Torsten Heinrich: »Ich versuche mich vor allem an meinem Spiegelbild zu messen«

Torsten Heinrich: »Ich versuche mich vor allem an meinem Spiegelbild zu messen«

Thorsten Heinrich ist Militärhistoriker und ein ehemaliger, deutscher Politiker. Seit seinem Austritt aus der Politik im Jahr 2022 ist er unter dem YouTube-Kanal »Militär & Geschichte mit Torsten Heinrich« bekannt (@MilitärGeschichte). In diesem informiert er seine 164.000 Abonnenten vor allem über die aktuelle Lage der Ukraine. Uns hat er im Interview verraten, was er als Influencer erst noch lernen musste und warum er sich lieber an sich selbst, statt an anderen Personen misst.

Viele junge Leute haben heutzutage den Traumjob »Influencer«. Was war Ihre Motivation, diesen Berufsweg einzuschlagen?

Es war von meiner Seite nicht geplant und nicht erwartet, zu einem »Influencer« zu werden. Ich habe zwar seit 2003 gebloggt, dann ab und an mal Artikel für Onlinemedien und Journale geschrieben, aber eine vergleichbare und vor allem konsistente Reichweite nicht erwartet. Ich beobachte Konflikte aus eigenem Interesse seit Jahrzehnten und habe Vergleichbares bereits zum Zweiten Bergkarabach-Krieg 2020 getan, damals aber nur auf meiner Facebook-Seite vor vielleicht ein- bis zweitausend Lesern. Ein Bekannter schlug mir einen Tag vor Kriegsbeginn vor, doch zu dem Thema etwas auf YouTube zu machen. Dort habe ich dann einfach meine, ohnehin erfolgte, Beschäftigung mit dem Thema wie ein Tagebuch geführt, bevor es so groß wurde, wie es heute ist.

Was hätten Sie zu Beginn Ihrer Karriere als Influencer gerne gewusst? Für welche Tipps wären Sie sehr dankbar gewesen?

Da ich das Ganze nicht als 14-Jähriger begonnen habe, tatsächlich relativ wenig. Dass das Internet ein Ort ohne Benehmen ist und anonyme Hanswurste einen belehren oder persönlich angreifen werden, sollte niemanden mehr überraschen. Allenfalls bemerkenswert wäre gewesen, früher zu akzeptieren, dass ich das Rad nicht neu erfinden kann. Trockene Videos mit einem Nennen der Zeit nach Weltuhr zu Beginn, immer gleiche Thumbnails, etc. werden in der Aufmerksamkeitsökonomie immer Nachteile haben. Es mag einem persönlich widerstreben, Click-Baiting zu machen, aber als »Influencer« (ich finde den Begriff immer noch seltsam) muss man akzeptieren, dass man sich in einem Wettbewerb mit Millionen anderen Videos befindet. So gut die eigenen Inhalte auch sein mögen, wenn wegen schlechten Titels und Thumbnails nie daraufgeklickt wird, scheitert man. Wenn man den Zuschauer wegen eines langweiligen Beginns in den ersten sieben Sekunden verliert, scheitert man. Hier muss man leider mit dem Strom schwimmen. Hätte ich dies früher akzeptiert, wäre ich heute sicherlich mindestens ein Drittel größer.

Welche Charaktereigenschaften und Fähigkeiten sollte ein Influencer vorweisen können, um erfolgreich zu werden?

Angesichts der Vielzahl an unterschiedlichen Charakteren in diesem Bereich ist eine pauschale Antwort wohl kaum möglich. Der beste Weg zum Erfolg dürfte aber Authentizität, Begeisterung für das Thema und Durchhaltefähigkeit sein. Die meisten werden nicht mit dem dritten Video groß, sondern vielleicht mit dem dreißigsten oder dem dreihundertsten. Wer vorher aufgibt, der wird nie erfolgreich! Wer charakterlich etwas spielt, das er nicht ist, weil er sich bei den Großen abschaut, hat vermutlich nicht dieselbe Authentizität und damit Zuschauerbindung, verglichen zu dem, der glaubwürdig ist. Ich halte das Duzen von Wildfremden für unangebracht und sieze daher auch auf YouTube. Das ist sehr ungewöhnlich und irritiert anfangs die Zuschauer. Es entspricht aber meinem Charakter und hat sich daher zu einem Markenzeichen entwickelt. Dies wäre ein Beispiel dafür.

Inwiefern beeinflussen Influencer die Educational-Branche?

Keine Ahnung. Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich versuche, meinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden und meinem Zuschauer gegenüber respektvoll zu bleiben, was Qualität und Korrektheit der Beiträge angeht. Das ist für mich der Maßstab. Was ansonsten passiert interessiert mich auch nicht wirklich.

Influencer sind für viele Menschen gleichzeitig Vorbilder. Lassen Sie sich auch selbst durch andere Influencer beeinflussen oder haben Sie Ihre persönlichen Idole woanders gefunden? Wie gehen Sie mit Kritik um?

Vermutlich bin ich auch durch andere Influencer beeinflusst, aber nicht bewusst. Meine persönlichen Idole sind eher außerhalb dieses Bereichs. Henryk M. Broders spitze Zunge verehre ich. Außerdem kam mein alter Professor Franz Fuchs aus Würzburg einem Universalgelehrten so sehr am nächsten, dass jeder, der bei ihm studiert hat, davon beeindruckt war, dass Prof. Fuchs einmal zu mir sagte: »Herr Heinrich, heute habe ich etwas von Ihnen gelernt.« Seine ruhige Art und sein gewaltiges Wissen haben mich immer sehr beeindruckt.

Wissen und Rhetorik wären also die beiden wichtigsten Anhaltspunkte für mich. Ansonsten versuche ich mich vor allem an meinem Spiegelbild zu messen. Am Ende ist ein Mann sich selbst gegenüber verantwortlich und sollte sich nicht an den Maßstäben anderer messen. Heute besser zu sein als das Spiegelbild von gestern sollte ein Ziel sein – nicht wie Person XYZ zu sein.

Kritik muss ich inzwischen weitgehend ignorieren, weil ich mich im Internet bewege und die tatsächliche Kompetenz der Kritiker bei Sachthemen dank voller Anonymität meist nicht ersichtlich ist. Zu oft sind Kritiker auf dem ersten Berg des Dunning-Kruger-Effektes und treten mit der entsprechenden Selbstsicherheit auf. Dazu – erneut – bewege ich mich ja im Internet. Beleidigungen, Unverschämtheiten, Drohungen, ja, sogar Morddrohungen sind bei rund 2.500 Kommentaren pro Video alltäglich. Wenn ich das lesen und an mich heranlassen würde, würde ich wahnsinnig werden. Kritik schätze ich also weiter, aber nur von dem ausgewählten Kreis, der sich meinen Respekt erworben hat. Den Rest lasse ich nicht an mich heran. Das ist einer der Nachteile des Erfolges, denn natürlich wäre unter den ignorierten Kommentaren sicher immer wieder einer, von dem ich etwas lernen könnte.

 

Bild: Torsten Heinrich