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Ein Buch ist fast eine Leichtigkeit

Meine Mutter hatte eine ganze Schachtel voller Kochrezepte aus Ihrer alten Heimat gesammelt. Eines Tages hat sie die Schachtel ausgeschüttet, die Rezepte abtippen lassen und als Buch veröffentlicht. Das Buch wurde ein Besteller und über 40.000 Mal verkauft. Meine Mutter hat sich von den Einnahmen ein neues, schickes Auto gekauft.

So einfach, oder fast so einfach, kann es mit einem Buch gehen. Jeder erwachsene Mensch kann ein Buch schreiben, denn jeder Mensch hat schon viel gesehen, erlebt, erfahren oder viele Rezepte oder was auch immer in einer Schachtel aufgehoben. Das Buch ist ja schon da, es existiert ja schon längst im Kopf jedes Einzelnen, es muss nun nur noch hervorgebracht, erzählt und gedruckt werden. Denn jeder hat ein Hobby, eine Vorliebe, eine Neigung, eine Rezept- oder Zinnsoldatensammlung oder eine Lebensgeschichte, über die es zu berichten gilt.

All die Erfahrungen, die jeder Einzelne hat erleben dürfen, können ein Buch füllen. Sind es sogar wert, in einem Buch gedruckt zu werden.

Dabei muss das, was jeder zu sagen hat, gar nichts Neues sein. Es geht nicht darum etwas Neues, Unbekanntes zu schreiben, sondern das Bekannte aus dem eigenen Blinkwinkel wieder zu geben.

Und manchmal können Bücher die Welt verändern und sogar ein wenig besser machen. So wie bei Henry Dunant, einem Schweizer Geschäftsmann, der im Juni 1859 auf einer Geschäftsreise Zeuge der erschreckenden Zustände unter den Verwundeten nach einer Schlacht zwischen der Armee Österreichs sowie den Truppen Sardinien-Piemonts und Frankreichs wurde. Erschüttert über die Ereignisse schrieb er ein Buch mit dem Titel „Eine Erinnerung an Solferino“. Daraufhin kam es ein Jahr später in Genf zur Gründung des Internationalen Komitees der Hilfs-gesellschaften für die Verwundetenpflege, das seit 1876 den Namen Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) trägt. Die 1864 beschlossene Genfer Konvention geht wesentlich auf Vorschläge aus Dunants Buch zurück. Auch Henry Dunant hat lediglich seine Erinnerungen und Erlebnisse festgehalten.

Ja, ein Buch kann die Welt verändern. Und es geht schneller als man denkt: Angenommen, man würde sich ein ganzes Wochenende auf eine Berghütte zurückziehen und seine Gedanken formulieren, dann wäre das Buch doch schon fast fertig. Die meisten Menschen tun sich mit einem solch pragmatischen Ansatz schwer, weil sie von Anfang an perfekt sein wollen. Jede Zeile, jedes Wort. Dabei kann uns das gar nicht gelingen. Denn aller Anfang ist nicht perfekt und muss es auch nicht sein. Am Ende darf es das sein. Am Anfang geht es um die ersten Formulierungen, die wir dann später verbessern. Menschen haben eine hohe Verbesserungs-Kompetenz, aber eine grauenhaft schlechte Erschaffens-Kompetenz. Wenn Sie einem Menschen sagen: Schreib mal einen Brief! Also keinen Standardbrief, sondern einen, bei dem man etwas Neues formulieren muss. Dann tun sich 90 Prozent der Leute extrem schwer. So ein weißes Blatt ist teuflisch schwierig schwarz zu bekommen! Wer nicht weiterweiß, der bildet einen Arbeitskreis. Wenn Sie demselben Menschen einen fertigen Entwurf geben, dann wissen die meisten genau, wie man ihn besser schreiben könnte. Denn Verbessern ist unsere große Stärke. Wir müssen einfach einmal anfangen, weil es uns dann leichter fällt, die Dinge zu verbessern und fertig zu machen. Unperfektion ist der beste Schritt zur Qualität. Es ist viel leichter, einmal schlechte Qualität aufzuschreiben, denn dann hat man zumindest etwas, was man verbessern kann. Sonst wartet man oft vergeblich auf das Gute.

Und wer sich kein Wochenende Zeitnehmen mag, der kann jeden Abend eine einzige Seite schreiben. Das ist nicht besonders viel oder gar schwer, und dennoch ist nach einem halben Jahr das Buch dann auch schon fertig.

Und warum nicht einfach aus dem Alltag greifen: Richard David Precht hat philosophische Ansätze zusammengetragen und in dem Buch „Wer bin ich – und wenn ja, Wie viele?“ millionenfach verkauft. Ähnlich, wie Giulia Enders, die als Medizinstudentin das universitäre Wissen in „Darm mit Charme“ verarbeitete und damit die Bestseller-Listen stürmte. Also, eigentlich ganz einfach, oder? Wann wird Ihr Buch auf der Bestsellerliste stehen?

 

Autor: Hermann Scherer

Bilder: diego_cervo/depositphotos, Scherer