von Katja Michalek & Bastian Hughes
In Zeiten immer weiter steigenden Zahlen von psychischen Erkrankungen sollten wir sehr behutsam mit unserer Resilienz, unserer mentalen Widerstandskraft umgehen. Denn diese ist die Voraussetzung einerseits für psychische Gesundheit, aber andererseits auch für langfristigen Erfolg und dauerhafte Zufriedenheit!
Um auf unsere Resilienz achtgeben zu können, müssen wir aber erst einmal wissen, welche Faktoren dazugehören – und wodurch diese in Gefahr sind. In diesem Artikel erfährst du, welches die 7 Resilienzfaktoren sind und wodurch sie geschwächt werden können. Und du bekommst Tipps, wie du sie stärken kannst.
- 1. Hast du einen Chef, der dich nie lobt? Der im Gegenteil, immer nach Fehlern zu suchen scheint, und dich auch auf die kleinste Unachtsamkeit aufmerksam macht? Bist du nicht richtig eingearbeitet, hast gleichzeitig wenig Erfahrung mit den dir anvertrauten Aufgaben, und bist dadurch ständig an der Grenze zur Überforderung? Vorsicht – auf Dauer wird das deinem Selbstbewusstsein nicht gut tun und an deiner Selbstwirksamkeitsüberzeugung nagen!
Was das ist: Selbstwirksamkeitsüberzeugung ist essentiell nichts anderes als der Glaube an dich selbst und deine eigenen Fähigkeiten.
Was du tun kannst: Um diesen Glauben zu stärken, ist es empfehlenswert, sich an vergangene Erfolge und gute Leistungen zu erinnern. So könntest du beispielsweise anfangen, jeden Tag die Dinge aufzuschreiben, die dir gut gelungen sind – wenn du dann mal wieder in ein Selbstbewusstseinsloch fällst, kannst du deine Notizen zurate ziehen.
Bitte Kollegen, die dir wohlgesonnen sind, um ein Feedback zu deiner Arbeit, oder lass sie vielleicht sogar einen Fragebogen zu deinen Stärken ausfüllen. Was glauben sie, was du gut kannst?
- 2. Arbeitest du in einem Großraumbüro, in dem auch noch ständig das Telefon klingelt? Hast du Kollegen, die dich bei jeder Gelegenheit bei der Arbeit stören? Herrscht im Büro oft eine gereizte Stimmung, weil viele Kundenbeschwerden hereinkommen oder der Chef cholerisch ist? Vorsicht – zu viele ständige Ablenkungen nagen auch an der größten Selbstdisziplin. Und wenn du regelmäßig angeschrien wirst, wird es höchstwahrscheinlich auch nicht mehr lange dauern, bis dir einmal der Kragen platzt. Anders ausgedrückt: deine Impulskontrolle leidet!
Was das ist: Impulskontrolle bezieht sich auf zwei leicht unterschiedliche Fähigkeiten. Zum einen die Fähigkeit, auf eine, nennen wir es mal, negative Ansprache nicht ebenso zu reagieren, sondern sich „zusammenzureißen“. Zum anderen ist Impulskontrolle aber auch die Kompetenz, diszipliniert zu arbeiten und Dinge voran und vor allem zu Ende zu bringen.
Was du tun kannst: Um deine Impulskontrolle zu schützen kann es helfen, bestimmte Vereinbarungen mit den Kollegen und dem Chef zu treffen. Vielleicht kannst du dir bestimmte Zeitfenster ausbitten, in denen du konzentriert arbeiten kannst? Wenn es der Umgangston ist, der dich stresst: sprich es an. Erklär, wie es dir damit geht. Bitte darum, mit etwas mehr Respekt behandelt zu werden.
Deine Impulskontrolle stärken kannst du beispielsweise mit verschiedenen Achtsamkeitsübungen, Yoga oder Meditationen. Das Ziel ist es hierbei im Grundsatz, in die Lücke zwischen Reiz (z.B. angeschrien werden) und Reaktion (z.B. zurückschreien) zu stoßen und diese zu vergrößern. Denn wenn die Lücke groß genug ist, kann sich der Verstand einschalten, und die Entscheidung für eine bewusste Reaktion kann getroffen werden.
- 3. Ein schlechtes Betriebsklima mit vielen Konflikten wird aber nicht nur an deinem Geduldsfaden (=Impulskontrolle) nagen, sondern gleichzeitig deine Emotionssteuerung testen, wenn du keinen emotionalen Ausgleich findest. Denn: wenn wir negative Gefühle ständig unterdrücken, kann auch das krank machen.
Was das ist: Emotionssteuerung bedeutet nicht, dass man seine Gefühle verdrängt. Dies ist auch nicht ratsam, da der innerliche Druck dann oft immer größer wird, bis man buchstäblich platzt. Emotionssteuerung bezieht sich vielmehr auf die Fähigkeit, negative Emotionen bewusst und aktiv in positive umzuwandeln.
