Die Welt verändert sich, die Queen bleibt. Sie verkörpert die ewige Monarchin und ist Zeitzeugin eines Jahrhunderts. Mit Beständigkeit und unerschütterlicher Hofetikette schaffte sie es auch, die schlimmsten Skandale zu überstehen. Die Briten verehren ihre Königin beinahe pathetisch, obwohl ihr politischer Einfluss als konstitutionelle Monarchin dagegen gering ist. Dennoch verleiht sie dem britischen Königshaus bis heute eine pittoreske Relevanz. Wie gelingt es Elizabeth II., diese Wirkung zu erzielen?
Alles begann am 6. Februar 1952, als die 25-jährige Elizabeth Alexandra Mary den Thron bestieg. Sie war die Dritte in der Thronfolge. Doch ihr Onkel Eduard VIII. dankte als König ab und nach dem Tod ihres Vaters Prinz Albert Herzog von York, späterer König Georg VI., wurde die Krone auf Elizabeth übertragen. Die anstehende Zeremonie fand traditionell in der Westminster Abbey statt und wurde als erste Krönung live im Fernsehen übertragen. Als glamouröse „Märchenkönigin“ wurde sie von der Presse gefeiert und verehrt. Nach den traumatischen Kriegserfahrungen gab sie dem britischen Volk Hoffnung für den Beginn eines neuen Zeitalters. Elizabeth gelang es durch rhetorische Kniffe, die Aufmerksamkeit der medialen Öffentlichkeit auf die Königsfamilie und ihre repräsentative Macht zu richten.
Seit jeher zählt sie zu den wichtigsten Monarchen weltweit. In den sechs Jahrzehnten ihrer Regentschaft hatte die Queen heikle Missionen zu bewältigen, die ihr diplomatisches Geschick erforderten. Ihre Fähigkeit eine sehr gute Zuhörerin zu sein und ihre sprachliche Sensibilität für punktuelle Nachfragen, verhalfen ihr sämtliche Situationen erfolgreich zu meistern. Fertigkeiten, welche auch im Alltag extrem nützlich sind und nur durch Übung erreicht werden können.
Die größten Herausforderungen hatte Elizabeth jedoch in ihrer eigenen Familie zu bewältigen. Ihre Qualität als moralischer Anker der Monarchie und des Hauses Windsor zeigte sie vor allem 1992, bei der Ansprache zu ihrem 40. Thronjubiläum. Die sonst zurückhaltende, ja fast distanziert wirkende Queen sprach ungewöhnlich offen über das zurückliegende „annus horribilis“ (Schreckensjahr). Drei ihrer vier Kinder gaben in diesem Jahr das Ehe-Aus bekannt, Affären wurden aufgedeckt und das Familienschloss Windsor Castle erlitt bei einem Großbrand erhebliche Schäden. Die Monarchie musste sich wachsender Kritik und öffentlicher Beobachtung stellen.
Nach dem tragischen Unfall Lady Dianas in Paris 1997 wirkte die Queen in der öffentlichen Wahrnehmung durch ihre steife Unerschütterlichkeit kaltherzig. Während die ganze Welt um die „Prinzessin der Herzen“ trauerte. Erst nach mehreren Tagen kehrte Elizabeth nach London zurück und gewährte der Ex-Schwiegertochter eine öffentliche Trauerfeier vor dem Buckingham Palace. Diese versöhnende Geste ließ ihre Beliebtheitswerte wieder steigen. Denn letztlich dämmerte auch Elizabeth, was Diana schon zu Lebzeiten verstand: Das Volk möchte, das es menschelt.
Auch wenn Großbritannien nie ganz mit der monarchischen Identität gebrochen hat, steht die Figur der Queen über den Dingen. Bis heute gibt sie kaum Interviews, die etwas über ihre persönlichen Gefühle oder Ansichten verraten könnten. Als Schirmherrin von über 600 wohltätigen und ehrenamtlichen Organisationen ist sie im sozialen Feld eine herausragende Expertin. Zwar ist Elizabeth über aktuelle Entwicklungen bestens informiert und trifft sich regelmäßig mit den jeweiligen amtierenden Premiers, doch nimmt sie hauptsächlich repräsentative Aufgaben war. Politisch bleibt sie traditionell neutral. Selbst die Inhalte der „Queen’s Speech“, die sie zu Beginn jeder Parlamentsperiode hält, sind von der Regierung vorgegeben.
Und heute? Fünfzehn Jahre später, zum 60. Thronjubiläum der Queen, erreichen die Royals nach einer Meinungsumfrage von IpsoMORI einen rekordverdächtige Beliebtheitswert von 90 Prozent. Die Briten sind loyal gegenüber ihrer Königin. Allein ihre Präsenz erzeugt eine tiefgreifende und emotionale Wirkung beim Volk. Sie sind nicht nur stolz auf ihre Ausnahme-Queen, sondern sie mögen die würdevolle alte Dame auch.
Die Art und Weise, wie sie ihre Reden hält, ist dabei von entscheidender Bedeutung. Sie strahlt eine innere Ruhe aus und trägt dabei Amtswürde und Eleganz.
Auch wenn die meisten von uns niemals in einer ähnlichen Amtspflicht stehen, können wir viel daraus lernen. Eine angenehme Stimmlage und entspannte Gestik, beruhigen unser Gegenüber und schaffen eine positive Atmosphäre. Elizabeth gibt ihren Zuhörern Halt, indem sie das romantische Ideal der königlichen Tradition wahrt. Das tut sie auch in Form von Ritualen und Zeremonien, die Jahr für Jahr nach dem gleichen Schema ablaufen. Sie ist geschmackvoll, stilsicherbeständig, wie ihr Kleidungsstil, der Optimismus und Fröhlichkeit ausstrahlt.
Diese neugewonnene „alte“ Sympathie für das Königshaus liegt nicht zuletzt am Nachwuchs. Frischen Wind in das verstaubte Hause Windsor bringen die Enkel und Urenkel der Queen, vor allem die Prinzen Harry und William sowie dessen Nachwuchs. Elizabeth II. sorgte derweilen für die passenden Rahmenbedingungen: So erlaubte sie die Hochzeit zwischen ihrem Enkel William und der bürgerlichen Catherine und ließ die Thronfolge reformieren, wonach das erstgeborene Kind Anspruch auf die Krone hat – unabhängig vom Geschlecht des Kindes.
Ihr Image als moderne Groß- und Urgroßmutter veränderten ihr einst steifes und reserviertes Auftreten in den letzten Jahren. Durch den liebevollen Bezug zu ihren Enkeln und Urenkeln gelingt es ihr sich mit den Volk auf eine Ebene zu stellen, als als Großmutter, Urgroßmutter und Vertraute. Die Monarchin wirkt sanfter und greifbarer: sie menschelt. Elizabeth II. hat verstanden, dass auch die Monarchie offen für Veränderungen sein muss. Dennoch bleibt sie dabei besonnen: Eine wahrhafte Königin.
Autor:
Bildquelle: depositphotos.com/cheekylorns2, Michael Ehlers Wosilat
Mehr: EGO: Julien Backhaus mit neuem Buch, Die unsichtbare Manipulation