Der Vertrieb boomt

Der Vertrieb boomt

Die Digitalisierung eröffnet immer wieder neue Geschäftsfelder im Internet, vor allem in der Dienstleistungsbranche wie Coaching. Der Vertrieb boomt. Wer hier erfolgreich sein möchte, darf aber kein Einzelkämpfer sein. Vertriebsexperte Constantin Guldan erklärt in unserem Interview, worauf es beim Verkauf gerade von hochpreisigen Produkten ankommt. Und er erklärt, warum Verkäufer, die vermeintlich dafür geboren sind, nicht immer die erfolgreichsten sind.

Herr Guldan, was ist die Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Vertriebler?

Das Allerwichtigste ist der Wille, sich weiterzuentwickeln. Das klingt wie eine Plattitüde – jedoch steckt hier weitaus mehr dahinter, als man am Anfang vielleicht denken mag. Lassen Sie mich kurz erklären: Der Vertriebler ist in der Regel der bestbezahlte Mitarbeiter in einem Unternehmen. Er verdient – sofern er gut ist – mehr als der Chef selbst. Warum? Naja, er bringt ja mit seinen Verkäufen die Kunden und das Geld ins Haus. Das bedeutet aber auch viel Verantwortung, der man gewachsen sein muss. Das geht nicht von heute auf morgen, man entwickelt sich da hinein. Man sollte nur tatsächlich Spaß daran finden, neue Herausforderungen anzugehen und Lösungen zu finden. Dann ist man bestens gerüstet.

Muss man Verkaufen im Blut haben, wie häufig gesagt wird?

Selbstverständlich kennen wir alle die geborenen Verkäufer, die extrovertiert, kontaktfreudig und mit unwiderstehlicher Dreistigkeit auf die Welt gekommen sind. Um ganz ehrlich zu sein: Die haben es im Vertrieb langfristig am schwersten.

Denn damit kommt man in den unteren Gehaltsregionen ganz gut vorwärts. Wenn es aber um außerordentlich hohe Einnahmen für den Vertriebler selbst geht – wir reden hier von mehreren 100.000 Euro pro Jahr – scheitern die »Naturals« meistens. Warum? Weil man hierfür vor allem Teamplayer sein muss, sich selbst in den Hintergrund stellen und bereit sein muss, klar definierten Prozessen zu folgen.

Meiner Erfahrung nach ist die beste charakterliche Voraussetzung für einen guten Vertriebler immer ein gesunder Mittelweg: Mit einer Prise Gerechtigkeitsempfinden und gesundem Menschenverstand kommt man durch Lernbereitschaft und Teamfähigkeit extrem weit, weiter als ein Einzelkämpfer.

Wie können Menschen, die noch nie im Verkauf waren, diese Fähigkeiten lernen?

Es ist immer einfacher, eine Sache von der Pike auf ordentlich zu lernen als eine Sache zehn Jahre mittelmäßig zu machen und dann umzudenken. Soll heißen: Meiner Erfahrung nach – aus über 400 ausgebildeten Vertrieblern – ist folgende: Alle Rookies, die bisher einer »normalen« beruflichen Tätigkeit außerhalb vom Vertrieb nachgegangen sind, lernen am schnellsten, zu verkaufen. Denn sie bringen keine falschen Glaubenssätze mit.

Wie kann man diese Fähigkeit nun am besten erlernen? Ganz einfach: Ausschließlich von einem Mentor. Von jemandem, der nachweislich über mehrere Jahre hinweg glückliche Kunden und horrende Umsätze produziert hat. Das gilt aber nicht nur für die Fähigkeit des Verkaufens: Jeden neuen Skill lernt man am besten von einem Mentor, so wie Fahrradfahren, Fußball spielen oder Schach.

Reicht es, besonders souverän aufzutreten und welche Rolle spielt die Psychologie beim Verkauf?

Souveränität ist ein wichtiger Baustein – in jedem Beruf. Wenn Sie sich heute von einem Arzt behandeln lassen, ist es Ihnen ja auch lieber, wenn er Ihnen das Gefühl gibt, dass Sie nicht gerade sein erster Patient sind, oder? Aber: Hinter der Souveränität muss auch echte Kompetenz stecken und der tatsächliche Wille, das beste Ergebnis für den Kunden zu erzielen. Warum? Weil Menschen nicht blöd sind und genau merken, wenn es einem nur ums Geld geht. Wenn man nur schnell »den Sack zumachen« will, kommt man nicht weit.

Ich würde also die notwendige Psychologie im Verkauf tatsächlich zu 50 Prozent auf diese Punkte herunterbrechen. Die anderen 50 Prozent sollte ein professionell aufgebautes Sales-Skript abdecken, das standardisiert in jedem Verkaufsgespräch notwendige psychologische Anker beim Gegenüber setzt.

Macht der Preis des Produktes einen Unterschied beim Verkauf?

Tatsächlich ist der Preis das allerletzte, wonach wir Menschen uns entscheiden. Viel wichtiger ist initial: Bringt mir das gekaufte Produkt garantiert, nachhaltig und ohne Umwege mein Wunschergebnis? Gibt es irgendwelche ungelösten Eventualitäten, die mir das Wunschergebnis im Nachhinein wieder zerstören könnten? Was denken andere über mich, wenn ich das Produkt kaufe?

Sie merken, diese Sorgen beziehungsweise Fragen sind komplett »Ich«-bezogen. Sobald diese aber für den Interessenten zu 100 Prozent gelöst sind, ist der Preis nahezu egal – sofern der Interessent natürlich finanziell qualifiziert für das Produkt ist.

Welche Branchen sind Ihrer Ansicht nach in Zukunft besonders vielversprechend für Menschen, die in den Vertrieb einsteigen wollen?

Alles, womit man sich online ein zweites Standbein oder ein Haupteinkommen aufbauen kann. Ich bin ein Verfechter – und sehe mich auch als Pionier – der neuen Berufe, die uns das Internet ermöglicht. Das heißt, ganz egal, ob es im Coaching-, Consulting- oder Agenturbereich ist: Wirklich gute Dienstleister brauchen regelmäßig gutes Personal für den Verkauf, um hunderte oder sogar tausende Kundenanfragen im Monat überhaupt abarbeiten zu können.

Ich gebe Ihnen ein persönliches Beispiel: Wir bekommen in unserer Ausbildung pro Tag 50 bis 60 Kundenanfragen, von Menschen die mit uns arbeiten wollen. Die wollen alle ein Beratungsgespräch haben. Deshalb stellen wir auch jeden Monat mindestens ein bis zwei neue Verkäufer ein. Die Branche boomt und untermauert durch zahlreiche Statistiken, wird das in den kommenden fünf bis zehn Jahren auch so bleiben.

MK

Unser Gesprächspartner: Constantin Guldan ist Gründer seines Unternehmens »Closer Akademie Guldan« und Vertriebsexperte.

Bild: Constantin Guldan