Micaela Schäfer im Interview mit dem ERFOLG Magazin über ihre Karriere, das Show-Geschäft und warum für sie Alkohol am Set ein absolutes No-Go ist.
Du bist ja ursprünglich gelernte Pharmazeutisch Kaufmännische Angestellte, warum hast du dich dafür entschieden? Was hat dich daran interessiert?
Ich habe mich eigentlich gar nicht dafür interessiert, ich wollte schon immer nur berühmt werden. Meine Mutter war natürlich gar nicht amused, als sie das gehört hat. Sie hat gesagt, okay, du kannst gerne berühmt werden wollen, aber mach bitte erst einmal eine Ausbildung. Da war ich 16 und habe eine rausgesucht, die für mich relativ einfach aussah, weil ich wusste, ich will das alles gar nicht, ich will einfach nur berühmt werden. PKA schien mir eigentlich recht entspannt.
Aber das Kaufmännische hat dich auch interessiert?
Nein, gar nicht. Ich hatte eine Sechs in Mathe. Mein Abschlusszeugnis war eine Katastrophe. Ich bin bis heute geschockt, wie ich mit so schlechten Noten in meinem Abgangszeugnis einen Ausbildungsplatz bekommen habe.
Und während der Ausbildung, warst du da ähnlich schlecht?
Ich bin sehr diszipliniert. Ich hatte auch ein tolles Team, einen tollen Chef und echt ein schönes Ambiente dort in Berlin. In Apotheken fühlt man sich wohl. Man kommt rein, alles ruhig und sauber, alle sind nett. Ich habe es durchgezogen, aber nur um meine Mutter zu beruhigen. Im Kopf hatte ich schon ganz andere Sachen.
Was war denn das Nächste, was du nach der Ausbildung gemacht hast?
Ich versuchte, berühmt zu werden. Ich war 19. Ich habe erstmal Nebenjobs gemacht, im Fitness-Studio gearbeitet, gekellnert, in Clubs an der Garderobe gearbeitet – alles, nur keinen festen Job, damit ich flexibel sein konnte, zu Castings und Misswahlen gehen konnte. Ich habe mich überall beworben, wo es ging.
Das heißt, du hast dir Gedanken gemacht, wie du Stück für Stück in die Öffentlichkeit kommen könntest? Damals war ja mit Social Media noch nichts.
Als ich 19 war, das war vor 17 Jahren, da gab es noch kein Trash-TV, kein Reality-TV. Das heißt, du musstest eigentlich was können, um ins TV zu kommen. Love Island, Temptation Island – heutzutage hat jeder Blödel die Chance ins TV zu kommen, auch wenn er gar nichts kann. Das gab es damals nicht. Du musstest entweder Schauspielerin sein, Moderatorin oder Comedy können und das war es eigentlich schon.
Aber irgendwann kam ja dann Germanys next Topmodel, da hast du mitgemacht. Wie lief das ab? War das einfach oder schwer?
Als ich die Werbung gesehen habe, Heidi Klum macht eine Show – die allererste – bewerbt euch, habe ich sofort die Bewerbung abgeschickt. Ich war so selbstbewusst. Ich wusste, die nehmen mich, weil ich auch eine etwas provokante Werbung gemacht habe. ProSieben ist so eine Sparte, die brauchen Mädels, die auch mal den Mund aufmachen; es ist ja eine Unterhaltungssendung. Ich war zwar die Älteste, aber ich wurde direkt genommen. Das war mein Einstieg ins TV-Business, aber nicht so erfolgreich. Ich bin Achte geworden. Es hat auch für viel Furore gesorgt, als während der Show Nacktfotos herausgekommen sind. Ich bin im Gedächtnis geblieben.
Du hast gesagt, du bist sehr diszipliniert und strategisch und hattest dein festes Ziel. Wie hart warst du in der Show, auch im Vergleich zu deinen Konkurrentinnen? Würdest du sagen, du bist da straight vorgegangen nach dem Motto „Ich oder keine“?
