Sobald die Temperaturen steigen und die Tage länger werden, wirft auch schon das Sommerloch seine Schatten voraus: Jeder Dritte – das berichtete im Jahr 2021 der österreichische »Standard« unter Berufung auf eine Umfrage des Jobportals »Hokify« – rechnet angesichts der Sommermonate mit gähnender Leere auf dem Schreibtisch. Doch handelt es sich bei dem sogenannten Sommerloch lediglich um einen modernen Mythos oder kann diese Zeit tatsächlich gravierende Umsatzeinbußen zur Folge haben? Thorsten Schwack und Esra Erdem vom Kerkener Weiterbildungsinstitut Stratavis wissen um die Herausforderungen, vor welche die Sommerzeit Unternehmen stellen kann. Im Interview erläutern sie, warum eine geringe Auftragslage auch Chancen bieten kann und welche Rolle das Mindset für die Mitarbeiter-Motivation spielt.
Herr Schwack, in der Sommerzeit verzeichnen viele Unternehmen niedrigere Umsätze als üblicherweise. Wie kommt es eigentlich zu einem sogenannten Sommerloch und welche Branchen sind erfahrungsgemäß besonders stark betroffen?
Dafür kann es viele Gründe geben. Einerseits sind in einigen Branchen Kunden während der Sommermonate weniger aktiv oder haben schlicht weniger Bedarf an bestimmten Produkten und Dienstleistungen. Andererseits nutzen auch viele Vertriebsorganisationen diese Zeit, um ruhigere Phasen und Urlaubszeiten einzuplanen. Fakt ist: In dieser Zeit ist es schwieriger, mit Geschäftspartnern in Kontakt zu treten. Urlaub, Ferien und teilweise kürzere Arbeitszeiten erschweren die Kommunikation. Natürlich macht sich das auch umsatzbezogen bemerkbar.
Betroffen sind trotzdem natürlich nicht alle Unternehmen. Wir beobachten den »Sommerloch-Trend« jedoch häufiger im Einzelhandel und bei den damit verbundenen Lieferanten sowie in zahlreichen Dienstleistungs- und Beratungszweigen.
Frau Erdem, obwohl diese Zeit der schwächeren Umsätze vorhersehbar ist, kann man einem Sommerloch dennoch kaum vorbeugen. Lässt sich diese Zeit denn anderweitig produktiv nutzen, indem beispielsweise Veränderungen ins Unternehmen eingebracht werden, die es auf lange Sicht voranbringen?
Grundsätzlich braucht natürlich jeder auch mal eine Auszeit. Wer allerdings in den Sommermonaten arbeitet und aktiv ist, während andere Urlaub machen, kann diese Zeit nutzen, um störungsfreier und mit weniger Unterbrechungen an seinem Business zu arbeiten. Insoweit kann das Sommerloch auch als Chance betrachtet werden, sich verstärkt einiger unternehmerisch sinnvollen Tätigkeiten zu widmen. Das kann zum Beispiel die Überarbeitung der eigenen Unternehmensdarstellung bedeuten. Verkaufsunterlagen, Website-Auftritt und die Umgestaltung von Designs bis hin zur Neugestaltung von Büro- und, beziehungsweise oder, Verkaufsräumen sind sinnvolle Maßnahmen, die im normalen, operativen Geschäft oft zu kurz kommen. In vielen Fällen kann es auch Sinn machen, den Fokus verstärkt auf die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungsangebote zu lenken, um mit voller Kraft wieder aus dem Sommerloch zu starten. Nicht zuletzt ist diese Zeit auch gut geeignet, um in die Weiterbildung und Performance-Entwicklung der eigenen Mitarbeiter zu investieren.
Welche Auswirkungen kann ein Sommerloch kurz-, mittel- und langfristig auf die Mitarbeiter, insbesondere auf solche im Vertrieb, haben?
Thorsten Schwack: Grundsätzlich fällt es Menschen oft schwer, nach einer Auszeit die eigene Motivationskurve wieder hoch zu bekommen. Geschäftlich ruhigere Phasen werden traditionell als etwas Wiederkehrendes und Normales empfunden und daher allzu oft ausgesessen.
