Winzermeisterin Anna räumt die letzten Flaschen ins Display, läuft einige Meter weg von ihrem Messestand und dreht sich um. Lange schaut sie sich das Ergebnis an: Die Messewände stehen, die Weinlisten liegen aus. Die Gläser und Snacks sind gerichtet und der Rotwein atmet – nur Anna schnauft genervt aus. »Dieses Weinrot, noch aus Zeiten meiner Großeltern… diese 50-Jahre Schrift im Logo… das geht so nicht weiter!«, erzählt mir die Dreißigjährige eine Woche später am Telefon. »Ich will einen neuen Look für unser Weingut.«
Das äußere Erscheinungsbild ist oft ein erster Auslöser für das Gefühl, das die Marke nicht mehr stimmig ist. Eine Farbe, an der man sich sattgesehen hat, ein Wappenlogo, was ein Vorfahre mal gezeichnet hat oder eine Hausschrift, die in die Jahre gekommen ist. Ähnlich wie bei einer Midlife Crisis kommt irgendwann das Gefühl: Da muss doch noch mehr gehen! Ich brauche ein Makeover, eine neue Frisur, einen neuen Look. Doch diese äußerlichen Änderungen sind meist nur die Spitze des Eisbergs. Und sie sind auch das, was man am einfachsten ändern kann.
Rebranding ist mehr als ein neues schickes Logo
Meist sitzt der Ursprung des Wunsches nach einer Veränderung aber viel tiefer. Es geht um Abnabelung, Selbstverwirklichung und bestenfalls um die Erkenntnis, dass die Zielgruppe und Mitarbeiter sich eine wirkliche Verbesserung von uns wünschen. Dass die Welt da draußen endlich erfahren soll, warum wir tun, was wir tun.
Typische Auslöser für ein Rebranding
Hier sind die häufigsten Denkanstöße, die zu einem Rebranding führen können:
1) Geschäftsübernahme
(»Da muss mal feucht durchgewischt werden.«)
Beispiel: Das bestehende Branding fühlt sich für dich als Übernehmende:n falsch oder unstimmig an. Beim Anblick des Firmenschildes dreht sich dir jedes Mal der Magen um. Die Geschäftsbriefe lesen sich altbacken und die Kantine trennt Führungskräfte und Mitarbeiter noch durch einen Raumtrenner. Der alte Mief muss raus.
2) Die DIY-Marke
(»Da muss endlich Struktur rein.«)
Dieses Beispiel ist sehr typisch für Soloselbstständige. Du hast eine Geschäftsidee, die du so schnell wie möglich vermarkten willst. Du erstellst rasch eine Webseite, lädst dir irgendein Logo herunter, fütterst einen Social Media Kanal. Dein Budget fließt größtenteils in die Qualitätssteigerung deiner Produkte oder verpufft zunächst in deinen Personalkosten. Welcher Markenkern und welche Werte aber stehen dahinter? Warum macht dein Unternehmen die Welt ein kleines wenig besser? Schulterzucken. Wenn du das Dach vor dem Fundament baust, passt es statisch irgendwann nicht mehr und stürzt in sich ein.
3) Die neue Zielgruppe
(»Das passt nicht mehr zu den neuen Kunden.«)
Beispiel: Dein ursprüngliche Produkt war für Teenager konzipiert. Inzwischen kaufen es junge Männer zwischen 25 und 35 Jahren. Es ist ein Trendprodukt geworden, das auch von der nächsten Generation konsumiert werden will. Dein altes Graffiti-Logo und die Schülersprüche deiner Kommunikationsstrategie passen nicht mehr und müssen weiterentwickelt werden. Die Farben dürfen maskuliner werden und die Verkaufsfunnel müssen erweitert werden. Die Preisstrategie schreit nach einem Update.
4) Dein neues Angebot
(»Mein bisheriges Branding engt mich ein und steckt mich in die falsche Schublade.«)
Beispiel: Du bist mit einem Produkt an den Start gegangen, doch es stellt sich im Laufe der Zeit heraus, dass du über das Zubehör und den Service für dieses Produkt die weitaus besseren Margen einfährst, weil du hier auch die Wettbewerbsprodukte mit bedienen kannst. Die Markenkommunikation muss neu ausgerichtet werden und das Logo, das bisher nur dein eigenes Produkt zeigte, engt die Zielgruppe unnötig ein.
5) Du als Unternehmer:in hast dich weiterentwickelt
(»Das bin ich nicht mehr.«)
Beispiel: Du hast dich mit einer bestimmten Dienstleistung selbständig gemacht und merkst irgendwann, dass dich ein Teilgebiet dieses Bereichs besonders fesselt und auch bei deiner Zielgruppe viel besser ankommt. Du bildest dich fort, tauchst mehr in das spezifische Thema ein. Diese Expertise ermöglicht es dir, höhere Preise zu verlangen. Das ursprüngliche Branding kommuniziert den neuen Mehrwert nicht mehr und muss auf allen Ebenen überarbeitet werden.
Wie fängst du dein Rebranding an?
Hol dir einen Profi mit ins Boot. Damit du dich nicht im Prozess verlierst, hol dir Hilfe von Experten, die das ständig machen und die typischen Stolperfallen kennen. Ein frischer Blick von außen hilft gegen Betriebsblindheit und zeigt dir Dinge, auf die du und dein Team selbst nie gekommen wärt.