Nein, gar nicht. Ich war ja erst 21. Da ist man noch nicht so versiert und abgedroschen. Man weiß noch gar nicht, wie das Medien-Business funktioniert. Ich hätte eigentlich noch viel mehr rausholen können, so im Nachhinein gesehen. Ich habe danach fast sechs Jahre kein Geld verdient. Es war eine absolute Vollkatastrophe nach Top Model.
War das denn kein Sprungbrett?
Alle denken das ja, aber damals nicht. Jetzt schon. Jetzt haben sie ja alle gleich 300.000 Instagram-Follower und machen einen auf Influencer. Aber damals? Ich konnte davon nicht leben und habe danach sechs Jahre lang ganz normal gearbeitet.
Du hattest aber während der ganzen Jahre fest vor Augen, dass du es ins Show-Geschäft, in die Öffentlichkeit, schaffen wirst?
Ich wusste immer, ich will berühmt werden und auch davon leben können. Ich wusste das, ich wusste aber lange Zeit nicht, mit was, weil eben ganz klar war, ich habe keine Schauspielausbildung und ich will das auch nicht, weil ich mir keine Texte merken kann. Deshalb fallen da mal Sängerin, Schauspielerin, Moderatorin weg. Zu dem Zeitpunkt gabs auch noch keine Spielerfrauen, keine Trashs. Es war schwer. Dann habe ich gemerkt, bei Top Model hat der Nacktskandal ziemlich viel Presse gebracht. Vor Top Model war ich bei der Miss Germany Wahl. Da bin ich auch wegen Nacktfotos rausgeflogen und hatte mehr Presse als die Miss Germany. Da dachte ich mir, okay, Nacktheit funktioniert, das polarisiert anscheinend. Okay, werde ich jetzt einfach mal Nackt-Model.
Und dafür hast du auch eine natürliche Affinität?
Ja, absolut.
„Berühmt werden“ ist ja erst einmal nur eine Überschrift. Was ist denn das ultimative Ziel dahinter? Unterhaltung? Welches Gefühl dabei macht dich glücklich?
Es ist einfach aufregend!
Also Abenteuer?
Absolut! Das ist kein Job, den man so jeden Tag ausführt. Egal, was ich sonst gemacht hätte – als PKA hätte ich jeden Tag gewusst, ich fange um Acht an und habe um 17 Uhr Feierabend und ich habe das Gehalt am Monatsende. Ich werde nicht leistungsbezogen bezahlt. Wenn du angestellt bist und die Arbeit deiner kranken Kollegin mitmachst, hast du am Monatsende trotzdem nicht mehr. Das wollte ich nicht. Wenn du in diesem Business selbständig und gut bist, verdienst du viel, wenn du schlecht bist, verdienst du halt nichts. Ich bin bereit, viel zu arbeiten, aber dann will ich auch gut verdienen. Das Geld spielte immer eine große Rolle.
Jetzt ist Deutschland manchmal eher prüde und kritisch. Wie konntest du damit umgehen? Geht dir das eher am Arsch vorbei oder machst du dir Gedanken, wenn die Leute sagen: „Wie kann man nur Erotik machen, wie kann man nur immer auf diese Art im Mittelpunkt stehen?“
Gerade davon profitiere ich ja. Ich finde es ja toll, dass die Leute das nicht immer gut finden. Wenn ihnen das total egal wäre, wäre ich nicht berühmt geworden. Ich finde es gut, wenn sie wieder über Fotos diskutieren, weil es ihnen zu aufreizend ist, wenn ich mich nackig vors Hamburger Tor stelle. Das ist toll, davon lebe ich. Ich fühle mich in Deutschland echt wohl. In anderen Ländern könnte ich das Business Nacktmodel nicht so vorantreiben. Ich war zum Beispiel einmal in London und habe mich da freizügig in einem Park gezeigt. Da kam sofort die Polizei, auch sehr aggressiv. Das ist mir in Deutschland noch nie passiert. Da kommt gar keiner.
Wurdest du verwarnt oder direkt mitgenommen?
