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Katherine Johnson: Mathe-Genie der NASA

 

„Seems like rocket science to me“, winkt man in den USA ab, um die Kapitulation vor einem  komplexen Sachverhalt zu verkünden. „Raumfahrttechnik“ – ganz klar nur etwas für schlaue Naturwissenschaftsköpfe, folglich eine Männerdomäne. Wirklich? Dabei wären die ersten bemannten Weltraumflüge von NASA-Astronauten ohne die mathematische Glanzleistung einer Gruppe Frauen wohl nicht möglich gewesen.

„Rocktragende Computer“
In den 1950er Jahren lagen die USA im ernsten Wettstreit mit Russland, den Weltraum zu erobern. In diesem Zuge ging die NACA, die Vorgängerorganisation der NASA, einen unerhört neuen Weg und stellte auf der Suche nach den schlauesten Köpfen der Nation unter anderem eine kleine Gruppe Wissenschaftlerinnen mit dem Spitznamen „Computers who wear skirts“ ein, um Daten von Objekten im Windkanal zu berechnen und grafisch darzustellen. Die Berechnungen fanden in den ersten Jahren mit dem Bleistift auf Papier und einfachen Rechenmaschinen statt. Die ersten elektronischen Rechner waren zwar vorhanden, es wurde ihnen jedoch noch nicht genug Vertrauen entgegen gebracht um ein solch wichtiges Projekt zu berechnen.
Die Damen konnten für Rechenarbeiten an andere Abteilungen ausgeliehen werden. So kam Katherine Johnson nur zwei Wochen nach ihrer Einstellung als Aushilfe zu dem rein männlich besetzten Flugforschungs-Team. Anders als ihre Vorgängerinnen erledigte sie nicht nur das „computing“, die reine Rechnenarbeit, sondern stellte Fragen zu Hintergründen und Zusammenhängen. Sie machte sich durch ihre Kenntnisse in analytischer Geometrie in der Abteilung unentbehrlich und beeindruckte ihre männlichen Kollegen derart, dass sie „vergaßen, mich wieder abzugeben“, wie sie später schmunzelnd erzählt. Sie war zu dieser Zeit die einzige Frau, die von den „Computern“ in eine andere Abteilung wechseln konnte.

Ihre gemeinsam mit Ted Skopinski verfasste Abhandlung „Determination of Azimuth Angle at Burnout for Placing a Satellite over a Selected Earth Position“ (zu deutsch: Bestimmung des Azimutalwinkels beim Brennschluss, um einen Satelliten über einer ausgewählten Position der Erde zu platzieren), die erste wissenschaftliche Veröffentlichung der Abteilung, bei der eine Frau als offizielle Mitautorin genannt wurde, diente als theoretische Grundlage für die Mercury Redstone 3 Mission 1961, die Alan Shepard in den Weltraum brachte. Ein Jahr später vertraute John Glenn ihren Berechnungen, als er mit der Mercury-Atlas 6 in die Umlaufbahn startete. Vor dem Start wollte er sich noch einmal absichern, ob die von Computern berechneten Werte stimmten und bestand darauf: „Lass das Mädchen die Zahlen checken“. Mit dem „Mädchen“ meinte er die damals 43-jährige Katherine Johnson, die mit den Berechnungen für die Flugmissionen betraut war, da er ihren Fähigkeiten mehr vertraute als der noch neuen Technik.

Katherine Johnson arbeitete in ihren 30 Jahren bei der NASA an vielen bekannten Projekten. Sie berechnete die Flugbahn von Apollo 11 zum Mond und arbeitete den Plan mit aus, der die Crew von Apollo 13 sicher zur Erde zurück brachte. Auch an der ersten Phase des Space-Shuttle-Programms war sie beteiligt.

Tell them I’m coming
Bis vor wenigen Jahren war die Rolle, die die brilliante Mathematikerin und Physikerin Katherine Johnson in der amerikanischen Raumfahrt spielte, heruntergespielt worden, war sie doch nicht nur weiblich, sondern auch afroamerikanischer Abstammung. Die farbigen „Computer“ mussten getrennt von den weißen Damen arbeiten und durften weder denselben Pausenraum, noch dieselben Toiletten benutzen. Ja, ihre Existenz wurde dermaßen gut verschleiert, dass die weißen Wissenschaftlerinnen ein komplettes Jahrzehnt nichts von den farbigen Kolleginnen wussten. Ihre Mutter hatte sie vor Antritt der Stelle gewarnt, dass sie es als Farbige in einer männlich-weißen Domäne nicht einfach haben würde. Darauf meinte Johnson nur entschlossen: „Tell them I’m coming!“
Ihre Entschlossenheit wurde belohnt. Sie selbst sagt: „Für mich war die Rassentrennung bei der NASA nicht spürbar, da dort jeder mit Research beschäftigt war. Du hattest eine Mission und hast daran gearbeitet. Und es war für dich wichtig, deinen Job gut zu machen.“
Dennoch bedurfte es eines afroamerikanischen Präsidenten, Barack Obama, der sie 2015 mit der „Presidential Medal of Freedom“, der höchsten zivilen Ehrung der USA, auszeichnete, um ihre Leistung aus dem Schatten zu holen.

 

Bild: NASA