Der Vertrieb eines Unternehmens muss gut geplant und auch geleitet werden. Schon lange geht es im Vertrieb und auch in der Führungsebene nicht mehr bloß um Zahlen und Fakten, sondern auch um Empathie und Motivation – da ist sich Tobias Epple, Geschäftsführer von Epple Consulting, sicher. Im Interview verrät der Experte außerdem, wie der Vertrieb auch für die Generation Z wieder attraktiver gestaltet werden kann und wie der Vertrieb der Zukunft aussehen könnte.
Herr Epple, worauf achten Sie, wenn Sie einem Unternehmen eine Vertriebsstrategie empfehlen? An welchen Punkten orientieren Sie sich dabei?
Mit Blick auf meine Beratung für eine effektive Vertriebsstrategie, stehen zunächst grundlegende Aspekte im Mittelpunkt. Die individuellen Ziele des Unternehmens bilden das Fundament jeder Strategieempfehlung. Dazu gehört das Verstehen der Kernaktivitäten des Unternehmens, des Produktes oder des Dienstleistungsspektrums sowie der Zielgruppe. Es ist entscheidend, das Angebot und den Nutzen, den es für den Kunden darstellt, tiefgehend zu verstehen, um den Vertrieb entsprechend darauf ausrichten zu können.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Marktanalyse: Welche Wettbewerbsbedingungen herrschen vor? Welche Trends und Entwicklungen zeichnen sich ab und wie kann das Unternehmen sich positionieren, um sich von der Konkurrenz abzuheben? Hierbei legen wir Wert darauf, nicht nur den aktuellen Status zu erfassen, sondern auch proaktiv zu planen und antizipativ zu handeln.
Ebenso wichtig sind die Organisationsstruktur und die Kultur des Unternehmens selbst. Jede Strategie muss mit den Menschen und den Prozessen im Unternehmen harmonieren. Eine Strategie kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie von den Mitarbeitern getragen wird. Daher achten wir darauf, dass diese zum einen realisierbar ist und zum anderen die Mitarbeiter motiviert und befähigt, die damit verbundenen Ziele zu erreichen.
Die Digitalisierung und die damit einhergehenden technologischen Möglichkeiten sind natürlich ebenso unverzichtbar. Digitale Vertriebskanäle sowie CRM- und Datenanalyse-Tools sind integraler Bestandteil moderner Vertriebsstrategien. Deren sinnvolle Integration und Nutzung kann sowohl Effizienz als auch Kundenbindung entscheidend verbessern.
Es geht also nicht nur um eine einzige Komponente, sondern um ein Zusammenspiel aus Unternehmenszielen, Kenntnis des Marktes, Organisationsstruktur, Kultur und der Einbettung von Technologie. Am Ende soll eine maßgeschneiderte Strategie stehen, die nicht nur auf dem Papier überzeugt, sondern vor allem in der praktischen Umsetzung Wertschöpfung generiert und nachhaltig zum Unternehmenserfolg beiträgt.
Inwieweit können Vertriebe durch die Nutzung von KI unterstützt werden?
KI wird ein unersetzlicher Faktor in der Bestrebung Vertrieb in der Zukunft zu gestalten. Hierbei spielt nicht nur der demografischen Wandel eine wesentliche Rolle. Mit der Veränderung der Arbeitskräftestruktur und dem Aufrücken jüngerer Generationen in den Arbeitsmarkt sind neue Anforderungen und Erwartungen verbunden. Für die Generation Z etwa ist der klassische Vertrieb oft nicht die erste Berufswahl, was auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden kann, wie etwa das Streben nach Sinnhaftigkeit oder Work-Life-Balance. Hier müssen wir besonders sensibel vorgehen und die Bedürfnisse dieser Generation respektieren.
Die Notwendigkeit der Automatisierung von Aufgaben wird immer dringender, nicht nur aufgrund von Effizienzsteigerungen, sondern auch um die Attraktivität von Vertriebsrollen für zukünftige Generationen zu erhöhen. Indem wir monotone oder repetitive Aufgaben automatisieren, geben wir unseren Vertriebsteams mehr Raum für strategisches Denken und kreative Aufgaben – Elemente, die für die Generation Z hohe Anziehungskraft haben.
Die Unterstützung der Vertriebe durch Künstliche Intelligenz ist ein Beispiel dafür, wie wir diesem Bedarf entgegenkommen können. KI-Systeme übernehmen nicht nur datenintensive Analysen und Prognosen, sondern können auch für personalisierte Kundeninteraktionen eingesetzt werden, was die Effektivität des Vertriebsteams exponentiell steigert. Darüber hinaus können solche Systeme eine zuverlässige Assistenz bei der Kundenakquise bieten, zu präzisen Marktsegmentierungen führen und so den Sales Cycle verbessern.
