Person nutzt Braille-Zeile von Computer-Tastatur

Webpräsenz – barrierefreies Surfen

Für die meisten Menschen ist das Internet einfach zu erreichen. Mobile Endgeräte ermöglichen eine einfache Kommunikations- und Informationsoberfläche. Für Menschen mit Behinderung stellt sich dies anders dar. Zum einen können die Geräte das Leben in unterschiedlichen Bereichen erleichtern, zum anderen sind Hürden zu überwinden, da sie verschiedene Bedürfnisse beim Surfen haben.

 

Die Schwierigkeiten beginnen für viele Menschen mit Behinderung bereits bei der Nutzung der Maus oder Tastatur, gehen aber noch weiter über das Verstehen von Texten oder das Anschauen von Videos. Nicht nur für blinde und gehörlose Menschen müssen daher Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit sie trotz den bestehenden Barrieren ebenfalls die Vorteile des Internets und der digitalen Technik nutzen können.

Gerade Unternehmen aus Baden-Württemberg, aus dem Raum Reutlingen, Stuttgart und Tübingen, zeigen, wie es gehen kann. Das „Webdesign Reutlingen“ baut Barrieren ab und zeigt, dass fortschrittliche Technik selbst die größten Hürden überwinden kann.

Richtlinie der EU zur Barrierefreiheit

Das bedeutet, dass die Webseiten so erstellt werden, dass sie von allen Menschen bedient und verstanden werden können. Der Begriff Barrierefreiheit hat sich in diesem Zusammenhang durchgesetzt. Die EU hat in diesem Rahmen im Jahr 2016 eine Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu Webseiten und mobilen Anwendungen verabschiedet.

Mit dieser Richtlinie werden öffentliche Institutionen dazu angehalten, ihre Internetseiten und Smartphone-Apps barrierefrei zu gestalten. So wird es auch für Menschen mit Behinderung einfacher, Webauftritte von Verwaltungs- und Finanzämtern, Gerichten, Bibliotheken, Universitäten oder Institutionen des Gesundheitswesens zu nutzen.

Ausnahmen gibt es aber auch hier, da sich die Umsetzung natürlich nur mit einem deutlichen Mehraufwand bewerkstelligen lässt. Die öffentlichen Stellen werden zwar angehalten, die Barrierefreiheitsanforderungen zu erfüllen, jedoch „nur in dem Maße, dass sie keine unverhältnismäßige Belastung für sie darstellen“ (Begründung 39). Einige Teile der Webseiten mit spezifischem Inhalt müssen also nicht uneingeschränkt barrierefrei zugänglich gemacht werden, wenn es nicht sinnvoll umsetzbar ist. Ebenso ist es für archivierte Inhalte, die nicht mehr aktualisiert werden, nicht nötig, die Barrierefreiheit umzusetzen (Begründung 32). Weiterhin gelten Ausnahmen für Websites und mobile Anwendungen:

  • Von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
  • Von Nicht-Regierungs-Organisationen (NRO), die „keine für die Öffentlichkeit wesentlichen Dienstleistungen oder speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen ausgerichteten oder für diese konzipierte Dienstleistungen anbieten“
  • Von live übertragenen, zeitbasierten Medien
  • (Teilweise) von Schulen und Kindergärten mit Ausnahme von Online-Verwaltungsfunktionen

Die EU-Richtlinie ist bis zum 23.09.2018 auf Grundlage der Europäischen Norm EN 301 549 V1.1.2 „Barrierefreiheitsanforderungen für die öffentliche Beschaffung von IKT-Produkten und -Dienstleistungen in Europa“ umzusetzen.

Hilfsmittel für blinde Menschen

Für Menschen mit Behinderung wird es dann leichter, Webauftritte von öffentlichen Institutionen zu nutzen. Wichtig ist hierbei neben einer guten Bedienbarkeit per Tastatur und einer stetigen Verfügbarkeit von Untertiteln in Videos das Nutzen von Screenreadern. Diese Technologie ermöglicht es blinden Menschen ebenfalls, Texte zu verstehen.