Was du tun kannst: Das Gehirn folgt oft dem Körper. Beispielsweise kannst du dich nur schwer glücklich und energiegeladen fühlen, wenn du Kopf und Schultern hängen lässt. Ebenso „glaubt“ das Gehirn dir nicht, dass du schlecht zurecht ist, wenn du mit erhobenem Kopf und aufrechter Körperhaltung herumläuft.
Diesen Umstand kannst du dir zunutze machen, wenn du bewusst positive Gefühle hervorrufen möchtest – nach dem Motto „fake it, until you make it“. Nimm einen Stift deiner Wahl zur Hand und stecke ihn quer in den Mund, so dass du mit den Zähnen draufbeißt. Dadurch werden die Mundwinkel nach außen gezogen, ähnlich einem Lächeln oder Grinsen.
Halte diese (zugegebener Weise merkwürdige) Pose für mindestens 60 Sekunden, und du wirst merken, dass sich deine Stimmung bessert.
Durch das Auseinanderziehen der Mundwinkel werden die Muskeln in den Wangen aktiviert, die man auch beim Lächeln, also wenn man fröhlich ist, benutzt. Das Gehirn merkt das und denkt – „oh, wir lächeln. Dann scheinen wir uns ja wohl zu fühlen.“ – und weist die Ausschüttung der entsprechenden Hormone, z.B. des Glückshormons Serotonin an. Mag etwas abstrus klingen, ist aber wissenschaftlich erwiesen. Und funktioniert.
- 4. Ist dein Job sehr zahlenlastig? Ist deine Firma extrem gewinnorientiert, und persönliche Belange der Kunden oder Mitarbeiter interessieren nicht? Dann kann es sein, dass deine eigene Empathiefähigkeit darunter leidet.
Was das ist: Empathie ist die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzudenken und wahrnehmen zu können, was sie fühlen. Das setzt in der Regel ein gewisses Maß an Achtsamkeit und Aufmerksamkeit voraus – denn wenn wir ausschließlich mit uns selber beschäftigt sind, „sehen“ wir den anderen nicht.
Was du tun kannst: Die Empathiefähigkeit mit einzelnen Übungen gezielt zu stärken, ist meines Erachtens kaum möglich. Vielmehr ist hier ein Ansatz nötig, der bei jedem Einzelnen beginnt. Du solltest also zunächst versuchen, mit dir selbst ins Reine zu kommen, um Kapazität dafür zu schaffen, auf andere wirklich einzugehen. Dieses ist eher eine Angewohnheit, oder vielmehr eine Lebenseinstellung als eine Übung: werde zum Beobachter anderer Menschen, ohne direkt zu reagieren oder zu bewerten. Höre zu, was die anderen sagen, beobachte, was sie tun. Und frage, wenn du etwas nicht verstehst. Ganz wichtig hierbei: versuche das alles wertfrei zu halten!
- 5. Hast du das Gefühl, dass dein Chef jede Woche eine andere Sau durchs Dorf treibt? Verstehst du die Unternehmensziele nicht, und wenn du sie verstehen würdest, wüsstest du gar nicht, was du beitragen könntest zur Erreichung dieser Ziele? Dann könnte es sein, dass deine eigene Zielorientierung auch darunter leidet.
Was das ist: Unter Zielorientierung verstehen wir die Fähigkeit, sich immer wieder herausfordernde Ziele zu setzen, und diese auch konsequent zu verfolgen (hierbei hilft die Impulskontrolle). Dazu gehört jedoch auch die Fähigkeit, Ziele fallenzulassen, wenn man erkennt, dass sie unrealistisch oder obsolet geworden sind. Wenn du diese Fähigkeit nicht trainierst, verkümmert sie.
Was du tun kannst: Je nach Position hast du ggf. wenig Einfluss auf die Art und Weise, wie das Unternehmen oder deine Führungskraft mit Zielen umgeht. Aber du kannst dir für dich selber Ziele setzen. Hast du vielleicht ein paar Pfund mehr auf den Rippen? Überlege 1. wie hoch dein Zielgewicht ist und bis wann du es erreicht haben willst, schreibe das 2. auf, erzähle es 3. einer anderen Person, lege 4. Maßnahmen fest, wie du das erreichen willst, und schreibe dir 5. dein Zielgewicht jeden Morgen 4x auf, als ob es schon eine Tatsache wäre. Und nicht vergessen – feiere auch kleine Erfolge!
- 6. Sind bei deinem Arbeitgeber Mitarbeitergespräche vollkommen unbekannt, und die Einstellung zu Feedback ist, „nicht geschimpft ist gelobt genug“? Hat dein Chef außerdem wenig bis kein Verständnis für Fehler, so dass diese eher vertuscht werden, als konstruktiv mit ihnen umzugehen? Dann wirst du wohl bald ein Problem mit deiner eigenen Fähigkeit zur Kausalanalyse haben!