Durch die richtige Integration von KI-Tools schaffen wir es, strategisches und empathisches Verhandeln in den Vordergrund zu rücken, indem wir zeitintensive Aufgaben automatisieren. Dadurch wird der Vertrieb auch für die jüngere Generation attraktiver, denn sie können ihre Stärken wie digitale Kompetenz und kreative Problemlösung besser einbringen. Indem wir diese Technologien nutzen, schaffen wir nicht nur eine effiziente, sondern auch zukunftssichere und menschenzentrierte Vertriebsstrategie.
Was macht die perfekte Führungskraft aus? Welche Charaktereigenschaften und Fähigkeiten sollte sie besitzen?
Die perfekte Führungskraft zeichnet sich durch ein Amalgam aus unterschiedlichen Charaktereigenschaften und Fähigkeiten aus, die es ihr ermöglichen, sowohl das Unternehmen als auch die Mitarbeiter zu Höchstleistungen zu inspirieren. Im Kern einer herausragenden Führungsfigur steht die Fähigkeit zur Empathie – das Einfühlen in die Bedürfnisse, Hoffnungen und Ängste der Belegschaft. Eine solche Verbindung zu schaffen, ist fundamental, um Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufzubauen.
Eine entscheidende Charaktereigenschaft in der Führungsperson ist Integrität. Nichts ist für die Authentizität und das Vertrauen einer Führungspersönlichkeit mehr von Bedeutung als eine starke moralische Ausrichtung, die Konsequenz im Handeln und die Aufrichtigkeit in der Kommunikation.
Die perfekte Führungskraft sollte ebenfalls eine visionäre Denkweise mitbringen. Sie muss in der Lage sein, über den Tellerrand des Tagesgeschäfts zu blicken, Möglichkeiten zu erkennen, wo andere Barrieren sehen, und imstande sein, andere mit dieser Vision zu begeistern und mitzureißen. Neben der Vision ist die Fähigkeit zur Strategieentwicklung entscheidend – das heißt, konkret und umsetzbar zu planen, wie man vom Ist-Zustand zum angestrebten Soll-Zustand gelangt.
Hinzu kommt die Anpassungsfähigkeit. Die Geschäftswelt ist dynamisch und unablässigen Veränderungen unterworfen. Daher ist es für Führungskräfte unerlässlich, flexibel auf neue Situationen reagieren zu können und die Fähigkeit zu besitzen, Veränderungsprozesse nicht nur zu managen, sondern aktiv voranzutreiben.
Nicht zuletzt sind hervorragende Kommunikationsfähigkeit sowie Konfliktmanagementkompetenzen notwendig. Eine Führungskraft muss nicht nur ihre Ideen überzeugend präsentieren können, sondern auch imstande sein, zuzuhören, unterschiedliche Interessen auszugleichen und Konflikte konstruktiv zu lösen.
Die ideale Führungskraft ist sowohl Coach als auch Cheerleader: Jemand, der leitet, motiviert und entwickelt. Es ist ein Balanceakt zwischen verschiedenen Rollen und Erwartungen – zwischen Mentor, Entscheider, Innovator und vielen mehr. Achtsamkeit und eine fortwährende Selbstreflexion sind dabei entscheidend, um selbst zu wachsen und als Vorbild für andere zu fungieren.
Für eine solche Führungspersönlichkeit ist Führung nicht bloß eine Position, sondern eine Tätigkeit – ein Prozess des unermüdlichen Strebens nach Verbesserung, sowohl in Bezug auf das eigene Verhalten als auch das Wohlergehen des Unternehmens und seiner Mitarbeiter.
Wie würden Sie persönlich Erfolg definieren?
Gerne würde ich darauf eine kompakte und schnelle Antwort geben – das funktioniert bei einer so anspruchsvollen Frage leider nicht.
Erfolg ist für mich ein vielschichtiges Konzept, das weit über die simplen Metriken wie Gewinn und Umsatz hinausgeht. Für mich ist Erfolg eine tiefgreifende Kombination aus persönlicher Erfüllung, positivem Einfluss und nachhaltigem Wert. Es geht darum, das zu erreichen, was man sich vorgenommen hat, und dabei auch einen Unterschied zu machen – sei es in der eigenen Organisation, in der Gemeinschaft oder auf individuellem Level.
Persönlich definiere ich Erfolg als den Punkt, an dem Ihre tiefsten Leidenschaften und Ihre größten Stärken auf die Bedürfnisse und Herausforderungen Ihrer Umgebung treffen. Es ist das Gefühl, am Abend zurückzuschauen und zu wissen, dass die geleistete Arbeit nicht nur einen Schritt in Richtung der eigenen Ziele war, sondern auch jemand anderem den Weg erleichtert hat.
