Manche Erlebnisse prägen fürs Leben. So beschreibt Sofia Ghasab ihre Flucht als damals 15-Jährige aus dem Iran nach Deutschland, gemeinsam mit ihrer Mutter, als schwierige, aber fundamental wichtige Zeit. Sprache, Kultur, Schule – überall war Anpassung gefragt. Die Teenagerin rebellierte. Als sie ihrer Mutter wegen eines unerfüllten Wunsches eine Szene machte, sprach diese klare Worte: „Du bist nicht mehr im Iran. Du bist auch keine Prinzessin mehr. Wenn du dir was holen willst, dann gehst du arbeiten.“ Genau der Weckruf, den das Mädchen brauchte, um erwachsen zu werden. Sie schmiss die Schule hin, stieg ins Geschäft ihrer Mutter ein und lernte von ihr, einer Kosmetikerin und Friseurin, Permanent-Make-up zu applizieren.
Mit 20 Jahren erkannte sie, dass sie sich weiterentwickeln und ihren eigenen Weg gehen musste, um sich selbst zu finden. Sie arbeitete in mehreren Jobs, um ihren Schulabschluss nachholen zu können und den Führerschein zu finanzieren. Kaum den Abschluss in der Tasche, bekam sie das Angebot eines Kosmetikstudios und arbeitete dort mit viel Erfolg. Bis zu 20.000 Euro Umsatz erwirtschaftete sie für das Studio jeden Monat. Doch die Unruhe verließ sie nicht. Sie bewarb sich an der Freien Kunstschule Stuttgart für ein Studium und wurde angenommen. Sie tauchte in die völlig neue, wunderbar kreative Welt der Künstler ein. Sie fand in sich selbst eine komplett neue, freie, wenn auch etwas melancholische Sophia und rasierte sich die Haare ab. Sie erfuhr am eigenen Leib, dass ihre Kunst dann gut wurde, wenn sie sich selbst ganz einbrachte, dafür litt. Weiterhin finanzierte sie ihr Studium über ihre Arbeit im Kosmetikstudio, sogar die Geschäftsführung wurde ihr angetragen, und sie folgte der Vernunft, diesen Posten zu übernehmen. Sie war super erfolgreich, doch der Gegensatz zwischen der seichten Beautywelt und der tiefsinnigen Künstlerseele zerrte an ihr.
Zum Glück konnte sie sich selbständig machen. Sie steckte ihr komplettes Geld in die Renovierung eines Ladens, doch es reichte nicht. So war eine neue Einnahmequelle gefragt. Ihr fiel auf, dass auf Instagram bei den Beauty-Posts bis dato keine „Before & After“-Bilder von Augenbrauen zu finden waren. Also postete sie Kollagen der Arbeiten ihrer Kollegen und von ihr selbst. Die passenden Hashtags sorgten dafür, dass sich Interessenten für Privatbehandlungen meldeten. Bald stand das Telefon nicht mehr still, sie war für ein komplettes Jahr im Voraus ausgebucht. Während der Laden nach und nach fertig wurde, baute sie das Geschäft in den heimischen vier Wänden auf – mit zehn Kunden täglich. Im Laden, mit 20 Mitarbeitern, wurden bis zu 300 Kunden täglich verschönt. Darunter Kunden, die aus der ganzen Welt extra dafür anreisten.
Doch auch hier stellte sich trotz allen Erfolgs irgendwann Unzufriedenheit und Unruhe ein. Sie übergab den Laden ihrem Geschäftspartner. Als neues Projekt erkor sie sich aus, Beauty-Schulungen zu geben. Diese schlugen ein wie eine Bombe. Schnell kam sie zu dem Entschluss: “Das will ich machen. Ich will durch ganz Deutschland reisen und Schulungen geben.” Drei Jahre Tour wahren schnell ausgebucht. Doch es geht immer noch besser. Irgendwann kam der Wunsch auf, nicht mehr mit fremden Produkten zu arbeiten. Sie wollte eigene Produkte produzieren und vermarkten, unter ihrem eigenen Namen. Auch hier ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten. Mittlerweile hat sie in ganz Europa über 600 Schülerinnen, sehr viele davon sind inzwischen erfolgreich geworden.
Doch auch das reicht Sofia Ghasab noch nicht. Sie sagt von sich selbst: „Meine Zeit fängt jetzt erst an. Und ich werde einiges ändern. Ich bin ruhig und gehe langsam. Und möchte, dass die Leute wissen, dass es bisher nur 30 Prozent von Sophia gewesen sind. Für die anderen ist es vielleicht 100 Prozent von Sophia, aber mein Glas ist nicht einmal halbvoll. Da ist noch viel Luft nach oben. Die Menschen sollen einfach gespannt bleiben, warten, mitfolgen, mitfeiern, damit ich ihnen das auch weitergeben kann.“
Bild: @sofiaghasabofficial/Instagram