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Investieren wie Warren Buffett

Die Value Investor Ausbildung von Guy Spier | Wenn es im Leben Ihr Ziel ist, reich zu werden, ist Value Investing eine schier unschlagbare Methode, dieses Ziel zu erreichen. Sicher gibt es Zeiten, in denen es aus der Mode kommt, und selbst die größten Praktiker dieser Methode werden dann als angestaubte Ewiggestrige abgetan, die ihr glückliches Händchen verloren haben. Aber Value Investing ist eine so robuste und von Grund auf gesunde Methode des Investierens, dass es am Ende stets seinen Glanz zurückbekommt.

Irrationale Überschwänglichkeit kommt und geht. Die Suche nach dem echten Wert bleibt. Doch Value Investing ist nicht nur eine Strategie zum Aktieninvestment, die Sie reich machen kann. Für mich impliziert schon der Begriff selbst etwas Tiefergehendes, als nur die Millionen anzuhäufen, um sich einen Landsitz in Greenwich, ein Ski-Chalet in Gstaad oder einen glänzenden Ferrari zu kaufen. Warren Buffetts Leben zeigt uns beispielhaft, dass wir hier auch über die Suche nach echten Werten sprechen – nach einem Sinn, der jenseits von Geld, Karriere und Sozialprestige liegt.

Ich möchte diese Dinge aber auch nicht völlig ablehnen oder lächerlich machen. Auch wenn ich manchmal etwas einfältig bin mit meinen grundlegenden kapitalistischen Instinkten, so bin ich doch nicht so einfältig. Ich fahre doch auch ein Porsche Cabrio – auch wenn das zuzugeben mir manchmal etwas peinlich ist. Und ich bin so besessen davon, den perfekten Cappuccino zu finden, dass ich 6000 Dollar für eine direkt aus Florenz importierte La-Marzocco-Kaffeemaschine ausgegeben habe. Ich versuche, diese Exzesse damit zu rechtfertigen, dass ich mir Sir John Templeton als Beispiel nehme, der ein Vermögen für wohltätige Zwecke gespendet hat und trotzdem einen Rolls Royce fuhr. Und sogar Buffett hat sich einen Privatjet gekauft, den er selbstironisch »Der Unverzeihliche« nannte (später, als er seine Meinung geändert hatte, rehabilitierte er ihn als »Der Unerlässliche«). Und Charles Munger gab Millionen für einen Luxus-Katamaran namens »Channel Cat« aus.

Wenn solche Sachen Sie reizen, dann ist Value Investing eine tolle Methode für die von Ihnen angestrebten Ausschweifungen. Genießen Sie es. Aus meiner Perspektive ist dies der äußere Weg eines Value-Investors – das Streben nach Reichtum, physischem Komfort und (es gibt eben kein besseres Wort dafür) Erfolg. Aber es ist wichtig, sich nicht derart auf dieser inhaltsleeren Jagd zu verlieren, dass wir vergessen, was am wichtigsten ist: unsere innere Reise auf ein Ziel hin, das weniger greifbar, aber von höherem Wert ist. Die innere Reise ist der Weg, wie wir die bestmögliche Version unserer selbst werden, und dies erscheint mir als der einzig richtige Weg im Leben. Dazu gehört, dass wir Fragen stellen wie: Wozu will ich reich sein? Was verleiht meinem Leben einen Sinn? Und wie kann ich meine Talente dazu einsetzen, um anderen Gutes zu tun?

Relativ früh in seiner Investmentkarriere schloss Buffett seine Kommanditgesellschaften und zahlte die Einlagen an seine Aktionäre zurück. Selbst damals war er nicht sonderlich interessiert an der hemmungslosen Jagd nach Reichtum. Es ist völlig klar, dass es nicht das Geld ist, das ihn morgens stepptanzend zur Arbeit gehen lässt. Ganz ähnlich hat auch Munger einmal gesagt, wenn man einmal eine gewisse Summe an Geld gemacht habe (ich glaube, es waren 100 Millionen Dollar), dann müsse man schon nicht ganz richtig im Kopf sein, wenn man versucht, immer noch mehr Reichtum anzuhäufen. Templeton widmete ebenfalls einen Großteil seines Lebens der inneren Reise. Und so ist sein größtes Vermächtnis heute seine Wohltätigkeitsinstitution, die sich der Erforschung »der großen Fragen der Menschheit und der ultimativen Wahrheit« widmet, darunter Komplexität, Evolution, Unendlichkeit, Kreativität, Vergebung, Liebe, Dankbarkeit und der freie Wille. Das Motto der Institution ist: »So wenig wir wissen, so sehr wollen wir lernen.«