Erfolg ist für mich auch ein Maß dafür, wie gut man seine eigenen Talente und Fähigkeiten entwickelt und sie effektiv eingesetzt hat, um herausfordernde Ziele zu erreichen. Es geht darum konkrete, messbare Ergebnisse zu erzielen und dabei auch konsistent Werte zu schaffen, die über finanziellen Gewinn hinausgehen – Werte wie Innovation, Qualität, und Vertrauen.
Zielführend ist Erfolg, wenn er nachhaltig ist. Einen wahren Triumph erlebt man, wenn der Erfolg, den man heute feiert, eine Grundlage für zukünftige Errungenschaften bildet und langfristige positive Auswirkungen für die Firma, das eigene Leben und das der anderen hat.
In der Führung bedeutet dies, ein Umfeld zu schaffen, in dem andere gedeihen können. Ein erfolgreiches Umfeld zeichnet sich durch das Wachstum und die Entwicklung von Mitarbeitern aus, durch gesteckte Ziele, die nicht nur erreicht, sondern auch übertroffen werden, und durch Innovationen, die dem Unternehmen helfen, sich in einer stetig verändernden Welt an der Spitze zu halten.
All das eingebettet in einer starken Ergebnisorientierung, denn letztlich zählt auch die erreichte Wirkung. Der kraftvolle Motor hinter jedem Erfolg ist die Leistung, die stets gezielt und mit vollem Einsatz erbracht wird, um Visionen Realität werden zu lassen.
Wie sieht für Sie der Vertrieb der Zukunft aus?
Der Vertrieb der Zukunft wird eine hochdynamische Disziplin sein, die von technologischer Innovation, zunehmendem Data-Driven-Marketing und persönlicher Anpassungsfähigkeit geprägt ist. Ich bin überzeugt, dass der Einsatz von Big Data und Künstlicher Intelligenz nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch wegweisend für die Kundenerfahrung sein wird. Vertriebsteams werden in der Lage sein, präzisere und individuellere Kundenansprachen zu gestalten, basierend auf einer tiefen Analyse des Kundenverhaltens und Vorlieben.
Gleichzeitig wird die menschliche Komponente im Vertrieb nicht an Bedeutung verlieren, sondern eine neue Form der Wertschätzung erfahren. Empathie und echtes, zwischenmenschliches Verständnis können von keiner Maschine repliziert werden. Die Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, wird weiterhin das Rückgrat des Vertriebserfolgs sein, ergänzt durch technische Tools, die Routineaufgaben automatisieren und Vertriebsmitarbeitern ermöglichen, sich auf die Aspekte ihrer Arbeit zu konzentrieren, die echten Mehrwert schaffen.
Ich prognostiziere auch eine engere Verschränkung von Vertrieb und Marketing. Den Kunden durch konsistente und nahtlose Erlebnisse über mehrere Touchpoints hinweg für sich zu gewinnen, wird ein zentraler Faktor für Unternehmen sein. Hierbei rückt das Verständnis für die gesamte Customer Journey in den Vordergrund, wobei Vertriebsteams aktiv Daten nutzen, um maßgeschneiderte Lösungen anzubieten.
Der Vertrieb der Zukunft wird weiterhin von Agilität geprägt sein. Führungskräfte und ihre Teams müssen schnell auf Marktänderungen reagieren können, flexibel in der Anpassung ihrer Strategien sein und kontinuierlich lernen und innovieren. Dieses agile Vorgehen, gepaart mit digitaler Kompetenz, wird entscheidend sein, um in einem immer wettbewerbsintensiveren Umfeld erfolgreich zu sein.
In der Summe wird der Vertrieb der Zukunft anspruchsvoller, intelligenter und persönlicher sein. Unternehmen, die ihre Vertriebsstrategie entsprechend entwickeln und ihre Teams mit den erforderlichen Fähigkeiten und Werkzeugen ausstatten, werden in der Lage sein, eine führende Position in dieser neuen Ära des Vertriebs zu behaupten. Hierbei wird es nicht nur darum gehen, was wir verkaufen, sondern wie und warum wir es verkaufen – in Verbindung mit einem klaren Verständnis dafür, welchen Mehrwert wir unseren Kunden bieten und welchen Beitrag wir damit für eine bessere Zukunft leisten. Ich persönlich freue mich darauf!
Unser Gesprächspartner:
Tobias Epple ist SPIEGEL-Bestseller-Autor und Speaker für die Themen Führung und Vertrieb. Als Berater ist er außerdem Gründer und Inhaber der Epple Consulting.
Bilder: Horst Dömötör