Was das ist: Unter Kausalanalyse verstehen wir die Fähigkeit, negative Erlebnisse zu analysieren und den Grund dafür (korrekt) zu ermitteln. Auch wenn dieser in uns selbst, unseren Handlungen oder unserer Persönlichkeit liegt.
Dafür bedarf es ein gehöriges Maß an Reflexionsfähigkeit, aber auch der Wille und die Fähigkeit, innezuhalten und der Ursache überhaupt auf den Grund zu gehen.
Was du tun kannst: Wenn du diese Reflexionsfähigkeit nicht von Haus aus mitbringen oder im Laufe deines Lebens durch dein Umfeld gelernt hast (und auch noch in einem Unternehmen arbeitest, wo diese Eigenschaft selten vorhanden ist), ist es schwer, sie ohne äußere Hilfe zu lernen. Denn woher weiß ich, dass ich keine gute Reflexionsfähigkeit habe, wenn ich mich nicht selbst reflektieren kann? Tricky. Deshalb: bitte deinen Chef um ein Feedbackgespräch. Tu dich mit Kollegen zusammen, und tauscht euch über eure Arbeit aus – wie gehst du mit dieser und jener Thematik um, was funktioniert gut, was klappt nicht so gut? Was könnten wir besser machen? Das trainiert deinen „Reflexionsmuskel“.
- 7. Weigern sich deine Kollegen, etwas Neues auszuprobieren, weil das doch eh nicht klappt? Drehen sich die Gespräche beim Mittagessen nur darum, wie schlimm doch alles geworden ist, und wie schrecklich die Welt da draußen ist? Vorsicht – das kann auch deinen Optimismus negativ beeinflussen!
Was das ist: kurz gesagt ist Optimismus die Fähigkeit, auf das gute Ende zu vertrauen – oder zumindest auf ein gutes Ende. Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende. Hierzu gehört zum eine gehörige Portion Gottvertrauen (oder in Buddha-/Allah-/den Sonnenkäfer), zum anderen aber auch das Vertrauen in sich selbst und seine eigenen Fähigkeiten, Dinge zum Guten zu wenden (s. Selbstwirksamkeitsüberzeugung).
Optimismus entsteht meist durch eine Summe an positiven Erfahrungen.
Was du tun kannst: wie sollst du optimistisch bleiben, wenn du nur Mist erlebt hast, und in der Welt auch nur schlimme Dinge passieren?
Ändere deinen Fokus. Machen wir einen kleinen Test: Schaue dich im Raum um und merke dir alles, was rot ist…. nur die roten Dinge…
Bist du soweit? Jetzt schließe die Augen.
Und jetzt nenne mir bitte alle Dinge, die grün sind.
Unsere Wahrnehmungsorgane (Augen, Nase, Ohren, Haut) nehmen jede Sekunde eine Vielzahl von Informationen auf – wir sprechen hier von 5-stelligen Zahlen. Diese werden direkt gefiltert, um nur das Wesentliche durchzulassen. Wesentlich sind entweder Dinge, die uns emotional berühren, die uns potentiell bedrohen, oder auf die wir vorher unsere Aufmerksamkeit gerichtet haben. So ist es auch zu erklären, dass plötzlich überall „kugelige“ Frauen herumlaufen, wenn man selber schwanger ist, oder im Raum keine grünen Dinge zu finden sind, wenn man sich vorher auf rote konzentriert hat. Dadurch erleben Menschen, die nur mit dem Schlimmsten rechnen, auch nur schlechte Dinge – subjektiv betrachtet.
Wie aber richten wir unseren Fokus auf die schönen Dinge im Leben, um noch mehr Positives anzuziehen (genauer gesagt wahrzunehmen)? Zum Beispiel indem wir ein Dankbarkeitstagebuch führen, und jeden Abend 3 Dinge aufschreiben, für die wir an diesem Tag dankbar sind.
Alternativ könntest du dir auch eine Medienabstinenz auferlegen, und Nachrichten, Zeitungen und Radio für 6 Wochen konsequent meiden. Probiere es mal aus, und schau, was es mit dir macht!
Genauso kannst du es mit den negativgestimmten Kollegen tun – nimm dir doch mal eine Zeitlang Brote mit auf die Arbeit und verbringe deine Mittagspause im Park statt in der Kantine.
Hast du dich an der einen oder anderen Stelle wiedergefunden? Dann ist es Zeit zu handeln! Teste hier deine Resilienz und finde heraus, auf welche Fähigkeiten zu besonders achtgeben solltest – und welche stark ausgeprägt sind.
Wir wünschen dir einen gesunden, erfolgreichen Tag!
Deine Berufsoptimierer
Katja Michalek & Bastian Hughes
Bild: baranq/depositphotos