Die Software ist dafür verantwortlich, Bildschirminhalte in Sprache umzuwandeln oder sie auf einer Braille-Zeile lesbar zu machen, die unterhalb der Tastatur angebracht ist (siehe Bild oben). Auf der Braille-Zeile erscheint der Text dann zeilenweise in Blindenschrift.

Die Navigation auf der Website geschieht dabei über Eingaben auf der Tastatur. Mit einem Druck auf den Buchstaben H wird beispielsweise die nächste Headline aufgerufen, die Taste E führt zum nächsten Eingabefeld. Um dieses Vorgehen umzusetzen, ist die Arbeit der Webdesigner gefragt. Eine Überschrift muss im HTML-Format beispielsweise als Headline definiert und kann nicht einfach als fett formatiert sein.

Bei der Darstellung von Bildern hilft der Screenreader ebenfalls. Über einen Alternativtext, der vom Screenreader ausgegeben wird, erhalten blinde Nutzer eine Beschreibung, was auf den Bildern und Grafiken zu sehen ist. Ohne Screenreader sind diese Informationen nicht abzurufen.

Auch Sehbehinderten können Inhalte zugänglich gemacht werden

Auch für Menschen mit einer Einschränkung der Sehfähigkeit lassen sich durch gezieltes Webdesign Vorteile erfahren. Die Größendarstellung durch freie Skalierbarkeit der Texte ist dabei nur ein Baustein.

Je nachdem, wie stark die Beeinträchtigung ist, muss eine gewisse Textgröße möglich sein. Darüber hinaus ist vor allem durch die Einstellung des Kontrastes ein besseres Ablesen möglich. Hier muss natürlich gewährleistet werden, dass nach Änderung des Kontrastes alle Inhalte lesbar bleiben.

Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer Möglichkeiten, Menschen mit Behinderung den Zugang zu Webauftritten zu erleichtern. Dazu zählen beispielsweise:

  • Für gehörlose Menschen:

Untertitel in Videos, Audiodateien in Textform, Inhalte in Gebärdensprache

  • Für Menschen mit Lernschwächen:

Texte in leichter Sprache

  • Für Menschen mit motorischen Einschränkungen:

Bedienbarkeit ohne Maus

Sind private Angebote barrierefrei?

Die EU-Richtlinie verbindet nun die Vorteile der Barrierefreiheit mit einheitlichen Standards für alle Mitgliedsstaaten. Neben den normalen Webauftritten ist ebenfalls die mobile Nutzung den Standards unterworfen, so dass auf allen Endgeräten Barrierefreiheit durchgesetzt wird.

Nur der private Sektor wird ausgeklammert, so dass die Unternehmen an dieser Stelle nur dann selbst ansetzen müssen, wenn sie es für nötig halten. Große Anbieter wie Google oder Facebook haben es bereits vorgemacht. Beispielsweise hat Facebook zahlreiche Funktionen zur Barrierefreiheit wie Screenreader und Untertitel integriert.

Auch Google nutzt einige Tools, um das Surf-Erlebnis auch für Menschen mit Behinderungen optimal zu gestalten. Das fängt bei der Bereitstellung von barrierefreier Software im Chrome-Browser oder dem E-Mail-Service Gmail an und geht über die Suche nach barrierefreien Verkehrsmitteln in Google Maps bis hin zur Unterstützung von Entwicklern und Webdesignern bei der Erstellung von barrierefreien Produkten und Apps.

Dass nicht alle Anbieter von Internetinhalten ihre Darstellung barrierefrei anbieten können, liegt an den beschränkten Ressourcen, die einzelne Blog-Betreiber oder auch kleine Unternehmen haben. Große Online-Shops und soziale Medien, aber auch Banken und Versicherungen sowie Nachrichtenseiten müssen hier noch nachbessern, auch wenn einige Vertreter bereits schon Schritte in die richtige Richtung unternommen haben.

Die Anzahl der Menschen, die auf derlei Hilfsmittel angewiesen sind, ist auch nicht vernachlässigbar. Allein in Deutschland leben über 8 Millionen Menschen mit Behinderung, von denen etwa 80 % das Internet nutzen. Die Zielgruppe für Webauftritte mit Barrierefreiheit ist also groß genug, um Anstrengungen in die Wege zu leiten.

 

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