Dr. Eckhart von Hirschhausen im Interview
Herr Dr. von Hirschhausen, Sie sind einer der erfolgreichsten Kabarettisten in Deutschland und zudem Mediziner. Wann ist Ihnen aufgefallen, dass Lachen für die Heilung wichtig ist?
Schon in meiner Zeit als Medizinstudent, dazu fällt mir eine kleine Anekdote ein: Ein 6jähriger Junge muss punktiert werden. Weil er privat versichert ist, kommt der Chef persönlich und erklärt in altväterlicher Manier: „Denk dran, ein Indianer kennt keinen Schmerz!“ Darauf der gepeinigte Junge wörtlich: „Ich bin aber kein Indianer, du Idiot!“ Die Quintessenz: Lachen hilft wirklich gegen Schmerzen. Wer das nicht glaubt, kann es ganz leicht ausprobieren: Hauen Sie sich mit einem Hammer zweimal auf den eigenen Daumen, einmal alleine und dann noch einmal in Gesellschaft. Sie spüren den Unterschied. Wenn ich mit Anderen lachen kann, lässt der Schmerz nach. Deshalb sollte im Krankenhaus niemand lange alleine sein und etwas zu lachen bekommen.
Was hat Sie dazu bewegt, die Stiftung HUMOR HILFT HEILEN zu gründen?
Ein Ereignis, das mich wirklich nachhaltig verändert hat, liegt schon viele Jahre zurück. 1997 war ich auf einer auf einer Tour durch Krankenhäuser für einen Radiosender, der meine Auftritte sponsorte. Nach dem Auftritt schilderte mir ein Arzt in einer Kinderklinik eine Beobachtung während einer Zaubershow von mir. Ein Junge war schon länger in Behandlung mit „selektivem Mutismus“, einer seelischen Störung bei der Kinder aufhören zu sprechen. Dieser Junge war Teil der Gruppe, für die ich auftrat. Und alle Kinder wurden involviert in die Zauberei, mussten laut zählen, pusten und mitmachen. Der Junge „vergaß“ seine Störung und machte munter mit. Ich bilde mir nicht ein, dass es der entscheidende Moment für ihn war, dazu hat es viel gebraucht. Aber vielleicht war es genau der kleine Anstoß, der noch fehlte, um seine Heilung voran zu bringen. Und seitdem nehme ich die Rolle von Humor, Musik, Kunst und anderen Wegen uns zu „verzaubern“ in ihrer Bedeutung für die Heilung viel ernster, das war gewissermaßen die geistige Geburtsstunde von HUMOR HILFT HEILEN.
Was waren Ihnen bisher Ihre liebsten Errungenschaften, die Sie mit Ihrer Stiftung erreichen konnten?
Die Stiftung gibt es erst seit 8 Jahren, aber wir haben mit einem sehr kleinen Team bereits unglaublich viel in 100 Projekten erreicht und ungefähr eine Million Euro für mehr heilsame Stimmung im Krankenhaus bewegt. Ursprünglich ging es los mit den Clowns auf Kinderstationen. Inzwischen gehen die Clowns auch viel zu alten Menschen, die sich unglaublich über Besuch freuen und gerade durch Musik sehr gut zu erreichen sind. Inzwischen machen wir große Forschungsprojekte zum Beispiel zu einer Humorintervention nach Schlaganfall bei Erwachsenen, oder zu der Frage was passiert, wenn Pflegekräfte selber in Workshops ihren eigenen Humor wieder entdecken und einsetzen. Dazu machen wir gerade Schulungen mit über 2000 Pflegenden und begleiten wissenschaftlich, wie sich dadurch die Stimmung und die Gesundheit verändern. Eine Errungenschaft ist auch die öffentliche Wahrnehmung. Anfangs wurden wir belächelt, jetzt werde ich als Eröffnungsredner für Ärztekongresse gebucht und arbeite mit Ministerien und anderen Stiftungen zusammen. Vielleicht stehen unsere größten Erfolge uns noch bevor, dass es zum Beispiel Humor auf Krankenschein gibt. Das möchte ich noch erleben!
Wie sehr bringen Sie sich in die wissenschaftliche Arbeit der Stiftung ein? Schlägt in Ihnen ein Forscherherz?
Und ob! Zusammen mit der Robert-Bosch-Stiftung in Stuttgart untersuchen wir gerade, ob Herzpatienten von einem Humortraining profitieren, weil das Herz wie kaum ein anderes Organ auf Stress und Freude gleichermaßen reagiert. Ich bin auch im Beirat von Phineo und dem Gedanken verpflichtet, dass Engagement auch nach Wirkung schaut. In Deutschland gibt es Milliarden an Steuergeldern für die Grundlagenforschung, alle reden von „personalisierter Medizin“. Was nutzt einem aber die Erkenntnis über den Rezeptor an der Zelle, wenn auf der anderen Seite so sehr am Personal gespart wird, dass keiner mehr mit den Menschen spricht, erklärt und begleitet? Vom Wissen zur Anwendung gelangt nur ein Bruchteil. Obwohl es wirksame Behandlungen gegen die Volkskrankheiten Bluthochdruck, Depression und Diabetes gibt, wird die Hälfte der Medikamente nie genommen. Wir müssen viel mehr forschen, wie echte Menschen außerhalb von Kliniken sich verhalten, entscheiden, was ihnen gut tut und warum Humor oft weiter hilft als Angst und Drohen.
Was wünschen Sie sich für Ihre Stiftung in den nächsten Jahren? Gibt es konkrete Ziele?
Eine der größten Herausforderungen im Bereich Gesundheit ist es, den Menschen über den ganzen Bogen des Lebens im Blick zu behalten und zu begleiten. Die Kassen zahlen, wenn Leute krank werden. Dabei kann man aber sehr viel tun, damit sie überhaupt nicht krank werden. Aber solange Operationen besser bezahlt werden als Gespräche, darf man sich nicht wundern, dass mehr geschnippelt als zugehört wird. Ein nachhaltiges Ziel für HUMOR HILFT HEILEN und mich persönlich ist es, das Thema Gesundheit wieder mit Lebensfreude zu verbinden. Das geht los, wenn Familienhebammen bereits in der Schwangerschaft für einen guten Start ins Leben zu sorgen. Im Kindergarten viel zu singen, zu tanzen, Freude am Körper und am Miteinander zu vermitteln. Für die Schulen entwickle ich mit meiner Stiftung das Programm „gemeinsam leben lernen“ um endlich die Ideen der positiven Psychologie in die Praxis zu integrieren. Ich bin schon leicht wahnsinnig, die beiden hartnäckigsten Systeme Gesundheit und Bildung verändern zu wollen, aber im Kleinen geht es oft erstaunlich gut voran! Und Humor ist ja auch die Kunst des Scheiterns! Gescheitert ist man ja nur dann, wenn man es nicht wenigstens versucht hat. Und gescheiter werden kann man dabei ja auch.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Doktor!
Dr. Eckart von Hirschhausen
Schon während des Medizinstudiums sammelte Hirschhausen Bühnenerfahrung und erfand später das Medizinische Kabarett. Er gründete die Stiftung Humor Hilft Heilen und forscht, unter anderem mit der Robert-Bosch-Stiftung, an der Wirkung von Humor auf Heilung.
Bilder: Paul Kuchel