Setze dir ein konkretes, messbares Ziel. Also nicht so etwas wie: »Das muss sich nachher wieder stimmig anfühlen.« Vielmehr hilft hier eine klare Zielsetzung wie: »Unsere Social Media Beiträge müssen danach um X Prozent mehr geteilt werden.«
Was kann weg und was darf bleiben? Analysiere deine Ressourcen. Wieviel Budget kannst du für das Rebranding aufbringen? Musst du danach eine Flotte von 50 Fahrzeugen neu folienveredeln lassen? Die Webseite neu aufsetzen? Die Poloshirts der Mitarbeiter neu bestellen und besticken lassen? Alle Printprodukte vernichten? Hier plädiere ich oft für ein Slow Rebranding, damit man nicht vor einem zu großen Kostenberg steht. Oft passt z. B. das Corporate Design noch prima, nur der Claim klemmt. Oder umgekehrt. Man muss nicht gleich das ganze Unternehmen komplett auf den Kopf stellen. Es darf auch ein schleichender Prozess über einen längeren Zeitraum sein. So verkraften es auch die Kunden besser und denken nicht: »Was ist denn da los? Haben die ihr Unternehmen verkauft? Alles fühlt sich so fremd an.« Andererseits gibt es aber auch Situationen, die nach einem krassen Schnitt verlangen.
Nutze die Chance, um alle Disziplinen deiner Marke zu überprüfen. Ein neues Äußeres zieht oft sofort eine neue Art zu kommunizieren nach sich. (Zieh dir mal eine Lederjacke an und schau in den Spiegel, da fällt dir sofort ein Bikerspruch ein, oder?) Es entsteht ein neues Unternehmensgefühl, was sich sofort auf die Mitarbeiter und Kunden widerspiegeln kann, wenn es gut implementiert wird. Knöpfe dir also nicht nur dein Corporate Design vor, sondern vor allem deine Kommunikationsstrategie und dein Markenerlebnis. Wie empfinden Kunden die Reise mit dir und deinem Unternehmen? Wo lagen bisher die Reibungsflächen, Unebenheiten und Schlaglöcher? Gibt es immer ein Happy End auf der Heldenreise deiner Kunden? Du hast jetzt die Chance, alle Aspekte noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und in Einklang mit deiner neuen Markenausrichtung zu bringen.
Kommuniziere dein Rebranding und lass die Kunden teilhaben. Es ist wichtig, diesen Schritt mit deinen Kunden zu teilen. Die Beweggründe, die dazu geführt haben, solltest du auf deiner Webseite, in deinem Newsletter, Podcast, Social Media Beiträgen etc. offen diskutieren. Kunden und Follower lieben es, wenn sie das Gefühl haben, etwas mitentscheiden zu dürfen. Du wirst sehen, ein Beitrag mit der Frage »Welches Logo gefällt euch besser?« wird dir extrem viel Engagement bringen. Kunden fühlen sich mit ins Boot geholt und noch mehr mit deiner Marke verbunden. Das ist Gold wert und baut eine große Nähe auf. Nicht vergessen: Bei Markenbildung geht es primär um Emotionen und Vertrauen.
Feiere dein neues Unternehmens-Ich: Wenn alles fertig ist, feiere deinen Marken-Makeover mit einem lauten Knall! Je nach Budget kannst du den Launch ausfallen lassen: Von einer kostenlosen Ankündigung auf deiner Facebook-Seite bis hin zu Sektempfängen in allen Stores, einer Verlosung und großem medialen Feuerwerk ist alles möglich. Es muss nur zu deiner Marke und Zielgruppe passen.
Fakt ist: Rebranding kommt irgendwann auf uns alle zu.
Wer das ignoriert, wird es an seinen Verkaufszahlen spüren. Wenn du jetzt denkst: »Moment! Aber Coca-Cola hat doch immer noch denselben weißen Schriftzug auf rotem Hintergrund«, dann hast du recht. Die Schrift und die Farbe war immer eine Konstante, die bleiben durfte. Aber denk mal darüber nach, wie sich deren Bildsprache, die Flaschenformen, das Dosendesign oder die Produktpalette im Laufe der Jahrzehnte mit der Gesellschaft verändert haben. Welche Songs, Jingles und Slogans es schon für Coca-Cola gab? Trends wurden erkannt, umgesetzt und auch wieder verworfen. Erinnerst du dich an die Stevia-Cola mit dem grünen Etikett, die nur kurz am Markt war?
Unternehmen und Märkte sind Menschen. Und Menschen agieren dynamisch, verändern sich und entwickeln sich weiter. Du trägst ja auch nicht mehr deinen Lieblingspulli, den du als Kind so gemocht hast. Es ist also logisch und normal, dass irgendwann ein Rebranding her muss. Manchmal reicht eine kleine Anpassung im Detail. Manchmal muss es ein radikaler Neuanfang sein.
Und was wurde aus Anna, der Winzermeisterin? Die Generationen vor ihr haben bisher immer in die Verbesserung der Produktqualität investiert: bessere Erntegeräte, modernere Kelterausstattungen, effektivere Kühlungstechniken. Annas Ziel war es, diese hohe Qualität auch endlich über das Äußere der Produkte zu kommunizieren. Und wenn sie heute auf der Weinmesse steht, wird sie von Besuchern oft gefragt: »Sie machen wohl Edelweine?«
Autorin: Ist das marktwürdig oder kann das weg? So kann man ihre Passion beschreiben. Und das war schon als Kind so: Egal, was sie in die Finger bekam, Andrea Yildiz hat immer versucht, daraus etwas neues und besseres zu kreieren. Früher hat sie Upcycling für ihr Spielzeug betrieben, heute hilft sie Selbstständigen, ihrer Marke ein perfektes Makeover zu verpassen. Ihr Credo: Jedes Unternehmen, egal wie jung oder klein, verdient einen professionellen und bezahlbaren Marktauftritt.
Bilder: Depositphotos / weedezign, Berthold Walheim