Herr von der Lippe, was macht eigentlich einen Komiker „komisch“? Es gibt ja genügend Leute, die sich so nennen, aber gar nicht komisch sind.
Das liegt im Auge des Betrachters. Wer nicht komisch ist, wird sich in dem Beruf auch nicht lange halten. Es kommt eben darauf an, seinen eigenen Stil zu finden um sich zum einen von den anderen zu unterscheiden und zum anderen dem Publikum einen Grund zu liefern, just für einen Geld auszugeben, das ist alles.
Sie brechen ja viele Tabus. Haben Sie das schon als Junge gemacht oder war das irgendwann ein Handwerkszeug?
Wir können bei Freud nachlesen, dass der Tabubruch die sicherste Wirkmöglichkeit bietet. Die Kunst dabei ist, dass man nicht die Schwelle überschreitet, die beim Zuschauer Widerwillen hervorruft. Man könnte das auch „Timing“ nennen. Aber das ist natürlich eine Binsenwahrheit, dass alles, was mit„bodily functions“ also Verdauung, Sex und so weiter zu tun hat, eben die Garant für eine starke Wirkung ist. Es gibt natürlich Leute, die das vermeiden, das kann jeder halten, wie er will. Ich würde das auch gar nicht mehr als Tabu bezeichnen, weil das eben altbekannt ist.
In Ihrer Branche ist dieser Tabubruch ziemlich normal, in anderen gar nicht so gerne gesehen, wie zum Beispiel in der Politik. Können die sich theoretisch etwas bei Ihnen abgucken?
Man muss sehen, welche Dinge man vergleicht. Politiker leben von ihrem Ansehen. Das heißt, sie müssen „politically correct“ sein. Wenn man aber in die Werbung guckt, heißt es „sex sells“. Die Werbung arbeitet mit diesen Dingen, weil bekannt ist, dass die Leute auch unterbewusst darauf ansprechen.
Es ist auch sehr interessant, wenn Sie Mnemotechniker fragen. Gedächtnistechnik heißt, dass ich Begriffe oder Bilder, die ich mir merken will, umsetze in Bilder, die ich verknüpfe. Je gewalttätiger oder sexueller aufgeladen so ein Bild ist, das ich mir mache, desto besser hakt es sich fest.
Wenn man Sie auf der Bühne oder im TV sieht, machen Sie den Eindruck, als könnten Sie sich sehr gut beherrschen. Ist das in allen Lebenslagen so? Also fangen Sie nicht zu lachen an, bevor der Witz zu Ende ist?
Doch, das ist eine Technik, die heißt „to laugh a gag home“. Das machen viele auf unterschiedliche Art und Weise. George Burns hat zum Beispiel immer, wenn die Pointe gekommen war, die Zigarre in den Mund gesteckt und das ist so ein bisschen wie ein Pawlow. Er hat also das Publikum darauf hin dressiert: Wenn er sich die Zigarre in den Mund steckte, wussten die Leute: „Ah, das war komisch!“, auch wenn sie es nicht verstanden hatten.
An Ihrem Erfolg lässt sich ablesen, dass Sie Ihren Beruf gerne machen. Wie lange sind Sie schon im Geschäft?
Ich arbeite jetzt seit 40 Jahren in diesem Bereich.
Sind Ihnen in dieser langen Zeit Leute untergekommen, die diesen Beruf nicht so gerne machen, wie Sie selbst? Geben Sie solchen Leuten etwas mit auf den Weg?
Nein, das ist ja nicht meine Aufgabe. Ich würde aber auch nicht zustimmen, dass ich Leute getroffen habe, die in diesem Beruf erfolgreich sind und ihn nicht gerne machen. Das schließt sich eigentlich aus.
Es ist auch nicht nur das „gerne machen“. Man kann auch einen Schritt weiter gehen. Wir Schauspieler haben ein bisschen mehr Exhibitionismus, ein bisschen mehr Harmoniebedürfnis. Wir haben eine kleine Störung, verglichen mit dem psychischen Mittelmaß, sind irgendwo Junkies, Abhängige von der Liebe des Publikums. Das kann man so sagen. Wir haben alle einen kleinen Schuss und wer diesen Schuss nicht hat, wird es eben nicht so weit bringen. Mit einer einzigen Ausnahme kenne ich auch niemanden, der dem Pensionsdatum entgegenfiebert.
Ihr Kollege Eckhart von Hirschhausen fordert ja Humor auf Rezept. Jetzt mal ganz im Ernst: Wäre das was?
Das habe ich schon vor 18 Jahren gefordert, in einer Glosse fürs Diners Magazin, die dann leider doch nicht gedruckt wurde. Das war so die Zeit, als die ersten Erkenntnisse gesammelt wurden, was das Lachen eigentlich bewirkt. Man braucht weniger Schmerzmittel, es stärkt das Immunsystem und den Kreislauf. Das sind alles Dinge, die kann man nachschlagen. Eckhart hat seine wunderbare und sehr erfolgreiche Stiftung und die Aktion „Klinikclowns“, das ist etwas, was sich weltweit durchgesetzt hat. Dazu gibt es auch Studien, das kann man alles nachweisen. Von daher wäre die Forderung durchaus angemessen, dass wir von den Kassen bezuschusst werden. (lacht)
Sie legen generell sehr viel Wert auf eine ordentliche Ausdrucksweise und Sie haben auch Linguistik studiert. Sind Komiker, die sich gewählt ausdrücken, vielleicht sogar komischer? Ich denke da an Heinz Erhard.
Na ja, wenn man eine Parodie auf gewählte Sprache nimmt, würde mir weniger Heinz Erhard als viel mehr Olaf Schubert einfallen. Aber man kann natürlich auch mit Verballhornung von Fremdwörtern arbeiten wie Paul Panzer oder Helge Schneider das auch manchmal gemacht haben.
Ich war zwar einige Jahre lang Deutschlehrer aber ein Germanistikstudium ist natürlich genauso wenig eine Voraussetzung um Komiker werden zu können, wie alles andere. Wir haben jede Menge Seiteneinsteiger in diesen Beruf. Es ist eher so: Du hast den Wunsch, Komiker zu werden und wirst versuchen, das, was du vorher gemacht oder gelernt hast, dir in diesem Beruf nutzbar zu machen. Und ob du nun Pilot warst oder KFZ-Mechaniker oder Koch, wie bei Horst Lichter zum Beispiel, natürlich fließt das ein. Aber grundsätzlich ist Komiker ein Beruf der jedem, der diese Passion mitbringt, offensteht.
Sie sind mehrfacher Bestseller-Autor. Haben Sie Ihre Bücher noch im Schrank stehen oder schon alle auf dem iPad?
Also, mit der e-Book-Reader-Technologie arbeite ich natürlich schon aber meine Liebe gilt den Büchern. Ich habe drei e-Book-Reader, davon auch einen, den man mit in die Badewanne nehmen kann. Ganz einfach, weil ich gerne meine eigenen Texte in der Nähe habe, ohne ständig DIN A4-Blätter mit mir rumzuschleppen. Ich habe auch schon bei Lesungen den e-Book-Reader benutzt, weil ich gerne einen Text, den ich am Tag vorher geschrieben habe, einfach ausprobiere. Deswegen betreibe ich ja derzeit gerne Hallenshows mit normalem Comedy-Programm und Lesungen im etwas kleineren Rahmen parallel.
Vielen Dank, Herr von der Lippe.
Bild: Andre Kowalski