Judith Williams im Interview mit Carmen Uth
Welche Bedeutung hat das Thema Emotion für Ihr Leben?
Judith Williams: Eine riesige Bedeutung. Emotion ist das, was uns antreibt. Das, was wir suchen, wodurch wir uns in die Bewegung begeben, weil wir eine bessere Emotion suchen. Alles, was wir uns materiell erarbeiten, erarbeiten wir uns meistens, um zu sagen: „Dann habe ich diese Emotion, wenn ich das oder jenes besitze.“ Bis man dahinter kommt, dass es gar nicht der Besitz des Materiellen ist, sondern zu verstehen: „ich kann diese Emotion jetzt schon, in diesem Moment, spüren, bevor ich den Ferrari oder was auch immer besitze. Emotion ist alles. Alles.
Was sind die 3 wichtigsten Emotionen, die Sie mögen?
Judith Williams: Es gibt wunderbare und zerstörrerische Emotionen. Die Kunst besteht darin, sich für die guten zu entscheiden. Respekt ist etwas, was ich für sehr, sehr wichtig halte. Das hat auch viel mit Liebe und Selbstliebe zu tun. Ein riesiger Motivator für mich ist die Dankbarkeit, das ist eine Emotion, die das Durchhalten unterstützt.
Was tun Sie dafür, um „gute“ Emotionen möglichst oft auskosten und genießen zu können?
Judith Williams: Ich halte einfach inne. Mein Leben wurde so schnell so erfolgreich. Die Seele muss ja auch nachkommen. Man muss zwischendurch einfach auch mal stehen bleiben und sich mit diesen positiven Emotionen füllen. Das ist etwas Besonderes.
Und ich blicke meine Kinder an, meine Familie an und dann sind die Emotionen sowieso gleich richtig. Da braucht man nicht mehr viel Motivation.
Was ist eine typische, alltägliche Emotionsblockade in Ihrem Leben?
Judith Williams: Mein Mann ist so begeistert von meinen Talenten und möchte beispielsweise, dass ich vor Gorbatschow singe. Und wenn ich ihm dann sage, dass ich dafür ein Jahr proben möchte, sagt er: Du kannst das. Doch ich bin ein schüchterner Typ, auch wenn das nach außen hin gar nicht so merkt. Ich glaube, tief in uns sind die meisten schüchtern, wenn sie genauer hinschauen. Das heißt, ich muss mich immer wieder überwinden, denn das Verstecken hilft nicht, es bringt nichts. Das ist meine Blockade und oft frage ich mich: „Wie groß ist gerade meine Portion?“ und wenn ich dann meine Einstellung geändert habe, geht es oft total leicht. Mein Mann ist mein Vorantreiber und wo ich mich noch sperre, kommt er einfach wieder. Er weiß genau, das beim nächsten Mal die Welt für mich dann ganz anders aussieht.
Wie schaffen Sie es, Ihre Einstellung zu verändern?
Judith Williams: Mit Dankbarkeit. Zum Beispiel mache ich mir dann bewusst, wie viele Menschen gerne so einen Vortrag vor so vielen Leuten – wie hier auf der Messe Zukunft Personal – halten würden.
Wenn Sie in bestimmte kritische Situationen – Stress, Überforderung, Kritik, Konflikte – kommen, wie schaffen Sie es, sich zu sammeln und zu orientieren?
Judith Williams: Ich ziehe mich zurück. Ich spüre in mich hinein. Ich versuche, zu verstehen, wodurch es kam. Und nicht zu denken, die anderen haben nicht funktioniert. Sondern, was habe ich bei mir ausgelöst, dass die so reagiert haben. Und meistens finde ich das Problem sehr schnell. Man findet alles bei sich. Manchmal sollen sich geschäftliche Verbindungen lösen, das ist so. Und ich habe auch meines dazu getan und vielleicht ist es auch das, was ich jetzt gerade lernen muss.
Welche Rolle spielen in so einer Situation dabei Ihre Bedürfnisse?
Judith Williams: Mein wichtigstes Bedürfnis ist, es verstehen zu können. Es zu ergründen, um mich selbst besser kennenlernen zu können. Eine der größten Herausforderungen unserer Lebensreise: Wie kann ich mich besser kennenlernen? Was sind meine Wünsche? Was sind meine Ängste? Wie kann ich das „Stretching“ machen, mich also ausdehnen und wachsen, dass ich wieder gute Emotionen mir gegenüber habe. Nur so bist Du lebendig.
Welche Rolle spielen Bedürfnisse im Hinblick auf Ihre Ziele?
