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Erfolgstipps der Spitzenköche: Ziehe in die Welt hinaus und lerne

Im Jahr 1994 kürte der Gault­Millau Eckart Witzigmann zum Koch des Jahrhunderts – neben bislang nur drei anderen Spitzenköchen. Damit honorierte der Gastroführer unter anderem dessen Leistung, die Küche in Deutschland auf ein neues Niveau gehoben zu haben. Eckart Witzigmann entwickelte auch das innovative Konzept für das Restaurant Ikarus­Hangar­7, einem Objekt des Red­Bull­Gründers Dietrich Mateschitz am Flughafen Salzburg. Dort arbeiten im monatlichen Wechsel Spitzenköche aus aller Welt. Eckart Witzigmann wirkt dort nach wie vor als Patron. Im Jahr 2007 ernannte die schwedische Universität Örebro, die einzige staatliche Gastronomie­Universität in Europa, Eckart Witzigmann zum Doktor und Professor ehrenhalber – seither darf er sich Professeur de la Cuisine nennen. 2016 verlieh Ludwig Spaenle, Bayerischer Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, die Auszeichnung Pro meritis scientiae et litterarum an Eckart Witzigmann.

Einen besonders wichtigen Rat erhielt ich von einem meiner frühen Lehrmeister, Ludwig Scheibenpflug, der Küchenchef im Hotel Straubinger in Bad Gastein war. Er sagte mir: „Geh hinaus in die Welt, halte Augen und Ohren offen, sauge alles Wissen in dich auf und höre vor allem nie auf, neugierig zu sein. Wer glaubt, alles zu wissen, hat im Grunde von nichts eine Ahnung.“ Das hat mich tief beeindruckt und geprägt, und ich gebe diesen Rat auch immer an junge Köche weiter. Schon Goethe wusste, dass Reisen bildet. Daran hat sich meiner Meinung nach auch durch die Digitalisierung nichts geändert, durch die man den Eindruck bekommen könnte, alles, was in der Welt passiert, käme sowieso direkt zu einem vor die Haustür. Ich halte das für falsch und bin mir sicher, dass persönliche Eindrücke und vor Ort erlerntes Wissen durch das Internet nicht zu ersetzen sind. Es geht ja besonders als Koch oder als Koch in spe auch darum, ein persönliches Netzwerk mit anderen Köchen, Restaurantbetreibern oder Hoteliers zu knüpfen.

Ich jedenfalls habe mich immer an Scheibenpflugs Rat gehalten und hatte schon dreizehn Jahre im Ausland verbracht, bevor ich 1971 in München im Tantris anfing. Auch später noch richtete ich mich stets international aus: etwa mit einer Kochschule auf Mallorca, die schon nach zwei Jahren zu den besten Betrieben auf der Insel gehörte. Oder mit einem Restaurant für die japanische Juchheim-Gruppe in Tokio. Die internationale Ausrichtung erlaubte es mir auch, wichtige und interessante Menschen aus aller Welt kennenlernen zu dürfen: Ich konnte schon für Queen Elisabeth II., König Harald von Norwegen oder Königin Silvia und König Carl Gustav aus Schweden kochen, aber auch für den ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush und den damaligen französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing. Durch die internationalen Erfahrungen und Eindrücke kann man auch erst entdecken und erkennen, was man wirklich aus seinem Leben machen möchte, was in einem steckt, und sich entsprechende Ziele stecken. Bei mir war das jedenfalls so, denn als ich 1957 meine Lehre angefangen habe, war in Österreich von Sternegastronomie à la Michelin oder Gault-Millau noch überhaupt keine Rede. Da konnte ich mir noch gar nicht das Ziel setzen, selbst einmal Sternekoch oder gar Koch des Jahrhunderts zu werden. Solche Ziele konnte ich mir erst erschließen, nachdem ich den Stellenwert des Sterns 1964 bei meinem großen Mentor Paul Haeberlin richtig registriert habe. Dies bringt mich zu einem weiteren Rat, den ich gerne weitergeben möchte: Nur wer möglichst viele Stationen – darunter eben auch internationale – kennenlernt, kann beurteilen, welcher Betrieb wirklich zu ihm passt und wo er am meisten lernt. Man sollte sich zwar schon durchbeißen und nicht bei jeder Kleinigkeit aufgeben, wenn man aber merkt, dass einem eine Station auf Dauer nichts bringt, muss man konsequent sein und wechseln. Es gilt, keine kostbaren Jahre damit zu vergeuden, dass man an einer Stelle klebt, die einen nicht weiterführt.

Es gehört zu den Wesensmerkmalen des Kochberufs, besonders, wenn man diesen auf hohem Niveau ausüben möchte, dass man neugierig, wissbegierig und offen bleiben muss. Das bringt einen als Mensch auch außerhalb des Berufslebens weiter. Dann gilt für dich als Koch auch der wunderschöne Satz, der dem chinesischen Philosophen Konfuzius zugeschrieben wird: „Wähle einen Beruf, den du liebst, und du brauchst keinen Tag in deinem Leben mehr zu arbeiten.“

 

Frank Arnold: Der beste Rat, den ich je bekam: Lebensrezepte von Spitzenköchen
Hanser Verlag, ISBN: 978-3446254985

 

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