Jeremy Fragrance: Bibelfester Showman

Jeremy Fragrance im Interview: »Ihr könnt mich alle am Arsch lecken«

Er ist nicht nur Parfüm-Experte, sondern auch ein Show-Talent. Das stellte er schon damals als Mitglied einer Boyband unter Beweis. Aus der Band wurde nichts, aus dem smarten Daniel Schütz schon. Unter dem Namen Jeremy Fragrance machte er seine Leidenschaft für Düfte zum Beruf und nutzte Social Media, um sich ein Imperium aufzubauen. Weltweit werden seine Düfte heute verkauft, seine Videos auf TikTok und YouTube werden millionenfach geklickt. Keinen Schritt kann er in der Öffentlichkeit tun, ohne erkannt zu werden. Dennoch ist es kein Zufallserfolg, sondern Resultat einer klugen Strategie, wie er im Gespräch mit Verleger Julien Backhaus erklärt.

»Euronews« nennt dich den bekanntesten Parfüminfluencer der Welt. Wann hast du in diesem Metier gestartet und hattest du eine Erfolgsstrategie? Vor sieben Jahren habe ich begonnen. Zwei Jahre lang eher aus Spaß und habe ein bisschen Kohle damit gemacht. Nach den beiden Jahren habe ich mich dann gefragt: Es gibt einen Karl Lagerfeld für die Mode – wer ist der Typ für die Duftindustrie? Ich habe entschieden, dass ich das werde. Mir hat die Idee gefallen, die Number One in etwas zu sein. Ab da habe ich das richtig durchgezogen. An Duftölen riechen, mich mit Liegestützen bestrafen, wenn ich Fehler mache, nur noch Düfte, Düfte, Düfte. Und zu lernen, wo die Inhaltsstoffe herkommen, wie Rosenöl extrahiert wird – das ganze Zeug eben. Ich habe zwar dieses Lustige an mir, aber ich habe auch gutes Background-Wissen. Ich habe es sehr ernst genommen und mein Profil in der Duftindustrie geschärft.  War es dein Konzept, dieses Fachwissen mit dem Showelement zu verbinden?  Mir war aufgefallen, dass die Leute das Interesse verlieren, wenn sie zum zwanzigsten Mal hören, wie »Bleu de Chanel« und »Dior Savage« riecht. Wenn du jeden Tag fünf Videos drehst oder zwanzig Beiträge postest, musst du dir überlegen, was du noch machen kannst. So habe ich festgestellt, dass es gut wäre, Entertainment reinzubringen. Auch der Konsument entscheidet, was geil ist und was er möchte. Wenn man lustig beginnt mit der Frage »Wie riecht Paco Rabanne im Vergleich zu Nutella?«, dann kommen da 20 Millionen Views auf TikTok, weil die Leute das geil finden. Wenn ich hingegen über die fünf besten Rohstoffe rede, ist das für den Konsumenten eher uninteressant – obwohl das fachlich gesehen total wichtig ist. Wir leben in einer Attention-Society. Alles muss schnell sein. Ich muss ja meine Zeit effizient einsetzen und will maximale Reichweite bekommen. Solange ich das gegenüber mir selbst vertreten kann, kann ich mich selbst ohrfeigen, einen weißen Anzug tragen oder auch nur eine Unterhose – scheißegal.  Du provozierst ja auch gerne mal. Man hat bei deinem Studio-Auftritt nach dem Cut im »Promi Big Brother«-Haus gemerkt, dass die Moderatorin so gar nicht mit deiner Kniebeugen-Einlage klar kam. Ich verdiene mehr Kohle als diese Moderatoren oder Produzenten, ich muss also keinem in den Arsch kriechen. Und ich bin mit Gott. Ihr könnt mich alle am Arsch lecken, plakativ gesagt. Wenn ich da Kniebeugen mache, tue ich ja niemandem weh. Ich pushe es nicht absichtlich, nicht konform zu sein. Ich wollte mich übrigens im Studio backstage tatsächlich aufwärmen, weil ich dann besser drauf bin. Ich hatte darum gebeten, mir rechtzeitig Bescheid zu sagen, bevor ich auf die Bühne soll, damit ich mich vorher aufwärmen kann. Und dann sollte ich doch plötzlich losrennen. Ihr Arschgesichter. Dann mach ich jetzt halt auf der Bühne meine Kniebeugen.  Ist das also ein Ritual von dir vor Auftritten?  Ja, Tennisspieler machen das ja zum Beispiel auch mit ihrem Ball. Du weißt es selbst, wenn man sich bewegt, bringt das Energie und man wirkt vitaler.  Du hast eine Parfümfirma gegründet. Was kannst du dir vorstellen, damit zu erreichen?  