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Wenn Sie auf einer Party von jemandem gefragt werden, was Sie eigentlich genau tun, was antworten Sie?
Ich unterstütze und begleite Eltern autistischer und neurodiverser Kinder oder Jugendlicher in einem intensiven und auf sie zugeschnittenen 1:1-Coaching über Online-Formate wie zum Beispiel Zoom. Hierbei ist der zentrale Aspekt, Familien intensiv zu begleiten und sie in ihren Handlungskompetenzen zu unterstützen, eigene Wege zu finden, mit den täglichen, herausfordernden Situation umzugehen und für sie und ihre Familie mit kreativen Ideen und konkreten Hilfesystemen passende Strategien zu finden. Ich unterstütze sie darin, autismusspezifische und/oder herausfordernde Verhaltensweisen ihres Kindes zu verstehen und in einem positiven Licht betrachten zu können. Ich biete eine Community an, in der es sowohl bedarfsspezifischen fachlichen Input gibt als auch die Möglichkeit, individuelle und konkrete Fragen zu stellen und in der zusätzlich ein Austausch zwischen Eltern ermöglicht wird. Ich gebe Seminare und Trainings für Fachkräfte, soziale Einrichtungen, Bildungseinrichtungen wie auch für Unternehmen.
Gab es ein bestimmtes Ereignis, das Sie bewegt hat, diesen Weg einzuschlagen? Oder war es ein Kindheitstraum?
Es gab kein bestimmtes Ereignis. Motiviert hat mich jedoch in den vielen Jahren meiner Tätigkeit, die Lebenswege der Menschen zu sehen, die – trotz einer guten intellektuellen Begabung – einen sehr schweren Weg haben, um sich persönlich zu entfalten, ihre Potenziale frei zu legen und zu zeigen und die sich sehr häufig fremdbestimmt fühlen. Dies geschieht vor allem deshalb, weil diese Personen keine oder nicht ausreichende Worte oder Mittel finden, sich angemessen mitzuteilen und verstanden zu werden. Hier war es mir immer ein Anliegen und eine Motivation, Menschen zu begleiten, ihre eigene Sprache zu finden, sich selbst als Person Ausdruck zu verleihen und soweit als möglich ihr Potenzial zu entfalten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und sich vor allem als selbstwirksam zu erleben. Geschieht dies nicht, so folgt daraus häufig eine Hilflosigkeit, die weitere potenziell beeinträchtigende Verhaltensweisen begünstigt. Aus dieser Spirale möchte ich den Menschen helfen herauszufinden.
Warum haben so viele Menschen Herausforderungen mit diesem Thema?
Meiner Meinung und Erfahrung nach besteht die große Herausforderung darin, dass Autismus nicht sichtbar ist und daher das Verhalten von anderen Menschen schwer eingeschätzt werden kann. Im Gegensatz zu beispielsweise einer körperlichen Beeinträchtigung oder einem Handicap, das in der Regel für andere schnell ersichtlich ist und dem Gegenüber direkt eine klare Aussage darüber erlaubt, wie es mit dem Menschen umgehen kann oder eben auch nicht, ist Autismus nicht sichtbar und wird deshalb sehr häufig von der Umwelt als Unart oder Provokation wahrgenommen. Für Familien mit Kindern, die von Autismus und Neurodiversität betroffen sind, gibt es eine massive Versorgungslücke in Bezug auf Therapie und häusliche Hilfen. Hier kann das Coaching derartige Lücken zunächst füllen und dauerhafte oder Übergangshilfe sein.
Kommen die Leute zum richtigen Zeitpunkt zu Ihnen? Oder ist das Kind eigentlich oft schon in den Brunnen gefallen?
Häufig kommen Familien, wenn die Not bereits sehr groß ist und sie am Rande ihrer Belastungskapazität sind. Vor allem geschieht dies manchmal dann, wenn das Kind noch keine Diagnose hat und die Eltern abweichendes Verhalten nicht einschätzen können – sie wissen sozusagen nicht, was mit ihrem Kind »nicht stimmt« oder zweifeln massiv an ihren erzieherischen Kompetenzen. Hier bleibt lange die Frage offen, bei wem oder wo sie Hilfe und Unterstützung finden können. Die meisten Angebote werden für Kinder vorgehalten, die bereits diagnostiziert sind und auch diese sind hoffnungslos überfüllt mit monate- oder jahrelangen Wartelisten. Dies ist ein Dilemma für Familien, deren Kapazitäten praktisch erschöpft sind und die dringend Hilfe benötigen. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass es unterstützende fachliche Angebote gibt, um diesem Effekt entgegenzusteuern. So lässt sich eine frühzeitige Entlastung für die gesamte Familie erreichen.
Mit welcher Frage lösen Sie bei Ihren Klienten in der Regel einen Veränderungsprozess aus?
Die eine Frage, die einen Veränderungsprozess auslöst, gibt es nicht. Eine Art Patentrezept gibt es ebenfalls nicht. Eine Aneinanderreihung an kommunikativem Austausch zu Schwierigkeiten und Ressourcen, person-zentrierten und prozessorientierten Fragen und Antworten, das Wahrnehmen der Familie in ihrer Lebensrealität und die Bereitschaft, gedanklich in diese einzusteigen, verhilft mir neben fachlichem Know-how und viel Erfahrung in meiner Arbeit dazu, mit den Familien gemeinsam für diese passende Lösungen zu finden, Ressourcen freizulegen und Veränderungen zu unterstützen.
Unsere Gesprächspartnerin:
Claudia Oliveira ist Heilpädagogin.
Als Expertin beschäftigt die sich mit Menschen im Autismus-, beziehungsweise neurodiversen Spektrum.
Beitragsbild: Justin Bockey / Claudia Oliveira