Arbeitgeber stehen heute vor anderen Herausforderungen als noch vor einigen Jahren. Die Wirtschaft befindet sich in einem Wandel, und wer sich dem Thema Digitalisierung nicht stellt, wird bald den Anschluss verlieren. Hinzu kommt, dass der Fachkräftemangel Unternehmer in die ungewohnte Rolle des Suchenden zwingt. Business as usual ist daher nicht der richtige Weg. Wie das Siegel „Arbeitgeber der Zukunft“ Unternehmern schnell hilft, erklärt Arbeitsmarkt-Expertin Ines Woermann vom Deutschen Innovationsinstitut für Nachhaltigkeit und Digitalisierung (DIND) in unserem Interview.
Frau Woermann, immer wieder ist derzeit vom »War of Talents« auf dem Arbeitsmarkt die Rede. Ist es wirklich so schlimm?
Das haben wir uns als Institut auch gefragt. Deswegen haben wir eine breit angelegte Umfrage unter »Arbeitgeber der Zukunft«-Unternehmern gestartet. Das Ergebnis ist tatsächlich erschreckend. Aktuell haben wir in Deutschland laut Statistik 630.000 unbesetzte Stellen. Zur Einordnung: Das entspricht der Einwohnerzahl von Stuttgart. Das Problem wird sich in den kommenden zehn Jahren durch den demografischen Wandel noch weiter verschärfen, denn die Baby-Boomer-Generation geht aus dem Arbeitsmarkt raus und die geburtenschwächeren Jahrgänge kommen jetzt nach. Das wird uns noch massiv beschäftigen.
Ihre aktuelle DIND-Studie hat ergeben, dass die Wechselbereitschaft unter Angestellten mit 25 Prozent sehr hoch ist. Wie wirkt sich das in der Praxis aus?
Das hat zwei Seiten. Zum einen gibt es Unternehmen, die sehen müssen, dass sie ihre Mitarbeitenden halten, und dass deren Anforderungen erfüllt werden. Auf der anderen Seite gibt es auch Spielraum für die Unternehmen, die aktuell Personal suchen. Und die, die wechselbereit sind, sind sozusagen die Unternehmer von morgen. Deshalb ist es wichtig, dass man sich als Unternehmen wirklich sichtbar macht und sich positiv auf dem Arbeitsmarkt darstellt.
Welches Unternehmen gewinnt und behält letztlich die besten Mitarbeiter?
Aus unserer Sicht sind vor allem die großen Unternehmen, die eine hohe Markenbekanntheit haben, die Gewinner. Meist sind es die DAX-Unternehmen, die in den Medien im Fokus sind. Verlier sind die KMUs, die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die nicht im Rampenlicht stehen. Und genau diese Lücke schließt unsere »Arbeitgeber der Zukunft«-Auszeichnung, die einerseits die unternehmerische Leistung anerkennt und zum anderen Signalwirkung auf dem Arbeitsmarkt hat. Wir haben die Initiative »Arbeitgebern der Zukunft« unter der Schirmherrschaft der ehemaligen Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries schon vor einigen Jahren gegründet und der Zuspruch gibt uns Recht.
Es gibt ja viele Auszeichnungen und inzwischen wird das auch kritisch betrachtet. Was steckt denn hinter dieser Auszeichnung?
Was häufig in der Kritik steht, ist die mangelnde Vergleichbarkeit der Kriterien. Wir gehen einen anderen Weg, wir haben ein umfassendes Online-Prüfverfahren, das die digitalen Touchpoints des Unternehmens sowie das Social Listening des Unternehmens bewertet. Uns ist es darüber hinaus wichtig, dass das Unternehmen auch eine Selbstauskunft macht und wir so das Mindset der Unternehmer in Bezug auf ihre Zukunftsfähigkeit bewerten können.
Können Sie vielleicht ein paar Beispiele nennen, was müssen Unternehmen für die Auszeichnung vorweisen?
Bei einer Auszeichnung, die über sämtliche Unternehmensgrößen und Branchen geht, gibt es nicht das eine Merkmal. Wir nutzen eine Bewertungsmatrix, die verschiedene Aspekte berücksichtigt. Dazu gehört zum Beispiel Personal – werden die Ansprüche der Mitarbeitenden erfüllt? Dazu gehören auch Führungskultur, Fortbildungsangebote, Arbeitszeit und Vergütungsmodelle. Ein wichtiges Thema bei der Zukunftsfähigkeit ist natürlich auch die Digitalisierung. Da geht es darum, wie sich das Unternehmen im Netz darstellt, um die User-Experience und wie Prozesse digitalisiert sind. All diese digitalen Touchpoints bewerten wir.
Was können Unternehmen noch tun, um attraktiv zu sein, gerade für die wechselfreudigen Arbeitnehmer?
Wir haben in unserer »Arbeitgeber der Zukunft«-Studie herausgefunden, dass Nachhaltigkeit eine große Rolle spielt. Den Arbeitnehmern der Generation Z, die jetzt gerade auf den Arbeitsmarkt drängen, ist dieses Thema wichtig und sie erwarten, dass das Unternehmen dazu auch Position bezieht. Wer sich als Unternehmer auf dem Arbeitsmarkt gut positionieren will, sollte das Thema Nachhaltigkeit besetzen und es damit ernst meinen.
Unsere Gesprächspartnerin: Ines Woermann ist Geschäftsführerin des Deutschen Innovationsinstituts für Nachhaltigkeit und Digitalisierung (DIND).
Bild: Markus Hanel