Ich wurde verwarnt. Das kannte ich nicht. Ich dachte, London ist eine Weltstadt, da kann man mal so ein paar Fotos machen. Gar nicht! In Berlin ist das kein Problem. Brandenburger Tor? Da habe ich mich zehn-zwanzig Mal oben ohne hingestellt. Da wimmelt es ja vor Polizei, aber da hat keiner was gesagt.
Wie sehr bist du denn neben dem Model sein auch Geschäftsfrau?
Muss ich auch sein, weil, ich verdiene Geld mit zwei Brüsten und die hat erstmal jede Frau auf der Welt. Das heißt, ich habe erstmal nichts, was andere nicht haben. Ich habe zwei Brüste, die ich sehr oft zeige. Klar, daraus muss ich natürlich Kapital schlagen. Zum Glück macht es nicht jede Frau. Seit acht Jahren warte ich auf Konkurrenz und denke immer, oh Gott, ich bin 36, jetzt kommt so eine Zwanzigjährige aus dem Bachelor und macht genau das gleiche. Aber das macht keine. Das ist für mich sehr kurios.
Wie ist denn die Geschäftsfrau Micaela Schäfer? Wie ist es denn, wenn man mit dir Geschäfte macht, wenn man dich bucht für irgendwelche Kampagnen?
Ich habe natürlich einen Manager, der für mich verhandelt, aber ganz klar natürlich immer in Absprache mit mir. Er fragt mich immer, wollen wir das machen oder nicht. Letztendlich redet der Kunde dann auch mit mir, sieht aber einen anderen Menschen vor sich. Ich habe da schon sehr die Hand drauf. Ich weiß natürlich auch, dass ich die einzige Nackte in Deutschland bin, und dementsprechend schaue ich auch, dass es relativ gute Gagen gibt. Ganz klar. Ich lebe von meinem Aussehen, bin 36 und irgendwann
Was sind deine Erfolgsprinzipien, die dir in deinem Alltag wichtig sind?
Diszipliniert sein, ehrgeizig sein, niemals aufgeben, auch wenn man der Letzte ist, der daran glaubt. Ich habe auch oft Ideen, da sagen andere, das funktioniert nicht. Das ist mir aber egal, ich mach es trotzdem. Dann falle ich halt auf die Nase. Bis jetzt ist das noch nicht so oft passiert, gottseidank. Immer gucken, dass man eine Monopolstellung hat. Also nie zu etwas hinreißen lassen, das alle machen, nur weil es eben viel Geld gibt. In meinem Fall wäre das also, einen Porno zu drehen. Wie viele Porno-Angebote ich schon bekommen habe, für wirklich wahnsinnig viel Geld. Da hätte ich mich natürlich hinreißen lassen können, für eine halbe Million für einen Tag drehen, super, nehme ich mit. Aber dann bin ich eben eine von Hunderttausend Pornodarstellerinnen. Das heißt, mein Alleinstellungsmerkmal hätte ich verloren. Ich würde niemals mehr gebucht werden von der Zahnarzt-Messe, die das noch lustig finden, die Schäfer zeigt ihre Brüste – oh Gott nein, wir buchen keine Porno-Darstellerin, aber wir buchen die Nacktschnecke, das ist smart, das ist süß. Ich hätte wahnsinnig viele Kunden verloren. Das hätte sich dadurch finanziell nicht rentiert und auch nicht vom Image. Dann würde mich auch keine Bunte und keine Gala mehr abdrucken – nichts mehr!
Wie eng ist denn da die Grenze zu diesen Webcam-Geschichten?
Ich bin das berühmteste Webcam-Girl Deutschlands. Ich habe mich auch lange davor gesträubt. Bis ich dann gemerkt habe, dass die Fans gerne mit mir kommunizieren wollen. Ich bin ein bisschen Social Media-faul. Ich gehe nie bei Instagram oder Facebook live. Ich denke mir immer, was soll ich mich jetzt da eine Stunde hinstellen und mit denen reden? Und ich verdiene ja kein Geld dabei. Bei Webcam können die mit mir reden, mich dann auch nackt sehen. Bei Instagram und Facebook nicht, wegen der Richtlinien. Und ich verdiene sogar noch Geld dabei. Ich habe das ausprobiert und es funktioniert. Leute melden sich an, die können vier Mal im Monat eine Stunde lang mit mir quatschen. Ich bin nackt vor der Cam, aber nichts Pornografisches – es wird super angenommen.
