Wie uns Erziehung am Erfolg hindern kann

Wie uns Erziehung am Erfolg hindern kann

Ein Gastbeitrag von Miriam Hoff

In meiner Praxis als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin erlebe ich sehr oft, wie Kinder unter expliziten aber auch impliziten Erwartungen der Eltern leiden. Vor allem letztere graben sich tief ins Unbewusste und haben dort lebenslang eine immense Macht über uns. Das Perfide daran ist, dass sie uns eben nicht bewusst sind. Wir strampeln und ab, arbeiten hart und erreichen doch oftmals nicht die Erfolge, die zu erwarten wären. Ist dies der Fall, sollten Sie sich fragen, ob nicht unbewusste Blockaden aus der Kindheit daran schuld sein könnten. Fragen Sie sich daher, ob diese fünf möglichen »Aufträge« Ihrer Eltern das Durchstarten in Ihrem Leben verhindern:

  1. Du musst so sein wie ich, um von mir geliebt zu werden

Bedingungslose Liebe – das wünschen wir uns alle. Viele jedoch haben von Kindheit an die Message bekommen, dass sie nur Lob, Anerkennung und Zuneigung erhalten, wenn sie ein Abbild von Mama oder Papa werden. Sie versuchen alles, um die Eltern zufrieden zu stellen. Besonders bei sehr strengen Eltern beobachte ich dies immer wieder: Keine Note ist gut genug, kein Pokal auf Dauer ausreichend, um die ersehnte Liebe zu erhalten. Als Kind tut man oft alles, um von manchmal narzisstisch strukturierten Eltern das zu bekommen, nicht ahnend, dass es nie ausreichend sein wird. Das Traurige daran ist, dass man dann oft in einem Sport oder Beruf endet, der einen nicht glücklich macht und man viel zu spät realisiert, dass all die Bemühungen ins Leere gelaufen sind. Strampeln Sie sich nicht ab, um Erwartungen anderer zu erfüllen – Liebe gibt es nicht für Leistung.

  1. Du musst meine Träume stellvertretend für mich realisieren

Ähnlich wie mit der Klon-Variante der Eltern projizieren die Eltern hier auch eine Erwartungshaltung auf die Kinder.  Das Kind wird instrumentalisiert, um eigene Wünsche und Träume oder nicht vorhandene Talente auszuleben oder zu kompensieren. Auch hier finden wir oft ein fatales Ende, denn irgendwann steht man an einem Punkt im Leben, wo man eigentlich nie hinwollte, und deshalb keinen Erfolg erzielen kann. Fragen Sie sich immer, ob Sie ihre eigenen Träume leben. Es ist und bleibt Ihr Leben und das sollten Sie so glücklich wie möglich leben

  1. Du darfst nicht erfolgreicher werden als ich

Wir erleben Eltern in der Kindheit oft als Autorität und damit über uns gestellt, auch wenn sie das lange nicht mehr sind. Wenn wir erwachsen werden, gibt es immer noch einen kindlichen Teil in uns, der die Eltern immer als weiser, schlauer oder allmächtig erlebt. Wenn wir nun selbst wirklich erfolgreich werden und eine höhere Position und mehr Geld verdienen als unsere Eltern, fürchten wir unbewusst, in Konkurrenz zu ihnen zu treten und somit illoyal zu werden. Nicht selten verbieten wir uns aus genau diesen Gründen (wiederum Angst vor Liebesverlust), weiter zu kommen, weil wir die Bindung zu ihnen nicht riskieren wollen. Machen Sie sich bewusst, dass echte elterliche Liebe gönnt und sich mitfreut. Ist dies nicht der Fall, liegt nicht selten eine Persönlichkeitsstörung, tiefe eigene Kränkungen oder ein Selbstwertdefizit bei den Eltern vor.

  1. Die Welt ist ein gefährlicher Ort

Viele Eltern – vor allem Mütter – neigen dazu, ihre eigenen Ängste auf die Kinder zu projizieren. Manchmal ist es auch ein unbewusster oder bewusster Weg, die Kinder in der Abhängigkeit zu halten. Leider erreichen sie damit oftmals eine große Unsicherheit bei den Kindern, die dann auch im Erwachsenenalter nicht mehr oder nicht so leicht abzulegen ist. Wenn man ständig hört, was alles passieren kann, wie böse und unberechenbar die Menschen sind oder die Welt da draußen ist, fällt es schwer, diese negative Brille nicht auch aufzusetzen. Wir lernen letztlich am Modell unserer Eltern und übernehmen oft auch deren Fokus. Statt optimistisch und lösungsorientiert an Herausforderungen ranzugehen, stecken wir dann auch als Erwachsene oft in übernommenen negativen Denkmustern und verhindern, das zu werden, was wir sein könnten. Fragen Sie sich also immer wieder, worauf ihr Fokus ausgerichtet ist: Problem oder Lösung – Angst oder Zuversicht?

  1. Du darfst mich nicht verlassen

Wenn Eltern sich nur aufs Kind konzentrieren, wird dieses oftmals zum einzigen Lebensmittelpunkt. Diese Eltern opfern sich regelrecht auf, lassen Kinder dann aber auch nicht los. Der Preis für diese Aufforderung kann sehr hoch sein, denn die implizite Erwartungshaltung ist dann oft, dass das Kind lebenslang dankbar sein muss und sich eben nicht selbstständig entwickeln darf. Eine räumliche Nähe zum Elternteil – vor allem wenn dieser älter wird – wird dann sozusagen als unausgesprochener Deal für die Aufopferung in der Kindheit erwartet. Das wiederum hat zur Folge, dass manch einer ein Studium in Wohnortnähe wählt, sich gegen eine Versetzung entscheidet oder eben doch den Typ aus der Nachbarschaft heiratet, weil das ja die Nähe zu den Eltern ermöglicht.  Auch hier gilt: Es ist Ihr Leben, Sie sind nicht verpflichtet, sich für die Eltern aufzuopfern.

Gute Bindungen und eine wertschätzende Beziehung zu den Eltern sind wichtig und richtig, aber nicht auf pathologische, entwicklungshemmende Art. Oft ist es den Eltern selbst gar nicht bewusst, welche Folgen ihr Verhalten für das Leben ihrer Kinder hat. Wahre elterliche Liebe ist selbstlos. Ohne Erwartungen, ohne Projektion und ohne Gegenleistungen. Und ja – fragen Sie sich bei dieser Gelegenheit auch, was Sie wiederum an Ihre eigenen Kinder bewusst oder unbewusst weitergeben. Manchmal kann ein bisschen kritische Selbstreflexion lebensverändernd für die nächste Generation sein.

Über die Autorin: Miriam Hoff ist approbierte Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche und arbeitet als Coach und psychologische Expertin für TV und Print Medien.

Bild: Eva Zocher