Wenn es ums Investieren geht, sind die Unwissenden nicht selig zu preisen, denn die Finanzmärkte sind gnadenlos effektiv darin, solche emotionalen Schwächen bloßzustellen. Während der Hypothekenkrise zum Beispiel war es für mich lebenswichtig, meine eigene komplexe Einstellung zum Geld zu verstehen, denn sie beeinflusste mein Urteilsvermögen und meine Fähigkeit, mit der psychologischen Wirkung der einbrechenden Aktienmärkte umzugehen. Intellektuell gesehen ist es eher einfach, die Techniken des Investments zu beherrschen – etwa Bilanzen lesen zu können oder unterbewertete Unternehmen zu erkennen. Aber was nützen diese Fähigkeiten einem Investor, wenn er in einem Meer von Angst untergeht, das seinen rationalen Neokortex völlig überflutet? Es ist entscheidend, dass man selbst Verantwortung übernimmt, anstatt anderen die Schuld zu geben.

Für mich war das innere Erleben des Marktzusammenbruchs ganz anders, als es für Mohnish war, der von den absackenden Kursen in seinem Portfolio völlig ungerührt schien. Seine Erklärung dafür war, dass er über lange Phasen in seiner Jugend sehr viele Aufs und Abs in der Unternehmerkarriere seines Vaters erlebt hatte. Offenbar hatte es vielfache Gelegenheiten gegeben, in denen sein Vater am Rande des finanziellen Ruins gestanden hatte oder tatsächlich pleitegegangen war. Doch selbst inmitten dieses Tumults blieb die Stimmung in seiner Familie erstaunlich gelassen. Also ist für Mohnish die Aussicht auf ein finanzielles Desaster nicht so emotional belastend, wie sie es vielleicht für mich ist. Ein positives Ergebnis dieser emotionalen Stärke war, dass er in der Lage war, geplatzte Aktien weiterhin zu kaufen, und zwar zu einem Zeitpunkt, da andere Investoren sich lieber in Fötushaltung in einer Ecke ihres Büros zusammenrollten.

Ich würde sagen, seriöse Investoren müssen ihre Beziehung zum Geld und deren Funktionsweise kennen, denn sie kann Chaos auslösen. Auf der Basis dieses Verständnisses können wir dann Anpassungen vornehmen – zum Beispiel in unserem physischen Umfeld oder hinsichtlich bestimmter Punkte unserer Investmentcheckliste. Aber ich glaube nicht, dass es möglich ist, die Verkabelung selbst zu verändern, wie klug wir auch immer sein mögen. Ich habe es jedenfalls ganz sicher noch nicht geschafft. Früher dachte ich immer, ich könnte meine Angst vor finanziellem Verlust überwinden, aber ich lernte mit der Zeit zu akzeptieren, dass dies einfach ein Teil von mir ist. Zweifellos statten Warrens und Mohnishs Seelenlandschaften sie besser dafür aus, Entscheidungen in Sachen Geld mit kühlem Kopf zu treffen. Aber ich kann mein Leben nicht mit dem Wunsch verbringen, ich sei einer von ihnen. Sondern ich muss verstehen, was mich ausmacht, und dann auf der Basis meiner Selbsterkenntnis Investments tätigen, mit denen ich emotional umgehen kann.

Am Ende habe ich die Finanzkrise gut überstanden, zum Teil weil ich mich mit meiner Verlustangst beschäftigt habe und Wege fand, dennoch weiterzuarbeiten. Hätte ich mir diesen Aspekt meiner Psyche nicht bewusst gemacht, wäre ich vielleicht in Panik ausgebrochen, als eine Aktie wie Discover Financial Services um 80 Prozent fiel. Stattdessen hielt ich an ihr fest, als sie wieder stieg. Nachdem ich heute besser verstehe, wer ich bin, habe ich auch zu glauben aufgehört, ich müsse immer die bestmöglichen Erträge erzielen. Ich fühle mich wohler, wenn ich innerhalb der mir gegebenen Grenzen vernünftige Erträge erziele, die auf lange Sicht über dem Marktindex liegen. Ich habe auch immer schon einen großen Anteil meines Fonds in Berkshire Hathaway angelegt. Da das Unternehmen so riesig ist, könnte ich wahrscheinlich mit anderen Unternehmen bessere Erträge machen. Aber die Berkshire-Anteile in meinem Portfolio sind der Ballast, der sicherstellt, dass das Schiff nicht kentert – sowohl finanziell als auch emotional. Es ist mir psychologisch wichtig, Buffett in meinem Umfeld zu haben. Ist das rational? Für mich ja.

 

Auszug aus dem Buch „Die Value-Investor-Ausbildung“, Finanzbuchverlag, Bild Guy Spier privat

 

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