Der Weg zum Erfolg führt übers »Ich«

Der Weg zum Erfolg führt übers »Ich«

Julia Frisch glaubte jahrelang, im Berufsleben eher männliche Verhaltensweisen annehmen zu müssen und stand kurz vor einem Burnout. Sie stellte sich dem Prozess, ihre weiblichen Energien zu erkennen, zuzulassen und zu nutzen. Heute begleitet sie andere Frauen bei eben diesem Change-Prozess. In unserem Interview erzählt sie, warum das Bewusstwerden des einzelnen Menschen der erste Schritt ist und welche Hürden sie auf ihrem Weg genommen hat.

Frau Frisch, viele Frauen sitzen beruflich auf dem falschen Stuhl. Sie merken es oft erst, wenn es zu spät ist. Warum ist das so? 

Wenn ich ehrlich bin, geht es für mich weniger darum, dass Frauen auf dem falschen Stuhl sitzen. Es stellt sich für mich vielmehr die Fragen, wie wir diesen Stuhl besetzen und wie wir unsere Führungsrolle im Alltag so leben, dass wir aus einer natürlichen weiblichen Stärke heraus wirken. Wenn es uns Frauen gelingt, auch im unternehmerischen Kontext die weiblichen Aspekte auszuleben, und damit nahbar, authentisch und menschlich zu führen, dann sehe ich großes Potenzial darin, aus einer weiblichen Strahlkraft und Power heraus große unternehmerische Erfolge zu verzeichnen.

Was wir allerdings erleben, ist eine (Business-) Welt, die sehr stark von männlichen Energien geprägt ist. Ich selbst habe viele Jahre meines Berufslebens damit verbracht, die Karriereleiter hinaufzuklettern und ein »besserer Mann« zu sein. Ich habe mich großer Erwartungshaltung, einem enormen Leistungsdruck, messbaren Ergebnissen, rational begründeten Entscheidungen und einer unnatürlichen Härte verschrieben. Ohne dabei zu erkennen, dass ich mich und meine weibliche Seite dabei vollkommen verleugne, mich verliere und ausbrenne.

Letztlich gibt es zahlreiche Ursachen dafür, dass wir dieses Phänomen mehr denn je in unserer Gesellschaft erleben. Aus meiner Erfahrung sorgen gesellschaftliche Normen, familiäre Prägungen, frühkindliche Traumata, falsche Vorbilder und das Umfeld maßgeblich dafür, dass wir Frauen uns immer weniger erlauben, wirklich Frau zu sein.

Muss man also erst etwas verlernen, um dann etwas Neues zu lernen? Schließlich müssen die Muster durchbrochen werden. 

In meinem heutigen Arbeitsalltag erlebe ich es oft, dass der Schmerz und das Leid erst sehr groß werden müssen, damit wir unsere Komfortzone verlassen; Vor allem der Schritt ins Unbekannte, die Kontrolle und die damit verbundene Sicherheit loszulassen, ohne zu wissen, was auf uns wartet, bereitet uns oft zu viel Angst. Als ehemalige Beamtin, die während einer Pandemie diesen entscheidenden Schritt in die Freiheit gegangen ist, weiß ich, wovon ich spreche. Aber auch ich stand kurz vor einem Burnout und hatte mit einem massiven hormonellen Ungleichgewicht zu kämpfen, bevor ich den Weg aus meinem selbstkreierten Hamsterrad antrat. Und ja, der Weg der Veränderung ist nicht immer leicht, aber er lohnt sich. Ich kann mir aus heutiger Sicht kein erfüllenderes Leben vorstellen, als das, was ich mir bis zum heutigen Tag erschaffen habe. Der Hilfeschrei meines Körpers war notwendig, um überhaupt erst zu erkennen, dass ich mich selbst auf meinem Karriereweg verloren hatte, ungesunden Abhängigkeiten hinterher eiferte und viel zu viel im Außen, statt bei mir selbst und meinen eigenen Bedürfnissen war.

Was ist die größte Hürde der Frauen bei diesem Veränderungsprozess? 

Tatsächlich sehe ich hier das Thema der eigenen Verletzlichkeit an oberster Stelle. Da die meisten Frauen schon sehr früh lernen zu funktionieren, stark zu sein und sich zu beweisen, verlernen sie zeitgleich, ihren Emotionen Raum zu schenken. Emotionale Verletzlichkeit stellt für mich heute die größte Stärke einer Frau und eine ungemeine Macht dar, derer wir uns erst bewusstwerden, wenn wir sie das erste Mal wahrnehmbar erfahren. Jede Frau, der es gelingt, ihre Feinfühligkeit, ihre Verletzlichkeit, ihre sanfte, weiche und hingebungsvolle Seite anzunehmen und zu leben, kommt automatisch mehr in ihre ureigene Schöpferkraft. Sich als Frau in Leichtigkeit und Lebensfreude dem Leben hinzugeben, sich treiben zu lassen und der eigenen Intuition zu vertrauen, statt Kontrolle auszuüben, ist eine der größten, aber auch eine lebensverändernde Hürde, die wir überwinden dürfen, um unsere Ziele zu erreichen.

Versuchen viele, das mit sich selbst auszumachen, statt sich Hilfe zu holen? Oder sind Frauen da klüger als Männer? 

