Der blinde Fleck der Selbstführung

Der blinde Fleck der Selbstführung

Ein Gastbeitrag von Christian Fuchs

Führung wird oft als etwas beschrieben, das sich im Außen zeigt, in Entscheidungen, in Meetings, in der Kommunikation mit Mitarbeitern oder in der Steuerung von Prozessen. Doch eine der zentralen Führungsaufgaben bleibt häufig unsichtbar, weil sie im Schatten der äußeren Anforderungen steht, die eigene Selbstführung.

Was auf den ersten Blick selbstverständlich klingt, entpuppt sich in der Praxis als blinder Fleck. Denn wer führen will, muss sich selbst kennen, nicht nur an der Oberfläche, sondern in der Tiefe, mit Stärken, Schatten, Mustern und Grenzen. Viele Führungskräfte richten ihre Aufmerksamkeit fast ausschließlich nach außen. Sie organisieren, planen, entscheiden und übersehen, wie sehr ihr eigenes Innenleben das Führungsverhalten prägt.

Selbstführung ist mehr als Zeitmanagement

Oft wird Selbstführung auf Effizienzthemen reduziert, Zeitmanagement, Prioritätensetzung, Stressbewältigung. Diese Kompetenzen sind wichtig, doch sie greifen zu kurz. Echte Selbstführung meint etwas anderes, die Fähigkeit, sich selbst innerlich zu ordnen, sich bewusst zu regulieren, klar zu bleiben, wenn es unübersichtlich wird, und in Kontakt mit den eigenen Motiven, Emotionen und Reaktionsmustern zu stehen.

Gerade in komplexen Führungsrollen ist diese innere Stabilität entscheidend. Wo Unsicherheit wächst, braucht es nicht nur Fakten, sondern Haltung.

Führung beginnt mit innerer Klarheit

Selbstführung ist die Basis für äußere Wirksamkeit. Wer sich selbst nicht führen kann, verwaltet andere nur. Entscheidungen bleiben diffus, Kommunikation wird unklar, Präsenz wirkt instabil. Führungskräfte, die innerlich unaufgeräumt sind, senden unbewusst widersprüchliche Signale. Sie fordern Eigenverantwortung, leben aber Kontrolle. Sie sprechen von Klarheit, handeln jedoch aus Unsicherheit. Sie wollen Vertrauen aufbauen, können es aber nicht halten.

Der Schlüssel liegt in der bewussten Auseinandersetzung mit der eigenen Person, nicht als Selbstoptimierungsprojekt, sondern als Ausdruck von Verantwortung.

Die unsichtbare Wirkung innerer Unordnung

Was viele unterschätzen: Innere Unordnung wird sichtbar, auch wenn sie nicht ausgesprochen wird. Teams spüren, ob ihre Führungskraft präsent ist, ob sie klar in der Haltung, ehrlich im Ausdruck, geerdet in der Entscheidung ist. Führung ist nicht nur Kommunikation, sondern Ausstrahlung. Nicht nur Strategie, sondern Schwingung.

Genau hier liegt die Bedeutung von Selbstführung, Sie entscheidet über die Qualität der Resonanz zwischen Führung und Geführten. Wer innerlich unklar ist, erzeugt Unklarheit im System. Wer innerlich kämpft, übertr.gt Spannung auf das Team. Wer sich selbst nicht hält, kann andere nicht begleiten.

Selbstführung braucht Bewusstsein, nicht Kontrolle

Ein häufiger Irrtum besteht darin, Selbstführung mit Kontrolle zu verwechseln. Wer versucht, sich ständig zu disziplinieren, verliert den Zugang zur eigenen Intuition. Es geht nicht darum, sich zu optimieren, sondern sich zu verstehen.

Selbstführung bedeutet, eigene Muster zu erkennen, emotionale Reaktionen einordnen zu können, Triggerpunkte zu verstehen, innere Antreiber zu hinterfragen und die Fähigkeit zu entwickeln, sich selbst in Stress, Druck und Unsicherheit stabil zu halten. Dafür braucht es kein psychologisches Studium, sondern ehrliche Reflexion und die Bereitschaft, sich als Mensch genauso ernst zu nehmen wie als Führungskraft.

Der Mut zur Selbstbegegnung

Viele Führungskräfte scheuen die Auseinandersetzung mit sich selbst, nicht aus Desinteresse, sondern aus Angst. Wer hinschaut, entdeckt auch Schattenseiten, Zweifel, Unsicherheiten, Kompensationen. Doch genau darin liegt der Weg zur echten Stärke. Wer sich kennt, kann sich führen. Wer sich führen kann, strahlt Klarheit aus, ohne laut zu sein.

Selbstführung ist keine Schwäche, sondern ein Zeichen von Reife. Sie ersetzt keine Fachkompetenz, macht sie aber wirksam. Denn nur wer bei sich ist, kann für andere da sein.

Führungspersönlichkeit ist keine Frage der Rolle

In vielen Organisationen wird Führung über Rollen, Titel und Zuständigkeiten definiert. Doch echte Führung beginnt woanders, bei der Persönlichkeit. Diese Persönlichkeit entwickelt sich nicht durch äußere Anforderungen, sondern durch innere Arbeit.

Wer wachsen will, muss sich stellen, dem eigenen Tempo, dem eigenen Anspruch, der eigenen Angst. Selbstführung ist kein Projekt mit Anfang und Ende. Es ist ein fortlaufender Prozess, mal anstrengend, mal erkenntnisreich, immer lohnend.

Fazit – Wer sich nicht selbst führen kann, wird geführt

In einer Welt, die sich immer schneller dreht, braucht es Menschen, die innerlich stabil bleiben. Nicht perfekt, aber präsent. Nicht unfehlbar, aber verantwortungsbereit. Nicht angepasst, aber klar.

Selbstführung ist kein Luxus. Sie ist die Voraussetzung für Vertrauen, Orientierung und Wirksamkeit und damit das Fundament jeder echten Führung. Denn wer sich selbst nicht führen kann, wird früher oder später von äußeren Kräften geführt von Erwartungen, von Druck, von Angst. Echte Leadership beginnt innen. Alles andere ist Fassade.

 

Der Autor: Christian Fuchs ist Leadership Mentor, Erfinder des Mentex Code und Gründer der Christian Fuchs Academy. Der Top-Experte unterstützt Führungskräfte mit seinen Methoden und seiner LEADERSHIP.Inventur® dabei, Unternehmenskulturen nachhaltig zu stärken.

 

Bilder: Christian Fuchs, Depositphotos / undrey