Mit der Firma mache ich Millionen Euro an Umsätzen, sie produziert zum Beispiel meine Düfte wie »Date for men«, Kilopreis 257 Euro, das Glas kommt von Heinz für circa 50 Cent, der Sprüher kommt aus Italien für circa 35 Cent, die Kappe für 20 Cent – aber egal. Ich hätte auch die Chanel-Kappe für zwei Euro nehmen können, die Leute hätten trotzdem gesagt »du Arschgesicht« oder »du geilster Typ«. Mir war wichtig, dass es der geilste Duft ist, den es gibt. Die Produktionskosten liegen bei rund 5,90 Euro, ich verkaufe für 249 Euro. Meine erste Firma habe ich bereits vor 13 Jahren gegründet, die Fragrance One GmbH vor vier Jahren. Darüber ist die Daniel Schütz Holding GmbH plus zwei Firmen in den USA. Ich mag es, unabhängig zu sein. Ich rede auch mit Leuten, die Firmen schlucken. Ich könnte dir Firma für 50 bis 80 Millionen verkaufen. Ich würde aber keine weitere Uhr, kein Auto, keine Klamotten kaufen.  Du wirkst oft besessen in deinen Videos. Wladimir Klitschko hat mir mal gesagt, man muss besessen sein für Erfolg. Siehst du das auch so in deinem Leben?  Conor McGregor, der MMA-Kämpfer, hat das auch mal gesagt. Besessenheit ist mit Vorsicht zu genießen. Für mich geht das über das Erdliche hinaus. Damit muss man aufpassen. Aber um es plakativ zu sagen: Für mich gibt es den ganzen Tag nur Düfte, Düfte, Düfte. Über allem steht aber etwas anderes. Ich formuliere es in meinen Worten: Du musst wissen, dass das, was du tust, richtig ist. Und immer nach vorne gehen.  Aber du bist kompromisslos. Ja, total. Es gibt ja auch das Prinzip: zwei Schritte vorwärts, einen zurück. Das ist bei mir auch so. Aber es muss vorwärts gehen. Du begegnest vielen jungen Menschen. Statistiken verraten, dass die Jugend schon beinahe depressiv ist, zumindest viel Angst vor der Zukunft hat. Was sagst du jungen Leuten?  In der Bibel gibt es das Statement: »Denn sie wissen nicht, was sie tun.« Ich habe daraus eine dezente Abwandlung entwickelt: »Denn sie wissen nicht, was ihnen angetan wird.« Wenn du den ganzen Tag nur aufs Handy schaust, kannst du ja nur zum faulen Ficker werden, der nix mehr machen will. Für Essen muss man nicht mal mehr losfahren. Das Essen kommt per App innerhalb von 20 Minuten. Der Mensch wird trainiert, immer fauler zu werden. Es liegt in der Natur des Menschen, Energie zu sparen. Ich wusste zum Beispiel auch nicht, dass der Körper so eine Art Fett-Memory hat. Er merkt sich, wie fett du in deinem Leben maximal warst, und versucht dich immer wieder auf diesen Wert zu bringen. Der Instinkt will nämlich Vorräte anlegen, falls mal grad kein Mammut zum Schlachten bereitsteht. Was er natürlich nicht weiß, ist, dass du heute 365 Tage im Jahr Mammut im Supermarkt kriegst. Und sogar Obst, was es früher nur saisonal gab. Bei Aldi im Regal mit ablaufender Haltbarkeit gibt es Hackfleisch für 1,10 Euro. Also auch die Wenigverdiener kriegen richtig viel zu fressen. Die heutige Generation weiß nicht, was ihnen angetan wird. Alles ist im Überfluss vorhanden. Was ist also der Ratschlag? Ihr müsst euch künstlich restriktieren. Weniger ist mehr. Erstens: Nur vollwertige Lebensmittel – keine verarbeiteten. Zweitens: keinerlei Social Media mehr konsumieren, keinerlei Fernsehen mehr gucken. Nur noch Bücher lesen und Podcasts hören.  Welche Bücher empfiehlst du gerne? »Denke nach und werde reich«, das ist das Aushängeschild. »Die Kraft positiven Denkens« und »Denken Sie groß«.  Im Leben läuft ja nicht immer alles glatt. Bereitest du dich im Leben auch auf Rückschläge vor oder bist du immer auf der Sonnenseite?  Du musst wissen: Du bist die ganze Zeit im Erfolg. Wenn ich hier aufrecht stehe, ist das schon ein Erfolg. Wenn ich etwas ungesundes nicht esse, ist das schon Erfolg. Es sind nicht große Dinge, sondern viele kleine Dinge, die Erfolg ausmachen. Die Big Things kommen nebenbei. Dass du mal bei Promi Big Brother bist oder so – scheißegal. Da warten wieder 500 Nachrichten auf mich, weiter gehts. Es kommt auf die Kleinigkeiten des Alltags an; wie ein Zug, der die ganze Zeit fahren muss. Es ist klug, im Drehmoment zu bleiben – ein Zug, der alles wegballert, statt einem, der festhängt. Leaders focus on momentum, Leaders set the temperature. Immer weiter, weiter, weiter. Du musst wissen, dass das, was du machst, richtig ist.  Aus: Erfolg Magazin 01/2023

Jeremy Fragrance: Bibelfester Showman
Bild: Oliver Reetz