Judith Williams: Meine Bedürfnisse – und ich denke, das geht den meisten so – sind geprägt von der Kindheit. Jeder schleppt ja seinen Rucksack mit sich. Ich komme aus einer Familie, wo nicht Business, sondern gelebte Emotion, nämlich Kunst im Mittelpunkt stand. Mein Großvater hingegen war Business pur.
Für mich war die Schulzeit negativ, denn immer wieder sagte man mir, was ich alles nicht kann. Ich zweifelte an mir selbst, bis ich zum Schulpsychologen gegangen bin, der zu mir stand. So begann ich mit 12 Jahren mein „Stretching“.
Ich schaue immer: Kann ich das? Und manchmal kann ich auch etwas nicht. Das passiert immer wieder. Dann weiß ich einfach – das sind meine Stärken, das sind meine Schwächen. So denken und fühlen zu können macht mich lebendig.
Wie schaffen Sie es immer wieder, sich selbst in fordernden Situationen (Problemsituationen) offen und selbstkritisch zu begegnen?
Judith Williams: Ich sehe diesen Vorgang mit sich selbst ehrlich zu sein, nicht als etwas Negatives an. Im Gegenteil. Ich sehe es als das Liebevollste, was man mit sich selbst schenken kann. Denn es ist nicht schlimm, einen Fehler gemacht zu haben. Schon alleine das Wort, der Begriff an sich ist falsch. Denn es sind Erfahrungen, die wir machen. Wir müssen einfach aufhören zu werten und zu sagen: Das ist falsch. Wenn man das kann, kann man ganz ehrlich mit sich sein und zu sich sagen: Das habe ich nicht so gut geschafft. Aber ich andere dafür anderes gut gemacht. Deswegen bin ich kein schlechter Mensch oder muss deswegen nicht traurig sein. Sondern stattdessen zu sich sagen: Das konnte ich jetzt noch nicht. Das ist wie eine Hantel, die Du hochhebst und merkst, die ist noch zu schwer. Da gilt es zu schauen, was kann ich machen, bis ich dahin komme, wohin ich kommen möchte!
Das Leben ist wie ein Fitness-Studio oder ein Abenteuer-Spielplatz.
Was unterstützt Sie in Veränderungsprozessen, sich neu auszurichten und neue Perspektiven zu erlangen?
Judith Williams: Der Hunger auf Leben. Das Leben ist endlich. Ich habe nur diese „120“ Jahre und muss mich beeilen. Ich versuche aufzuhören, zu werten. Meistens entstehen diese Ängste nur, weil man denkt: „Wenn das jemand sieht, dass ich das nicht geschafft habe…“ und man kommt in diese Spirale der Wertung. Das sind alles Erfahrungen. Deshalb rauf auf die Kletterwand und einfach schauen, ob es geht.
Begnügen Sie sich mit einer Lösung oder ist es Ihnen wichtig, auch mehrere Möglichkeiten zu entdecken?
Judith Williams: Meistens tun sich dann mehrere Möglichkeiten auf. Wenn man eine neue Möglichkeit gefunden hat, rutscht man leicht in die Schleife „Genau dieser Weg muss es sein“. Dann merkt man auf einmal, alle anderen wollen genau diesen Weg gar nicht. Dann muss man überlegen, warum die anderen nicht wollen. Das ist dann eine neue Schleife, die ist ganz, ganz wichtig. Dann gemeinsam „um die Ecke zu gehen“eröffnet einen neuen Weg und dann kommt noch ein weiterer Weg hinzu. Da wird man plötzlich kreativ.
Wie holen Sie sich aus einer Emotionsblockade heraus?
Judith Williams: Meine schlimmste Emotionsblockade war, als ich diesen Tumor hatte und alles, meine komplette Identität, verloren hatte. Da habe ich mich einfach hängen lassen und habe dieses Gefühl einfach mal durchlebt. Das ist auch wichtig, auch mal dieses Selbstmitleid zuzulassen. Es heißt ja immer: „Reiß Dich zusammen!“ NEIN. Jetzt reiße ich mich eben mal nicht zusammen! Das Schlimme ist natürlich, wenn man sich über längere Zeit nicht irgendwann doch zusammenreißt, sondern in diesem Selbstmitleid verharrt, was nicht gerade empfehlenswert ist. Aber es ist gut, mal diese wilde Welt, dieses wilde Leben zu spüren. Und wenn man genau das geschafft hat, dann schafft man plötzlich auch wieder aufzustehen. Dann sagt man sich: „Ok, das habe ich jetzt gespürt. Das hat mir nicht so gut gefallen.“ Denn irgendwann wird es langweilig, in Selbstmitleid zu vertriefen. Im Business kostet es natürlich auch Geld, wenn man zu lange in dem Gefühl ist.
Carmen Uth ist Emotionsmanagerin, Mediatorin und diplomierte Ökonomin.
Bild: Judith Williams