gesellschaftlichen Entwicklung. Heute ist es ja fast schon antiquiert, eine Krawatte zu tragen oder sich zu siezen. Und es ist antiquiert, nur auf die Hard Facts zu schauen. Es ist einfach so, dass heute über Soft Facts entschieden wird, bei Menschen und auch Produkten.

In den siebziger Jahren gab es zum Beispiel ungefähr sechs Automarken, heute haben wir eine Riesen-Bandbreite. In der Werbung wird nicht mehr nur die Motorleistung als Hard Fact beworben, sondern ein Lebensgefühl als Soft Fact. Oder der Apple-Store auf der Fifth Avenue in New York: Das ist kein Geschäft, das ist eine Kathedrale! Die Marke hat ja schon fast etwas Religiöses. Wenn also jemand fragt, wofür du stehst, dann solltest du eine Antwort haben. Wenn die Antwort Marathonläufer oder freiwilliger Helfer in einem SOS-Kinderdorf lautet, dann sagt das mehr über dich aus als alles andere. Das hat nichts mit dem Beruf zu tun, aber mit dem Menschen.

Manche können sich gut präsenteren, andere sind vielleicht schüchtern und können sich nicht so gut verkaufen. Kann man einen Fehlstart revidieren?

Ja, das geht mit Ehrlichkeit. Ich finde es zum Bespiel positiv, wenn ein Bewerber im Gespräch sagt, das er aufgeregt sei, dann hat man diesen Menschen doch direkt ins Herz geschlossen. Das lässt den wahren Charakter dieses Menschen erkennen: Authentizität, Aufrichtigkeit, Klarheit. Ein anderes Beispiel ist, dass man als Bewerber eine Frage nicht beantworten kann. Er kann doch ruhig sagen, dass er auf diese Frage nicht vorbereitet ist, dafür aber auf viele andere. Wir sind alle Menschen und man sagt ja auch, dass Bewerber Humankapital sind, da steckt ja auch das Wort Mensch drin. Das Unternehmertum hat sich gewandelt von einem Chef mit Anzug und Zigarre zu Leuten wie der ehemalige Mercedes-Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche, der in Jeans und Turnschuhen auf die Bühne kam. Seine Botschaft lautete: »Ich bin einer von euch.« Wenn du gut zu Menschen bist, sind sie gut zu dir. Das ist nicht nur human oder altruistisch, es ist auch egoistisch. Seid aufrecht, seid ehrlich, seid authentisch! Ich habe da eine Klare Marschrichtung: Marke und Mensch müssen authentisch sein. Und es sind die alten Werte, die immer noch gelten. Gut zu Leuten zu sein, ist auch ein Investment.

MK

Info: Ulvi Aydin ist Executive Interim Manager, Beirat, Unternehmens- und Unternehmer-Entwickler, XING-Insider und Buchautor. Er unterstützt mittelständische Unternehmen und Konzerne bei Marken- und Marktentwicklung, Neupositionierung, Restrukturierung und Vertriebsexzellenz.

Bild: Ulvi Aydin