Ryan Holiday darüber, wie wichtig es ist, einen kühlen Kopf zu bewahren.
Als die NASA mit der bemannten Raumfahrt begann, brachte sie ihren Astronauten als Erstes eine Fähigkeit bei: die Kunst, nicht in Panik zu geraten. In Panik machen wir Fehler. Wir setzen uns über Systeme hinweg. Wir vergessen alle Abläufe und Regeln. Wir können nicht mehr klar denken. Wir reagieren nur noch – nicht auf die Situation, sondern auf die Hormone, die durch unser Blut schießen. Auch hier auf der Erde ist Panik die Ursache für viele unserer Probleme. Alles ist exakt durchgeplant, aber wenn irgendetwas schiefläuft, dann werfen wir den Plan über Bord und ersetzen ihn durch den guten alten Gefühlsausbruch. Einige Menschen sehnen sich geradezu danach, Alarm zu schlagen, denn das ist einfacher, als sich mit den anstehenden Problemen auseinanderzusetzen. In einer Raumkapsel, die kleiner ist als ein VW-Käfer und in 250 Kilometer Höhe um die Erde kreist, bedeutet Panik buchstäblich Selbstmord. Deshalb musste sie abtrainiert werden. Und das war gar nicht so einfach.
Vor dem Start mussten die Astronauten den entscheidenden Tag wieder und wieder durchspielen, Schritt für Schritt, hunderte Male, vom Frühstück bis zur Fahrt an die Startrampe. Langsam und schrittweise wurden sie mit jedem Anblick und jedem Geräusch des Starts vertraut gemacht. Sie spielten es so oft durch, dass es irgendwann so natürlich und vertraut war wie das Atmen. Sie simulierten alles, um jede Unbekannte auszuschalten und jede Ungewissheit zu beseitigen.
Wissen ist das wirkungsvollste Mittel gegen Ungewissheit und Angst. Lernen bringt Wissen. Es ist ein Schutzventil. Mit der Erfahrung lassen sich die normalen, angeborenen Ängste beseitigen, die vor allem aus Unwissenheit rühren. Sie ist einfach zu beheben (auch wenn es einen gewissen Einsatz erfordert), und so ist es möglich, unsere Toleranz gegenüber Belastung und Ungewissheit zu erhöhen. John Glenn, der erste amerikanische Astronaut in der Erdumlaufbahn, hielt während seiner fast 24 Stunden im All seinen Puls bei unter hundert Schlägen pro Minute. Dieser Mann saß nicht nur an den Schalthebeln seiner Kapsel, sondern er hatte auch seine Emotionen unter Kontrolle. Er hatte sich zu dem gemacht, was Tom Wolfe später als »ein ganzer Kerl« bezeichnete.
Den gesamten Buchauszug aus dem Buch „Dein Hindernis ist dein Weg“ von Ryan Holiday, finden Sie in der aktuellen Ausgabe vom ERFOLG Magazin 02/2021 -> LINK
Bild: Imago / ITARR-TASS