Auch wenn die gestiegenen Zinsen und explodierenden Baukosten den Immobilienmarkt aufgewirbelt haben, ist es dennoch möglich, erfolgreich zu verkaufen. Mit einer Analyse des Marktes und den richtigen Vertriebsstrategien ist trotz der »Widrigkeiten« Potenzial vorhanden. Die Immobilienexperten Christian Molitor und Tolunay Talas erklären in unserem Interview, wie sich das Käuferverhalten verändert hat und welche Strategien helfen, den Vertrieb daran anzupassen. Nicht zu unterschätzen ist ihrer Ansicht nach die Digitalisierung der Prozesse, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein.
Herr Molitor, Herr Talas, nachdem Zinsen und Baukosten angestiegen sind, hat sich der Immobilienmarkt verändert. Wie genau?
Die Zinserhöhungen der EZB haben das Geschäft deutlich profitabler gemacht. Früher war eine vermietete Immobilie aufgrund der niedrigen Zinsen kein gutes Geschäft, da die AFA (Absetzung für Abnutzung) nicht ausreichte, um zu verhindern, dass die Nettomiete Verluste in der Steuer ausweist – Käufer müssen wegen der hohen Mieteinnahmen, der niedrigen Zinsen und der AfA Steuern zahlen. Jetzt jedoch, da die Zinsen gestiegen sind, floriert das Geschäft enorm.
Selbst genutzte Immobilien sind durch die gestiegenen Zinsen weniger rentabel geworden, da der Erwerb einer solchen auf dem Markt schwieriger geworden oder sogar unmöglich geworden ist. Ein Durchschnittsverdiener, der ein Haus für über 400.000 Euro kauft und Zinsen zwischen vier und viereinhalb Prozent zahlt, muss eine monatliche Rate von 2500 Euro netto zahlen. Dies bedeutet, dass selbst genutzte Immobilien kein Thema mehr auf dem Markt sind, während sich das Geschäft für vermietete Immobilien verbessert hat.
Die Banken fragen nun nicht mehr nach dem Grund, warum jemand, der zur Miete lebt, eine fremd genutzte Immobilie als Kapitalanlage kauft. Diese Praxis war früher in Zeiten niedriger Zinsen verbreitet. Jetzt, wo die Baukosten steigen, blüht natürlich das Bestandsgeschäft. Das bedeutet, dass derzeit Bestandsimmobilien, vermietete Immobilien attraktiver sind und sich daher leichter verkaufen lassen.
Wie haben sich das Kaufverhalten und die Wünsche der Käufer verändert? Und wie reagieren Sie darauf?
Durch die Zinserhöhung der EZB und der gestiegenen Baukosten hat sich das Verhalten der Käufer verändert. Es ist nun weniger wahrscheinlich, dass sie Neubau-Immobilien selber bauen oder für den Eigennutz kaufen. Die höheren Zinsen und Baukosten erschweren den Erwerb sowohl von Neubau- als auch von selbstgenutzten Immobilien. Im Gegensatz dazu hat die Investition in fremdgenutzte Immobilien, die durch Mieteinnahmen und Steuervorteile finanziert werden, an Bedeutung gewonnen.
Wohn- oder Gewerbeimmobilie: Welche Sparte bietet noch eine attraktive Rendite und warum?
Wohnimmobilien sind attraktiver als Gewerbeimmobilien, da in Deutschland eine Knappheit an Wohnraum besteht, was zu höheren und gesicherten Mieteinnahmen führt. Diese Knappheit macht es Vermietern einfacher, Wohnraum zu vermieten. Auch die Finanzierung solcher Immobilien durch Banken ist einfacher zu gestalten. Banken können die finanzielle Situation vermietbarer Wohnungen einfacher einschätzen und absichern, im Vergleich zu Gewerbeobjekten oder Sonderimmobilien.
Welchen Herausforderungen steht der Vertrieb heutzutage gegenüber?
Für den Vertrieb gibt es derzeit keinerlei Herausforderungen. Im Gegenteil, der Verkauf von fremdgenutzten Immobilien bietet den Eigentümern beträchtliche Steuervorteile. Durch Abschreibungsvorteile und mögliche Anpassungen der Abschreibungsdauer auf beispielsweise 25 Jahre können diese Vorteile weiter optimiert werden. Kapitalanleger können jährlich bis zu 4 Prozent des Kaufpreises steuerlich geltend machen, zusätzlich zu den 4 Prozent Zinsen, die sie bereits absetzen können.
Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Digitalisierung beim Vertrieb?
Die Digitalisierung im Verkauf von fremdgenutzten Immobilien ist von entscheidender Bedeutung, da Immobilien als das beste Instrument für die Altersvorsorge gelten. Durch ihren Inflationsschutz bieten sie den Eigentümern Sicherheit. Jedes Unternehmen, das mit solchen Produkten arbeitet, benötigt definitiv einen entsprechenden Kundenstamm. Wir verfügen zum Beispiel über eine eigene Informationstechnologie, die es ermöglicht, Kunden auf datenschutzkonforme Weise in den Finanzierungsprozess einzubeziehen. Dies bedeutet, dass Kunden Bonitätsunterlagen sicher auf der Plattform hochladen können, um eine Bankprüfung zu ermöglichen. Die deutsche Wohndarlehen GmbH (DWD) arbeitet mit Partnerbanken zusammen, die Zugang zu diesen Unterlagen erhalten, wobei strenge Datenschutzklauseln eingehalten werden. Diese Schnittstelle ermöglicht es, dass wir dem Kunden innerhalb kürzester Zeit das beste Angebot einer Bank vorlegen können. Bei der Haus- und Mietverwaltung ist die Digitalisierung ebenfalls von entscheidender Bedeutung, weil Eigentümer und Mieter über ihr Smartphone alle Angelegenheiten rund um die Verwaltung einsehen und bearbeiten können. Diese Innovation vereinfacht die Kommunikation zwischen uns, dem Vertrieb, der Verwaltung und dem Kunden.
MK
Unsere Gesprächspartner: Christian Molitor und Tolunay Talas sind die CEOs von Compass Premium und haben sich auf Immobilien als Kapitalanlage spezialisiert.
Bild: Compass Premium