Sie sind sicher genauso vom Erfolg fasziniert wie ich, denn Erfolg und Lebensziele sind so individuell wie jeder von uns. Doch eines haben sie alle gemeinsam: Sobald jemand erfolgreich ist, stößt er schnell auf Kritik und Neid – sei es im Bekanntenkreis oder anonym in sozialen Netzwerken. Warum aber ist Erfolg in Deutschland so problematisch?
Unser Schulsystem ist ein Problem, kein Türöffner
Meiner Meinung nach fängt das Problem schon in der Schule an: Wir lernen von klein auf, dass wir erfolgreich sind, wenn wir gute Noten haben. Erfolg in der Schule definiert sich aber nicht nur über einen guten Notendurchschnitt, sondern auch darüber, wie man aus Fehlern lernt. Aber genau das lernen wir nicht. Oder durften Sie schon einmal eine Prüfung wiederholen, um es besser zu machen? Denn darauf kommt es im späteren Leben an: Hinfallen, aufstehen, weitermachen!
Wir sollten auch unser Lehrersystem in Frage stellen. Wann haben Lehrkräfte etwas mit Erfolg zu tun? Wenn sie ihr Examen bestehen, dann werden sie verbeamtet oder angestellt und höchstens an ihren Durchfallquoten gemessen. Sie arbeiten also nicht einmal erfolgsorientiert. Und das ist, wie die letzte Pisa-Studie gezeigt hat, nicht unbedingt zum Vorteil unseres Bildungssystems. Die Schule soll uns auf das Leben vorbereiten. Wir lernen aber nicht einmal, wie man eine Steuererklärung macht.
Unternehmertum: Fehlanzeige
Ein weiteres Manko ist, dass wir in der Schule nichts über Unternehmertum lernen. Die Schüler und damit später auch die Erwachsenen wissen nicht, welche Chancen und Türen sich ihnen damit öffnen, und das macht sich bemerkbar. Zu wenige junge Menschen absolvieren heute eine Handwerkslehre und machen sich anschließend selbstständig. Schlimmer noch: Haupt- und Realschulabschlüsse gelten in vielen gesellschaftlichen Kreisen als minderwertig, viele Kinder werden geradezu zum Studium gezwungen. Ein weiterer Irrglaube: Akademiker verdienen deutlich mehr als Handwerker. Der DIHK allerdings bestätigt, dass sie bis zum Ende ihres Berufslebens im Durchschnitt etwa gleich viel verdienen.
Unser deutscher Akademisierungswahn führt aber dazu, dass mittlerweile jedes zweite Kind aufs Gymnasium geht, um anschließend zu studieren. Und da sind wir schon beim nächsten Problem: Auch im Studium wird den Studierenden Theorie ohne Ende eingetrichtert, aber sie wissen nicht, was sie damit außerhalb der Lehrbücher anfangen sollen. Daran ändern auch die wenigen Praxissemester nichts, sofern sie überhaupt absolviert werden. Auch hier wird Leistung ausschließlich mit Noten honoriert, aber nicht mit wirklich wertvollen Eigenschaften wie Selbstorganisation, strategisches Lösen von Aufgaben und Lernen aus Fehlern. Stures Auswendiglernen für die nächste Prüfung hat noch niemanden in der Arbeitswelt weit gebracht. Der Erwerb dieser Kompetenzen kann zwar durch Coaching nachgeholt werden, besser wäre es jedoch, sie direkt in den Studienplan zu integrieren. Ein Vorreiter auf diesem Gebiet ist die Hochschule Bremerhaven. Im Studiengang »Gründung, Innovation, Führung« werden Studierende schon während des Studiums zu aktiven Unternehmern. Mehr davon bitte!
Der Praxisbezug fehlt
Was also in den Lehrplänen der Schulen und Universitäten fehlt, ist Unternehmertum. Und zwar nicht die Theorie à la »Du brauchst 25.000 Euro, um eine GmbH zu gründen«, sondern, wie man Unternehmertum im Alltag lebt. Dazu gehört zum Beispiel die Wahl der richtigen Rechtsform oder Unternehmensstruktur. Hier kommt es auf die strategische Ausrichtung an, etwa um Gewinne zu optimieren und Risiken zu minimieren. Ein Beispiel: Die wenigsten dürften im Lehrbuch etwas über den Einsatz einer Holding im Mittelstand gelernt haben. Kein Wunder, denn in Deutschland ist sie immer noch eine Seltenheit.
Bloß den Mund halten!
Ich glaube, dass der Umgang mit Erfolg auch eine Frage der Einstellung ist. In anderen Ländern wie den USA beglückwünscht man Menschen zu ihren ersten Millionen. Ganz anders in Deutschland: Vorurteile und Neid sind an der Tagesordnung. Deshalb gibt es in Deutschland auch so wenige unternehmerische Vorbilder, was letztlich auch zur niedrigen Unternehmerquote in Deutschland beiträgt.
Das ist für mich persönlich der Grund, warum ich als Unternehmer und Investor die Öffentlichkeit suche. Ich möchte andere an meinem unternehmerischen Erfolg teilhaben lassen. Auf meinen Social-Media-Kanälen gebe ich Einblicke in mein Unternehmerleben und schreibe regelmäßig Gastbeiträge zu unternehmerischen Themen, um Jungunternehmer auf ihrem Weg zu unterstützen. Denn ich finde es wichtig, Menschen, die erfolgreich sein wollen, zu inspirieren und auf ihrem Weg zu bestärken.
Erfolg ist individuell
Letztendlich haben wir in Deutschland nie gelernt, erfolgreich zu sein. Deshalb haben wir ein so ambivalentes Verhältnis dazu. Dabei ist es so einfach: Es gibt nicht den einen Meilenstein, der Erfolg definiert. Für die einen ist es das Streben nach Reichtum oder Macht. Für den anderen ist es der nächste Marathon oder die eigene Familie. All das hat seine Berechtigung, und wir müssen aufhören, andere für ihre Ziele und Wünsche zu verurteilen. Erfolg ist so individuell wie das Leben.
Der Autor:
Jörg Kintzel ist Unternehmer, Investor und Vorstandsvorsitzender von Valuniq. Als Multi-Unternehmer teilt er sein Wissen auf Social Media und in der Presse.
Beitragsbilder: Nadine Bauer, Depositphotos / AndrewLozovyi