Ein Expertenbeitrag von Uwe Rembor
Wenn ein Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage gerät, entscheidet sich das Überleben meist nicht an der Gewinn- und Verlustrechnung, sondern an der Frage: Reicht das Geld, um die nächsten Monate zu überstehen? Der Satz »Cash is King« ist keine Floskel, sondern ein ehernes Gesetz der Restrukturierung. Denn ohne gesicherte Liquidität ist jede Strategie, jede Vision und jeder Restrukturierungsplan wertlos.
Warum Liquidität die erste Priorität hat
Gerät ein Unternehmen in die Krise, verschiebt sich der Fokus zwangsläufig. Während im Normalbetrieb Themen wie Wachstum, Investitionen oder Marktanteile im Vordergrund stehen, ist in der Krise das nackte Überleben die oberste Maxime. Wer seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann, verliert Lieferanten, Kunden und Mitarbeiter – und letztlich die Existenzberechtigung am Markt.
Ein Unternehmen kann Monate oder sogar Jahre Verluste schreiben, solange die Liquidität gesichert ist. Umgekehrt reicht schon ein kurzfristiger Engpass aus, um die Insolvenz auszulösen. Genau deshalb beginnt jede Restrukturierung mit einer radikalen Bestandsaufnahme: Wie lange reicht das vorhandene Geld – bei unveränderten Rahmenbedingungen?
Transparenz schaffen – der Liquiditätsstatus
Die erste Maßnahme ist eine präzise Liquiditätsplanung. Sie muss taggenau, realistisch und schonungslos ehrlich sein. Typische Fehler in der Krise sind Schönrechnerei oder das Ausblenden von Verbindlichkeiten. Nur wer die tatsächliche Situation kennt, kann wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen.
Dabei gilt es, sämtliche Zahlungsströme zu erfassen:
- Eingehende Zahlungen von Kunden (inkl. realistischer Annahmen zu Zahlungsausfällen und Verzögerungen)
- Ausgehende Zahlungen an Lieferanten, Banken, Sozialversicherungen und das Finanzamt
- Fälligkeiten von Krediten, Leasingverträgen und anderen langfristigen Verpflichtungen
Am Ende steht ein klarer Cashflow-Überblick – nicht als Quartalsprognose, sondern als tägliche Liquiditätsvorschau für die nächsten 13 Wochen.
Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit
Wenn die Liquidität akut gefährdet ist, müssen harte Entscheidungen getroffen werden. Klassische Stellhebel sind:
- Forderungsmanagement: Offene Rechnungen müssen konsequent eingefordert werden. Skonti können Anreize bieten, schnelle Zahlungen zu sichern. Wo möglich, sind Anzahlungen oder Vorkasse zu verhandeln.
- Verbindlichkeiten strecken: Mit Lieferanten, Banken und Vermietern müssen Zahlungsziele verlängert werden. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt – Druck kann Beziehungen zerstören, aber Transparenz und ein glaubwürdiger Restrukturierungsplan schaffen oft Kooperationsbereitschaft.
- Kostenstopp: Alle nicht zwingend notwendigen Ausgaben müssen eingefroren werden. Neue Projekte, Investitionen oder Marketingkampagnen können erst wieder starten, wenn die Liquidität gesichert ist.
- Bestandsmanagement: Überbestände im Lager binden Kapital. Liquidität lässt sich freisetzen, indem ungenutzte Vorräte verkauft oder im Einkauf auf „just in time“ umgestellt wird.
- Personalmaßnahmen: Kurzarbeit, flexible Arbeitszeitmodelle oder – als Ultima Ratio – Personalabbau können kurzfristig Liquidität sichern. Gerade in Deutschland bieten Instrumente wie Kurzarbeitergeld wertvolle Entlastung.
Rolle der Stakeholder – Verhandlungen auf Augenhöhe
Die Sicherung der Liquidität ist nicht nur eine interne Aufgabe. Banken, Lieferanten, Vermieter und andere Gläubiger sind entscheidende Partner. Vertrauen ist hier die wichtigste Währung. Wer frühzeitig, offen und strukturiert kommuniziert, kann auf Entgegenkommen hoffen. Wer versucht, Probleme zu verschleiern, verliert schnell die Unterstützung.
Wichtig: Verhandlungen sollten nicht aus dem Bauch heraus geführt werden. Ein erfahrener CRO (Chief Restructuring Officer) oder Interim Manager bringt die notwendige Distanz und Professionalität mit, um glaubwürdig aufzutreten und alle Interessen in Balance zu halten.
Strategische Optionen – über die kurzfristige Sicherung hinaus
Sobald die akute Zahlungsfähigkeit stabilisiert ist, stellt sich die Frage nach strukturellen Lösungen. Dazu gehören:
- Umschuldungen oder Nachverhandlungen von Kreditverträgen
- Verkauf von Randaktivitäten oder nicht betriebsnotwendigen Assets zur Freisetzung von Kapital
- Einbindung von Investoren, die frisches Eigenkapital bereitstellen
- Nutzung insolvenzrechtlicher Instrumente wie dem Schutzschirmverfahren, um sich von Altlasten zu befreien und einen Neustart zu ermöglichen
Fazit
»Cash is King« ist keine leere Redensart. In der Krise entscheidet Liquidität über Sein oder Nichtsein. Die Aufgabe von Restrukturierern ist es, das Unternehmen schnell wieder zahlungsfähig zu machen und Zeit zu gewinnen, um nachhaltige Lösungen zu erarbeiten.
Dabei gilt: Liquidität ist mehr als ein technisches Finanzthema. Sie ist der Lackmustest für das Vertrauen aller Stakeholder – von Lieferanten über Banken bis hin zu Mitarbeitern. Wer es schafft, Transparenz zu schaffen, harte Entscheidungen zu treffen und konsequent zu handeln, legt den Grundstein dafür, dass ein Unternehmen nicht nur überlebt, sondern wieder eine Zukunft hat.

Beitragsbild: privat, Depositphotos / gena96










