Wir leben in einem Spannungsfeld zwischen extremer Beschleunigung, Ergebnis- und Wachstumsdruck bei gleichzeitig maximalem Wettbewerb und sich ständig ändernden Bedingungen. Elisabeth Henschel, Business Coach und Expertin für Selbstmanagement und Potenzialentwicklung, verrät im Gespräch mit dem Erfolg Magazin, auf welche Aspekte besonders Frauen achten sollten, wenn sie ihr volles Potenzial als Führungskraft ausschöpfen möchten.
Der Druck, den man sich selbst macht
Wer kennt es nicht? Das Gefühl, dass einem alles zu viel wird, unter der Last der teils selbst aufgebürdeten Herausforderungen. »Viele Frauen und auch Männer legen die eigene Messlatte zu hoch und schaffen damit die Bedingungen für ihr Scheitern selbst. In den meisten Fällen hängt das mit überdurchschnittlich hohen Ansprüchen an sich selbst zusammen. Meiner Erfahrung nach neigen weibliche Führungskräfte weit häufiger dazu als männliche«, so Henschel. Frauen benötigen deshalb oft mehr Energieaufwand als Männer, um diesen überhöhten Ansprüchen gerecht zu werden. Dann kann ein Teufelskreis entstehen, der auslaugt und den klaren Blick trübt. Die eigene Stress-Resilienz wird auf eine harte Probe gestellt, so die Expertin.
Weshalb werden oftmals die Ansprüche so hoch gesetzt? »Viele Frauen wollen den Erwartungen der Leistungsgesellschaft, der eigenen Peer Group und auch der Eltern in besonderem Maße gerecht werden. Dies geschieht größtenteils unbewusst und muss, wenn man an die Bearbeitung von Problemen gehen will, angeschaut werden«, so Henschel. Es sind geistige Ketten, die durch Erziehung und Sozialisierung geformt wurden und gar nicht einfach abzustreifen sind. In Extremsituationen, etwa bei Konflikten oder schwierigen Entscheidungen, machen sich diese besonders bemerkbar.
Glaubenssätze, die einschränken
Alle Menschen, egal ob Mann oder Frau, folgen auch als Erwachsene bestimmten Strategien, die sie schon in der Kindheit entwickelt haben, um den Ansprüchen ihrer Eltern gerecht zu werden. Dabei können sogenannte innere Antreiber entstehen, hinter denen der Wunsch nach Erfüllung zu kurz gekommener Bedürfnisse steckt. Besonders häufig tritt bei Frauen der Antreiber auf: »Mach es allen Recht!« Hier geht es um den Wunsch nach Harmonie. Wenn Frauen sich in einer Führungsposition befinden, ist es aber nicht immer möglich, ausschließlich für Harmonie zu sorgen. Es liegt in der Natur der Sache, in Führungsrollen auch Konflikte austragen und Spannungen aushalten zu müssen. »Frauen haben deshalb häufiger als Männer das Gefühl, sich nicht so gut durchsetzen zu können. Sie neigen dazu, sich zu vergleichen und wollen perfekt sein. Der Wunsch nach Anerkennung kann also auch zu übertriebenem Ehrgeiz oder Dominanz führen«, so Henschel im Gespräch. Damit stehen viele Frauen sich unnötig selbst im Weg. Darunter leiden Authentizität und Glaubwürdigkeit, was die Ausübung einer Führungsrolle erschwert.
Wovon erfolgreiches Leadership in Wirklichkeit abhängt
Wer Erfolg haben will im Beruf, muss Menschen überzeugen, motivieren und führen können, kurzum, eine gewisse Autorität haben. Das wird einem aber in keiner Fachausbildung und keinem Studium beigebracht, man wird ins kalte Wasser geworfen. Viele Menschen, vor allem am Beginn ihrer Karriere, stoßen deshalb an ihre Grenzen, so die Expertin.
Diese unangenehme Erfahrung kann auch Gutes bewirken, wenn man produktiv mit ihr umgeht und das Potenzial dahinter erkennt. »Wer sich den eigenen Herausforderungen, Glaubenssätzen und Handlungsautomatismen bewusst wird, hat dadurch gleichzeitig den Schlüssel zur Veränderung in der Hand. Denn hier bietet sich geradezu eine Steilvorlage, um an sich zu arbeiten und die persönliche Entwicklung voranzutreiben. Der Wunsch nach mehr Durchsetzungsvermögen, besserer Konfliktlösungsfähigkeit oder Entscheidungskraft führen Klientinnen zu mir«, erläutert Henschel. Potenzialentwicklung beginnt oftmals dort, wo man mit Lösungsansätzen der Vergangenheit nicht mehr weiterkommt. Wer in der eigenen »Niederlage« Chancen für persönliches Wachstum erkennt, hat schon viel gewonnen.
Selbstmanagement als Schlüsselfaktor für Potenzialentwicklung und Erfolg
Entwicklung braucht normalerweise viel Zeit, Übung und Erfahrung. Deshalb, so Henschel, bietet es sich an, mit ExpertInnen zu arbeiten, die Abkürzungen aufzeigen, um Weiterentwicklung in kürzerer Zeit zu ermöglichen: »Es können relativ rasch ungeahnte Kraftquellen freigesetzt werden, wenn etwa Selbstlimitationen, Ärger, Enttäuschung, Ängste, falsche Motive oder unproduktive innere Antreiber aufgelöst werden«, so Henschel. Hierbei geht es aber nicht um Selbstoptimierung, sondern um einen wohlwollenderen Blick auf sich selbst und andere. Um das eigene Potenzial vollends zu entfalten, ist, laut Expertin, Selbstmanagement nötig. Das ist die Fähigkeit, sich und seine Gedanken reflektieren und regulieren zu können, so Henschel: »Wer andere führen will, sollte zuerst sich selbst führen können. Das bedeutet, die eigenen Motive und emotionalen Affekte bewusst und mit Distanz betrachten zu können. Dadurch entsteht mehr Gelassenheit, Klarheit und die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme (Empathie), welche die wesentlichen Faktoren für erfolgreiche Führungs- und Kundenkommunikation darstellen.« Wer also den nächsten Schritt in der persönlichen Weiterentwicklung gehen möchte, sollte sich mit den eigenen Haltungen intensiv auseinandersetzen.
Bilder: Frank Limbacher, limstyle Webdesign