In einigen Branchen gibt es diese klassischen Zyklen im Grunde gar nicht mehr und dennoch wird vertrieblich agiert, als wäre es noch so. In der Konsequenz verpassen Vertriebsorganisationen dadurch in scheinbar ruhigeren Phasen echte Vertriebs- und Verkaufschancen und wenn das Geschäft wieder anzieht, sind Mitarbeiter noch nicht wieder voll im Arbeitsmodus und handeln noch nicht ausreichend zielorientiert im Sinne der Unternehmensstrategie. Das kann dann im letzten Quartal eines Kalenderjahres eng werden, wenn es gilt etwaige Umsatz- beziehungsweise Ertragslücken zu schließen.
Wie sollten Führungskräfte Ihrer Ansicht nach mit diesen internen Herausforderungen – etwa mit einer sinkenden Motivation der Mitarbeiter – umgehen? Welche Strategien helfen dabei, trotz wiederkehrendem Sommerloch als Unternehmen leistungsfähig zu bleiben?
Esra Erdem: Hier hilft eine enge und motivierende Kommunikation. Führungskräfte sollten gemeinsam mit ihren Mitarbeitern die Ziele tages-, wochen- und monatsaktuell im Auge behalten und mit den aktuellen Ergebnissen abgleichen. Beim Thema Skalierung sollten Führungskräfte also besser keine Sommerpause einlegen. Es gilt zu prüfen, welche Mitarbeiter gezielt Unterstützung benötigen und gleichzeitig permanent an einem motivierenden Arbeitsumfeld zu arbeiten.
Thorsten Schwack: Das Mindset der Mitarbeiter spielt dabei eine große Rolle. Führungskräfte können Unterstützung leisten, indem sie förderungswürdige und förderungswillige Mitarbeiter gezielt fördern und entwickeln.
Mitarbeiter sollten verstärkt in die Lage versetzt werden, sich und ihre Arbeitsweise an neue Herausforderungen und Veränderungen im Markt anzupassen. Neben Transparenz, Skalierung und Kommunikation sind daher Coaching, Training und Training on the job sinnvolle flankierende Maßnahmen, um die Motivation der Mitarbeiter wieder zu steigern und darüber hinaus ihre individuellen Fähigkeiten zu verbessern.
Nach dem Sommerloch ist vor dem Jahresendgeschäft, das für viele wirtschaftlich von besonderer Wichtigkeit ist. Mit welchen Maßnahmen können Unternehmer ihre Umsätze in dieser Zeit noch einmal so richtig ankurbeln und ihre Ziele vielleicht sogar übertreffen?
Esra Erdem: Das letzte Quartal ist in den meisten Unternehmen der Jahresendspurt. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, wenn wir mit unseren Mandanten eine Art »Kick-off« für diese Phase durchgeführt haben. Hier werden mit den handelnden Mitarbeitern die vertrieblichen Arbeitsprozesse noch einmal überprüft und gegebenenfalls angepasst. Das Team wird zusammengeschweißt und motiviert. Erfolg ist die Summe seiner Teile.
Thorsten Schwack: Genau. In solchen Veranstaltungen können zusätzlich auch gezielte Angebote und Verkaufsaktionen erarbeitet werden und gemeinsam mit den Mitarbeitern die richtigen Lösungen entwickelt werden, wie diese im Tagesgeschäft umgesetzt werden. Gerade zum Jahresendspurt sollte der Fokus noch einmal auf eine stärkere, aktive Kundenansprache und eine professionelle Kundenbetreuung gelenkt werden, um ambitionierte Ziele zu erreichen.
Da viele Unternehmen in dieser Phase auf unsere Unterstützung setzen, ist dies auch für uns jedes Jahr eine spannende und intensive Zeit, in der wir gezielt am messbaren Erfolg unserer Mandanten mitwirken. Wir lassen uns eben gern am Erfolg unserer Kunden messen.
Unsere Gesprächspartner:
Thorsten Schwack ist Gründer und Geschäftsführer des Weiterbildungsinstituts Stratavis. Ebenso wie Esra Erdem, die im Unternehmen unter anderem für Strategie- und Performanceentwicklung tätig ist, hat er seine Wurzeln im Vertrieb.
Bilder: Mathias Mensch / STRATAVIS Fotobestand
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