Leider ist auch das eine Verhaltensweise, die wir oft aus der männlichen Energie heraus leben. Denn Hilfe anzunehmen setzen wir oft mit Schwäche gleich. Zu erkennen, wie wertvoll es ist, Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist für viele Frauen ein Gamechanger im eigenen Bewusstwerdungsprozess. Viele Frauen sind ihr Leben lang von der Angst gesteuert, in eine Abhängigkeit zu verfallen oder sich selbst zu verlieren, wenn sie nicht alles selbst kontrollieren.

Auch ich musste im Laufe meiner Unternehmerlaufbahn vom Leben an einigen Stellen dazu gezwungen werden, Hilfe in Anspruch zu nehmen, um zu erkennen, dass das Leben leicht sein darf und wir uns nicht alles hart erarbeiten müssen. Jede Frau, die das Spiel zwischen männlicher und weiblicher Energie beherrscht und sich ihrer Weiblichkeit vor allem auch im beruflichen Kontext bewusst ist, wird vom Leben belohnt.  Es ist wunderschön zu beobachten, wie eine Frau aus ihrer inneren Strahlkraft heraus einen Magnetismus aktiviert, der ihr alles liefert, was es braucht, um ganzheitlich erfolgreich zu sein. Erfolg auf allen Ebenen ist eine natürliche Konsequenz für eine Frau, die bei sich ist und aus Lieben heraus dem Höheren dient.

Das »Dranbleiben« ist im Change Prozess das A und O. Warum scheitern viele daran? 

Mit dieser Frage beschäftige ich mich mittlerweile seit vielen Jahren. Gerade in meiner Rolle als Coach erlebe ich es oft, dass Menschen daran scheitern, nicht in die Umsetzung zu kommen oder zu schnell aufgeben, wenn das Leben uns mal wieder Steine in den Weg legt.

Auch hier gibt es zahlreiche Gründe, weshalb wir nicht nachhaltig Feuer und Flamme für unsere Vorhaben sind oder auf der anderen Seite zu schnell dafür ausbrennen. Oft liegt es daran, dass entweder Klarheit und Durchsetzungsfähigkeit (eher männliche Attribute) fehlen oder es an Inspiration und Lebensfreude (eher weiblichen Attributen) mangelt. Das wiederum liegt oft an Ängsten oder einem starken Harmoniebedürfnis, das uns daran hindert, für die eigenen Bedürfnisse einzustehen. Außerdem kennen wir uns selbst oft zu wenig, wissen nicht wirklich wer wir sind. Deshalb geht für mich der Weg zur eigenen Berufung immer über die persönliche Bewusstwerdung, so findet uns unsere Berufung von ganz allein.

Der Schwerpunkt meiner Arbeit fokussiert sich heute auf die Themen Lebensfeuer, sexuelle Energie und Schöpferkraft, weil gerade hier ein unfassbares Potenzial liegt, aus uns heraus für eine Sache zu brennen, ohne dabei auszubrennen. Ein innerer Antrieb, ein Feuer, das lodert und uns ganz natürlich in unsere ureigene Schöpferkraft bringt – sowohl als Mann und als Frau. Wie maßgeblich unsere sexuelle Energie Einfluss auf unsere Schöpferkraft und damit auch unsere Umsetzungsdynamik hat, ist den wenigsten Menschen bewusst. Entweder fehlt es uns oftmals an diesem inneren Feuer oder wir neigen dazu uns aufzuopfern und auszubrennen für die Träume anderer. Deshalb ist der bewusste Umgang mit unserem Lebensfeuer und die Fähigkeit es bewusst einzusetzen und zu lenken für die meisten Menschen lebensverändernd. Bei uns Frauen wirkt es sich insbesondere auf den beruflichen Erfolg, aber vor allem auch auf die Verbindung zum eigenen Körper, die eigene Sexualität und die Polarität in einer Partnerschaft positiv aus, wenn Blockaden aufgelöst sind und unsere Sexualenergie frei fließen kann.

Als Frau aus einer weichen, weiblichen Strahlkraft heraus, für mich und mein Unternehmen zu brennen, eine der wundervollsten Nebeneffekte beim Entfalten der eigenen Weiblichkeit. Dabei ist es auch für mich als Unternehmerin eine tägliche Herausforderung überwiegend in meiner weiblichen Energie zu sein und trotzdem die unternehmerischen Aspekte nicht zu vernachlässigen. Ein Balanceakt und Tanz zwischen männlicher und weiblicher Energie, den ich jedem Unternehmer und jeder Unternehmerin von Herzen wünsche, um in Leichtigkeit und mit Lebensfreude langfristig erfolgreich zu sein. Deshalb liebe ich es so sehr, andere Frauen auf diesem Weg zu begleiten und aus einer wundersamen weiblichen Strahlkraft heraus zu wirken. Und zeitgleich Männer darin zu bestärken, ihre weiblichen Aspekte zielgerichtet einzusetzen, dort wo sie dienen und sonst aus ihrer selbstbewussten männlichen Klarheit und Durchsetzungsfähigkeit heraus, zu führen.

Unsere Gesprächspartnerin: Julia Frisch hat nach vielen Jahren Arbeit in der Verwaltung erkannt, dass ein anderer Weg für sie richtig ist. Seitdem begleitet sie Frauen dabei, sich ihrem eigenen Transformationsprozess zu stellen.

Bild: Patrick Reymann