Ich weiß nicht, ob das ein Geschäftsgeheimnis ist, aber was macht jemand so Bekanntes wie du mit einer solchen Session für einen Umsatz?
So viel, dass ich mittlerweile drei Eigentumswohnungen in Berlin habe und die Vierte in zwei Jahren kaufen werde. Nur in Berlin, weil da kenn ich mich aus. Ich mache ja nicht nur Webcam. Mein anderes Modell ist, als Topless-DJ in Clubs aufzulegen. Ich habe auch noch Erotikfilme, Erotikclips, die ich vermarkte und natürlich auch viel Merchandise wie Bildwände und Kalender. Jetzt kommt ein Lutscher raus, dann noch ein Sex-Toy von mir. Ich release jetzt zwei Kartenspiele von mir. Ich mache also recht viel Lizenzgeschäft.
Wenn du sagst, du bist sehr diszipliniert, kommt das von Natur aus, oder hast du das trainiert?
Ich wurde von meiner Mutter so erzogen, die ist auch sehr akkurat. Ich bin ohne Vater, in sehr ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Ich hatte nichts als Kind, kein eigenes Zimmer, keinen Fernseher, nichts. Ich wollte aber immer mehr. Meine Mutter hat gesagt, wenn du mehr willst, musst du wirklich hart arbeiten. Anders geht’s nicht. Klar kannst du auch Lotto spielen und warten, dass du einen reichen Typen bekommst. Aber das ist dann eben nicht dein Geld. Wenn er dich verlässt, dann stehst du da. Es macht mir auch einfach Spaß. Mich macht es glücklich, dass ich Stammkunden habe. Das ist für mich auch eine Bestätigung. Ich weiß, dass die mich nicht buchen, weil ich die Hübscheste bin, sondern weil sie wissen, auch wenn der Flug um sechs Uhr morgens geht, die Schäfer nimmt den Flieger und ist gut gelaunt um acht Uhr am Set und das dann zwölf Stunden lang. Es gibt genug Mädchen, die hübscher, dünner oder sonst was sind.
Das klang im Gespräch schon die ganze Zeit durch: Du bist sehr selbstkritisch.
Ja natürlich. Ich gehe ja auch auf die Venus Erotikmesse, da sehe ich die ganzen Zwanzigjährigen. Klar sind die alle straffer. Aber die sind halt alle nicht diszipliniert. Die saufen dann am Tag vorher und kommen erst um 14 Uhr auf die Messe. Ich bin ab acht Uhr da und trinke nichts.
Trinkst du grundsätzlich nichts, oder nur während der Arbeit nicht?
Während der Arbeit eh nicht, und auch nicht, wenn ich am nächsten Tag arbeiten muss. Das ist ja Medienbranche, da wird das irgendwie nicht so ernst genommen, da wird andauernd abends gesoffen. Für mich ist das ein absolutes No-go. Ich trinke keinen Alkohol, wenn ich weiß, ich muss am nächsten Tag arbeiten. Ich finde das einfach komisch, wenn jemand mit einer Alk-Fahne ans Set kommt. Niemand sagt was aber ich weiß, was sich die Leute denken, und was dann rumgesprochen wird. Ich will niemals so einen blöden Ruf haben wie Naddel oder Jenny Elvers. Da bin ich lieber die Nackte, aber nicht die Versoffene oder die, die sonst was macht. Ich will niemals so einen blöden Ruf haben wie Naddel oder Jenny Elvers. Da bin ich lieber die Nackte, aber nicht die Versoffene oder die, die sonst was macht.
Bilder: Medienwerft
Das Interview mit Micaela Schäfer erschien in der ERFOLG Magazin Ausgabe 06/2019.
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