Frau am verzweifeln

Kein Gipfel ohne Tal – Vom erfolgreichen Scheitern

Als ich die Anfrage erhielt, einen Beitrag über mich und meine persönliche Geschichte schreiben zu dürfen, war ich extrem verdattert. Eine Zeitschrift, deren Titel genau das Gegenteil von dem behandelt, mit dem ich mich jahrelang in irgendeiner Weise verbunden fühlte, möchte von mir gescheiterter Existenz ein paar weise Worte hören? Was habe ich in der Liga von Erfolgstypen wie Dirk Nowitzki, Dieter Bohlen oder Elon Musk zu suchen? Alles, worüber ich mich über viele Jahre lang ausschließlich identifizieren konnte, war mein beruflicher Misserfolg.

Ich hatte mich bis zu diesem Wendepunkt in meinem Leben, an dem ich mit meinem großen Traum vom eigenen Café baden ging, nie wirklich mit dem Thema Erfolg oder Misserfolg beschäftigt. Ich dachte immer, man müsse nur hart arbeiten oder etwas tun, das einem wirklich gefällt, um langfristig erfolgreich zu sein. Disziplin, eine Prise Glück und den Wunsch nach einem schönen Leben sah ich damals als Faktoren für mein berufliches Vorwärtskommen an. Für mich war Erfolg die Vision, mit meinem eigenen Café gut über die Runden zu kommen, loyale Freunde zu haben und vielleicht sogar noch in einer glücklichen Beziehung zu leben. 

Die Realität machte mir jedoch einen großen Strich durch die Rechnung. Den Traum, mein eigener Boss zu sein, verwirklichte ich mit dem „Frollein Palisander“ in Berlin. Aber leider hatte ich mich verkalkuliert. Dieser Laden, der mich und mein Leben glücklicher und erfüllter machen sollte, erwies sich als Schuldenfalle. Nach knapp einem Jahr musste ich mein Café wieder schließen. Mit 40.000 Euro Schulden und der Privatinsolvenz im Nacken.

 

Mein Traum war geplatzt. 

Wenig später wurde ich auf die „Fuckup Nights“ aufmerksam, wo Menschen von ihren beruflichen Rückschlägen erzählten. Und ich erkannte, dass ich nicht die einzige war, die das Leben in ein tiefes Tal gedrängt hatte. Durch meinen Auftritt erlebte ich einen inneren Befreiungsschlag und merkte, dass ich mich mit meinen Erfahrungen nicht mehr verstecken muss. Ich kämpfte mich heraus aus der Isolation, die mich lange Zeit umgeben hatte.

Denn die meisten Menschen bleiben nach einem Misserfolg lieber für sich und das ist auch verständlich.

In dieser Hinsicht bin ich Dirk Nowitzki, Dieter Bohlen oder Elon Musk vielleicht gar nicht so unähnlich. Bestimmt waren sie auch das eine oder andere Mal hingefallen. Aber sie waren danach auch wieder aufgestanden und haben weitergemacht, indem sie ihre Erfahrungen für neue Vorhaben genutzt haben.

Natürlich ist ein kleines Café etwas anderes als SpaceX. Aber andere Größenverhältnisse ändern nichts an der Botschaft. Ich machte bei meinem nächsten Versuch vieles anders. Ich suchte mir von Anfang an bessere Rahmenbedingungen, indem ich beispielsweise nicht mehr selbst neu eröffnete, sondern einen bereits bestehenden Laden übernahm, dessen Umsätze ich kannte. Ich achtete genauer auf die Lage des Lokals, hatte endlich Sonne auf meiner Terrasse und frequente Laufkundschaft. Dass sich der Laden trotzdem nicht halten konnte, war vielleicht Pech, vielleicht zum Teil immer noch meine Schuld. Dafür konnte ich nun alles richtig machen und die Notbremse ziehen. Keine Privatinsolvenz, keine Schulden. Alles war gut.

Ich habe erkannt, dass ich damals vor Jahren zwar versagt hatte, deshalb aber noch lange keine Versagerin war. Und ich hatte dazugelernt und dieselben Fehler nicht noch einmal gemacht. Ich habe auch erkannt, dass Erfolg und Misserfolg oft zusammenhängen. Und dass man ruhig scheitern darf, ohne deshalb gleich ein schlechter Mensch zu sein. Denn Erfolg hat nicht zwangsläufig etwas mit äußeren Umständen zu tun. Er findet vor allem im Kopf statt.

 

 

Martina Leisten: Voll verkackt!
Wie ich auf ganzer Linie scheiterte und was ich daraus lernte
mvg Verlag, Softcover, 240 Seiten
ISBN: 978-3-7474-0111-8
16,99 Euro (D) bzw. 17,50 Euro (A)

 

 

 

Bild: Depositphotos.com/AllaSerebrina

Cover: mvg